Duisburg. Ludwig Hoeren leitet das Duisburger Gesundheitsamt, das in der Pandemie zum „Corona-Amt“ ausgebaut wurde. Warum Impfen ein schwieriges Thema ist.

Als Ludwig Hoeren im August 2020 die Leitung des Duisburger Gesundheitsamtes übernommen hat, war aus dem Gesundheitsamt bereits ein „Corona-Amt“ geworden. Noch wurde die Pandemie vor allem mit Testen und Kontaktbeschränkungen, Lüften und Hygiene eingedämmt. Doch auch mit dem Impfstoff erwies sich die Hoffnung als trügerisch, Sars-CoV-2 schnell zu besiegen, wie man inzwischen weiß. Im Gespräch gibt Ludwig Hoeren einen Einblick in die Arbeit des Amtes und die Corona-Lage in Duisburg.

Wie hat die Corona-Krise das Gesundheitsamt verändert?

Ludwig Hoeren: Es hat eine ganz neue Dynamik gegeben. Als die Krise begann, wurden viele Bereiche des Amtes stillgelegt. Der Bereich Infektionsschutz wurde kontinuierlich ausgebaut und weiter entwickelt. Der Bereich Corona besteht mittlerweile aus vielen kleinen Spezialistenteams.

Was ist zu den Bereichen Erfassung, Nachverfolgung und Kontakte hinzu gekommen?

Wir haben jetzt noch Sub-Teams im Bereich Daten und das sogenannte Fieberzentrum, das sich ausschließlich mit Kitas und Schulen befasst. Dafür haben wir Bachelor-Studenten eingestellt, die mittlerweile in der Lage sind, weitgehend autark zu arbeiten. Das Team ist sprachfähig und in der Lage, die meisten Fragen abzuräumen, die von Schulen und vom Schulamt etwa zum Thema Quarantänen kommen.

Auf wie viele Mitarbeiter ist das Amt gewachsen, darunter doch sicher viele in Teilzeit?

Im Bereich Corona gibt es mittlerweile 100 Vollzeitstellen, darunter finden sich auch Teilzeitbeschäftigte, etwa für die Kontaktnachverfolgung. In der Gesamtzahl enthalten sind auch die 25 Bundeswehrsoldaten, die RKI-Scouts sowie die befristeten Einstellungen, die durch die Stadt vorgenommen wurden. Den fachlichen Kernbereich des Infektionsschutzes bilden etwa 20 Leute vom Gesundheitsamt – Gesundheitsaufseher und -aufseherinnen, Verwaltungsleute und Ärztinnen und Ärzte, die eigentlich auch andere Aufgaben haben. Im Bereich Gesundheitsaufsicht wurden zusätzliche Stellen geschaffen. Da es momentan schwierig ist, Fachkräfte zu gewinnen, müssen wir diese aber zum Teil noch ausbilden.

Ludwig Hoeren ist Leiter des Duisburger Gesundheitsamtes, das während der Pandemie „Corona-Amt“ geworden ist.
Ludwig Hoeren ist Leiter des Duisburger Gesundheitsamtes, das während der Pandemie „Corona-Amt“ geworden ist. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Wird sich das angesichts der Pandemie-Entwicklung fortsetzen?

Ich hoffe. Wir waren zu Beginn der Pandemie nicht richtig gut aufgestellt, das Gesundheitsamt hätte besser ausgestattet sein müssen. Da hat sich inzwischen enorm was getan, wir bekommen sehr viel Unterstützung von der Stadtspitze.

Sind Sie das Amt, das in den letzten Monaten am meisten gearbeitet hat?

Wir sind nicht die einzigen, die viel arbeiten, es gibt andere Ämter, die genauso belastet sind. Die Feuerwehr hat mit dem Aufbau und Betrieb des TaM enorm viel geleistet, das Bürger- und Ordnungsamt ist mit den ganzen Kontrollen stark belastet. Und es gibt bei uns den neuen Bereich KoCi: Die Koordinierende Corona-Impfeinheit, das sind noch mal 15 Leute, die das Kerngeschäft Impfen organisieren; auch hier unterstützt die Feuerwehr personell in den neu aufgebauten Impfstationen.

Wie zufrieden sind Sie mit der Impfbereitschaft in Duisburg?

Das ist ein Wechselbad der Gefühle. Bereits vor der Schließung des Corona-Zentrums im Theater am Marientor gab es wenig Nachfrage, einen Monat später ist das aufgrund der Entwicklung wieder gekippt. Da bekamen wir den Auftrag, wieder neue Impfstationen einzurichten. Wir haben uns für dezentrale Lösungen entschieden und waren richtig begeistert, denn wir hatten bis zu 3500 Leute am Tag, also mehr als im TaM vorher. Das ist abgeebbt, wir sind jetzt bei 2000 Impfungen täglich.

Wie verteilt sich das?

Wir haben einen sehr hohen Anteil an Booster-Impfungen, letzte Woche 88 Prozent, das ist erfreulich. Wir würden uns noch mehr freuen, wenn sich mehr Menschen zu Erstimpfungen entschließen würden. Denn da haben wir immer noch eine Lücke, da ist Duisburg allerdings nicht alleine.

Wie kommt man besser an die Ungeimpften heran?

Wir hatten den Eindruck, das 2G das Interesse hat wieder steigen lassen. Aber auch die Debatte um Omikron wird das Boostern anschieben. Da hatten wir letzte Woche sogar einen kleinen Peak, aber das hat nicht angehalten. Es gibt Gruppen, die sind schwer zu erreichen, das sind viele kleine Blasen, von denen wir versuchen, möglichst viele anzupiksen. Auch bei unseren Sonderaktionen haben wir manchmal sehr guten Erfolg und manchmal weniger. Von den Krankenhäusern, die ja mit ins Impfen eingestiegen sind, bekommen wir auch solche Rückmeldungen: Menschen sind überrascht, dass überhaupt geimpft wird.

Was tun Sie, um die Impfquote zu steigern?

Wir sind vernetzt mit dem Kommunalen Integrationszentrum (KI), mit dem Jobcenter, mit der AOK, wir machen Aktionen wie in Marxloh mit Pater Oliver – es ist ganz breit gestreut, und wir kommen niederschwellig an die Leute ran, aber es bleibt eine Gruppe übrig, die wir anscheinend nicht erreichen können.

Ist es richtig, dass sich nur etwa 20 bis 25 Prozent der Rumänen und Bulgaren impfen lassen, weil sie misstrauisch gegenüber staatlichen Institutionen sind?

Die migrantische Bevölkerung ist keineswegs homogen, und so unterschiedlich ist auch die Impfbereitschaft ausgeprägt. In einigen Teilen ist noch festzustellen, dass eine gewisse Verunsicherung vorherrscht. Diffuse Sorgen und Ängste, sehr stark auch durch soziale Medien kommuniziert, sind immer noch feststellbar. Da konnten auch die Sprachmittler des KI nicht immer durchdringen. Es ist ein schwieriges Thema. Wenn man europaweit schaut, sind das Länder, deren Impfquote deutlich niedriger ist als sonst in Europa. Wir haben jetzt eine Aktion mit dem Jobcenter, das seine Kunden angeschrieben hat. Da hoffen wir, noch einige zu erwischen. Man soll nicht aufgeben.

Gab es in Duisburg 2021 echte Superspreader?

Eigentlich nicht. Wir hatten dieses Jahr erneut Ausbrüche in Altenheimen, aber keine klassischen Superspreader-Ereignisse. Letztes Jahr gab es eine große Hochzeitsfeier, die uns sehr beschäftigt hat, da waren mehrere Kommunen beteiligt.

Wie reagieren Menschen, wenn das Gesundheitsamt anruft?

Die meisten Leute kooperieren gut, viele sind froh, dass sie angerufen werden, Einzelfälle ausgenommen. Wir haben die Soldaten noch mal gefragt, welche Erfahrungen sie machen, und die sind eigentlich überrascht, wie freundlich die Leute sind. Wir hatten ja ein paar Tage, als wir nicht ganz auf Stand gewesen sind, als die vierte Welle so richtig hoch ging.

Impfen die Duisburger Ärzte genug?

Impfen ist ein ganz schwieriges Thema, auch was die Quoten angeht. Wir haben ja in Deutschland kein richtiges Monitoring, was die Impfzahlen betrifft. Viele der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen engagieren sich sehr stark beim Impfen; denen kommt allerdings jetzt in die Quere, dass zu wenig Impfstoff geliefert wird. Das ist ein Problem, von dem wir nicht gedacht hätten, dass wir das noch erleben würden.

Zumal es in den letzten Jahren schon viel Hin und Her gegeben hat.

Wir wünschen uns natürlich, dass noch mehr Ärzte mitmachen. Aber man muss auch sagen, dass es für den Praxisbetrieb problematisch ist. Man kann wegen der sechs bis sieben Dosen in den Vials nicht mal eben eine Impfung setzen und dann wieder ins Tagesgeschäft übergehen, sondern muss das Impfen über Vormittage oder nachmittags in den Praxisbetrieb einbauen.

Sie hatten vor der Delta-Welle gewarnt, als alle noch optimistisch waren. Wie schätzen Sie jetzt Omikron ein?

Da warne ich auch wieder, aber nicht mehr alleine. Es ist sehr, sehr dynamisch, was in anderen europäischen Ländern passiert. Etwa in Dänemark gibt es rasant schnelle Anstiege bei der Omikron-Variante, die wir in dieser Weise noch nicht haben. Ich sehe keinen guten Grund, warum sich das hier nicht auch so entwickeln sollte. Noch ist die Zahl der Omikron-Fälle in Duisburg moderat, aber es geht sehr schnell.

Können Sie vorhersagen, wann 85 Prozent der Duisburger geimpft sind?

Ich habe im Sommer, als der Impfturbo so richtig losging, gehofft, dass wir das im Herbst erreichen würden. Im Moment sehe ich das nicht und möchte keine Prognose abgegeben.

Duisburg liegt bei der Inzidenz ganz gut, gibt es dafür eine Erklärung?

Eine tiefgreifende nicht. Es hat immer Schwankungen gegeben, es gab Phasen, in denen wir an der NRW-Spitze gelegen haben, wir lagen aber auch drunter. Im Moment ist es eher ruhig, die Ruhrgebietsstädte sind vergleichsweise stabil, dafür gibt es keine hinreichende Erklärung.

Aber dazu müsste doch Datenmaterial vorliegen.

Wir haben ein hohes Interesse daran, etwa die Impfquote in Bezirken zu erfassen, um spezielle Angebote zu entwickeln. Aber diese Daten sind nicht verfügbar. Deutschland ist, was die Datenaufbereitung angeht, im Vergleich zu anderen Ländern nicht so gut. Die relevanten Studien zu Corona und auch die Daten kommen aus England. Dort arbeitet der Public Health Sektor sehr gut.

Was raten Sie den Duisburgern angesichts von Omikron?

Omikron setzt sich im Januar durch. Impfen, impfen, impfen, boostern, boostern, boostern – und Kontakte zurückhaltend genießen.

>> ZUR PERSON LUDWIG HOEREN

  • Der Oberhausener Ludwig Hoeren (57) hat in Marburg studiert. Der Neurologe und Psychiater arbeitet seit 2001 bei der Stadt Duisburg und war zunächst im Sozialpsychiatrischen Dienst tätig. Vor seinem Einstieg in den kommunalen Gesundheitsdienst hat er in Düsseldorf Public Health studiert.
  • Nachdem es Ende Februar 2020 den ersten Corona-Fall in Duisburg gab, hat sich Hoeren intensiv mit Infektionskunde befasst. Er war bereits vor der Corona-Krise stellvertretender Amtsleiter und wurde nach dem Ausscheiden von Dr. Dieter Weber am 1. August 2020 Leiter des Gesundheitsamtes.
  • Ludwig Hoeren ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von sechs und acht Jahren.