Duisburg. „Duisburg steht auf“ protestiert gegen die Corona-Maßnahmen. Wer hinter der Initiative steht und warum sie sich von „Querdenken“ distanziert.

Sie wollen keine „Querdenker“ mehr sein. Zu negativ ist der Begriff heute auch bei denen behaftet, die ihn einst für sich in Anspruch nahmen: Impfgegner und Corona-Verharmloser. Bei ihrer Kundgebung am Montagabend in Duisburg distanzieren sie sich mehrfach von der Querdenken-Bewegung, die oft auch dadurch auffiel, Seite an Seite mit rechtsradikalen Gruppen zu demonstrieren.

Etwa 120 Männer und Frauen haben sich am Burgplatz vor dem Rathaus versammelt, um gegen einen vermeintlichen Impfzwang und die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Ihr „Spaziergang“ soll sie über die Landfermannstraße bis zum Theater Duisburg führen und wieder zurück. „Sprecht nicht mit der Presse, eure Aussagen werden von denen aus dem Kontext gerissen“, fordert ein Organisator die Demonstrierenden zum Schweigen auf.

„Nachfolger Mengeles“: NS-Relativierung bei Demo in Duisburg

Nach ihm tritt der Mann ans Mikrofon, der im vergangenen Jahr den Duisburger Ableger von „Querdenken“ ins Leben rief: Stefan Brackmann aus Dinslaken stellt sich vor als Gründer der Initiative „Duisburg steht auf“, die zu der Kundgebung eingeladen hat.

Stefan Brackmann (rechts) rief 2020 den Duisburger Ableger der Initiative „Querdenken“ ins Leben. Ein Jahr später finden seine Demonstrationen unter dem Titel „Duisburg steht auf“ statt.
Stefan Brackmann (rechts) rief 2020 den Duisburger Ableger der Initiative „Querdenken“ ins Leben. Ein Jahr später finden seine Demonstrationen unter dem Titel „Duisburg steht auf“ statt. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Auf dem Burgplatz fällt der erste Nazi-Vergleich: Ein Redner beklagt sich, als Ungeimpfter von der Mehrheitsgesellschaft „faschistisch ausgegrenzt“ zu werden. Die Impfkampagne bezeichnet er als „Menschenversuche“, durchgeführt von den „Nachfolgern Mengeles“.

Damit bezieht sich der Mann auf den nationalsozialistischen Arzt und Kriegsverbrecher Josef Mengele, der im Bereich der Rassenhygiene forschte. Als Lagerarzt im Vernichtungslager Auschwitz experimentierte Mengele vor allem mit tausenden Sinti und Roma, von denen er viele auch vergasen ließ.

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Polizei Duisburg begleitet Corona-Demonstration

Dass die Relativierung nationalsozialistischer Gewaltherrschaft nicht überall gut ankommt, weiß Stefan Brackmann. Nach der Rede geht er zu dem Sprecher, bittet ihn, auf Nazi-Anspielungen zu verzichten – wenngleich er diese „gut verstehen“ könne.

Eine halbe Stunde später ist es aber erneut soweit: „Wie im Dritten Reich sind wir die neuen Opfer“, vergleicht sich eine Rednerin mit den Menschen, die in der NS-Zeit systematisch verfolgt, verschleppt und ermordet wurden.

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Außerhalb der eigenen Reihen, in denen sie Parolen wie „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“ oder „Öffnet eure Herzen“ skandieren, stoßen die Demonstrierenden auf wenig Resonanz. Ein Passant bleibt am Straßenrand stehen, wischt die Hand vor seinem Gesicht hin und her. Ein paar Demo-Teilnehmer rufen gereizt ein paar scharfe Worte in seine Richtung.

Zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt es während der etwa zweistündigen Kundgebung nicht. Auch die Polizei spricht hinterher von einem „störungsfreien Verlauf“.

Impfgegner protestierten am Montagabend auch in mehreren anderen deutschen Städten. Anders als in Duisburg, bewegte sich die Zahl der Demonstrierenden insbesondere in Ost- und Süddeutschland teilweise im vierstelligen Bereich.

>> „QUERDENKEN“ DUISBURG OHNE ORGA-TEAM

• Die Duisburger „Querdenker“-Gruppe, 2020 gegründet vom Dinslakener Vermögensberater Stefan Brackmann, ist laut eigenem Telegram-Kanal zurzeit ohne Orga-Team. Auf der Homepage von „Querdenken 203“ ist Brackmann dagegen noch im Impressum gelistet.

• Den Telegram-Kanal „Wir stehen auf / DU“ moderiert Stefan Brackmann selbst. Die dort geteilten Inhalte unterscheiden sich nicht von dem, was auch in den Kanälen der Querdenker verbreitet wird: Verunglimpfungen von Politikern, Verschwörungstheorien, NS-Relativierung und eine Flut an ungeprüften Informationen.