Duisburg. Strom-Neukunden in der Grundversorgung der Stadtwerke Duisburg müssen ab sofort draufzahlen. Die Gründe und warum es deutliche Kritik gibt.
Der Energiemarkt ist in einer Krise. Der Strompreis auf den Beschaffungsmärkten befindet sich auf einem Rekordhoch. Einige Anbieter, zuletzt Stromio, haben deshalb den Stecker gezogen und kurzerhand Verträge mit Kundinnen und Kunden gekündigt. Damit die Betroffenen nicht im Dunklen sitzen, springt der kommunale Stromversorger ein, so will es das Gesetz. Für Duisburg sind das die Stadtwerke. Doch der unerwartete Zuwachs an Abnehmern stelle den städtischen Versorger vor Probleme – der mit der Einführung eines neuen Grundversorgungstarif reagiert.
Kunden, die etwa aufgrund von einseitigen Vertragskündigungen ihrer bisherigen Versorger in den Grund- und Ersatzversorgungstarif rutschen, sollen ab sofort 53,6 Cent statt 30,9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bezahlen. Bei einem Verbrauch von 3000 kWh im Jahr bedeutet dies eine Differenz von 681 Euro.
Stadtwerke: 9900 neue Haushalte im Dezember in Grundversorgung
Notwendig sei dieser Schritt, so die Begründung der Stadtwerke, „um die Preise für Bestandskunden, die seit vielen Jahren dem Unternehmen die Treue halten, stabil halten zu können.“ Bundesweit hätten rund 40 Versorger, die im Sinne eines spekulativen Geschäftsmodells vergebens auf niedrige Beschaffungspreise gewartet haben, nicht mehr die notwendigen Strommengen für ihre Kunden beschaffen können und deshalb die Verträge in letzter Konsequenz gekündigt.
Prominente Beispiele sind Stromio und Immergrün. Allein im Dezember sind laut Angaben der Stadtwerke mehr als 9900 Haushalte in Duisburg in die Grund- und Ersatzversorgung in den Sparten Strom oder Gas gefallen. Zum Vergleich: Im Dezember 2020 waren es nur rund 2200 Haushalte. Für diese neuen Kunden müssen die Stadtwerke Duisburg laut eigenen Angaben dann kurzfristig Energie neu beschaffen – zu tagesaktuellen Extrempreisen.
Neuer Grundversorgungstarif bei den Stadtwerken
Grundversorger seien dann das politisch gewollte „Sicherheitsnetz“, erklärt Marcus Wittig, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Duisburg AG. Doch die hohe Zahl an Neukunden verursache Energiemengen, mit denen der Grundversorger – trotz vorausschauender Planung – nicht hätte vorab rechnen können.
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„Diese notwendige Energie jetzt nachträglich für die neuen, unverhofften Kunden einzukaufen, ist bei den aktuellen Preisen am Energiemarkt ein millionenschwerer Kraftakt“, argumentieren die Stadtwerke. „Deshalb müssen wir die Preise für neue Verträge an die aktuelle Marktlage anpassen und haben für neue Kundinnen und Kunden einen zweiten Grundversorgungstarif eingerichtet“, sagt Wittig.
Preise auf dem Energiemarkt sind deutlich gestiegen
Die Stadtwerke rechnen vor: Der Großhandelspreis für Strom sei in den vergangenen Jahren um 681 Prozent gestiegen. 43,28 Euro kostete die Megawattstunde Strom durchschnittlich im Dezember 2017. Im Dezember 2021 kostete die gleiche Menge Strom schon 294,79 Euro. Die gleiche Entwicklung haben die Gaspreise gemacht.
„Gerne“, so die Stadtwerke, würden sie auch den geschassten Kunden einen günstigeren Preis anbieten. „Es ist für uns unter den derzeitigen Marktbedingungen aber wirtschaftlich unzumutbar“, erklärt Torsten Hiermann, Leiter Vertrieb und Markt bei den Stadtwerken. Der Versorger sieht sich angesichts weiterer drohender einseitiger Kündigungen durch Mitbewerber „mit erheblichen Schwierigkeiten in der Planung und Beschaffung“ konfrontiert.
>> DAS SAGT DIE VERBRAUCHERZENTRALE
- Die Verbraucherzentrale NRW sieht die Einführung eines neuen Grundversorgungstarif kritisch. Gegenüber dieser Zeitung sprach Udo Sieverding, Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale NRW, von Kundinnen und Kunden „zweiter Klasse“.
- Gleichzeitig seien die Preisunterschiede für Neukunden in der Grundversorgung von Stadt zu Stadt groß. Während bei einem Verbrauch von 3000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr in Münster lediglich 932 Euro fällig würden, sind es in Duisburg 1734 Euro.
- „Es darf nicht sein, dass Kunden, die von Energie-Discountern kommen, schikaniert werden“, sagt Sieverding im Gespräch mit dieser Zeitung. Schließlich hätten sie „nichts falsch gemacht“ bei der Wahl eines günstigen Stromanbieters.