Duisburg. Eine Hausärztin und zwei Kollegen aus Duisburg reden Klartext in Corona-Zeiten. Das sind ihre größten Tops und Flops – Schlägerei inklusive.

Seit März 2020 hält die Corona-Pandemie Deutschland in Atem. Eine Hausärztin und zwei Hausärzte aus Duisburg reden Klartext. Sie sagen, was besonders gut und was besonders schlecht gelaufen ist. Die Tops und Flops:

Jürgen Focke ist Arzt in Huckingen und hat sich mit seinem Praxisteam dazu Gedanken gemacht. „Positiv ist, dass die Pandemie uns alle zusammengeschweißt hat. Die Mitarbeiterinnen sind hoch motiviert und selbstverständlich bereit, Überstunden zu absolvieren.“

Corona: Handgreiflichkeiten vor Jürgen Fockes Praxis in Duisburg-Huckingen

Zufrieden sei er auch mit den Patienten. Sie seien trotz des ganzen Stresses sehr verständnis- und respektvoll gewesen – mit einer Ausnahme Mitte Oktober 2021. Da lagen die Nerven bei zwei Männern blank angesichts einer wieder mal sehr langen Warteschlange, die bis nach draußen führte. Dabei sei es vor der Praxis sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen, erzählt eine Mitarbeiterin „Der eine meinte, dass der andere sich vorgedrängelt habe – da ging es noch nicht mal ums Impfen – und hat tatsächlich zugeschlagen.“

Was Fockes Team zudem bisher massiv genervt hat, ist „die unvorstellbare Flut von Faxen“ der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) – „gespickt mit Richtlinien des Landesgesundheitsministeriums und des Robert-Koch-Instituts (RKI), oft mit einer Halbwertszeit von nur wenigen Tagen“.

Hoher bürokratischer Aufwand

Viel Zeit kosten nach Angaben des Huckinger Arztes darüber hinaus die Abrechnungen der Leistungen im Zusammenhang mit der Pandemie. „Sie werden durch eine unüberschaubare Zahl an Abrechnungs- und Diagnoseziffern unnötig erschwert“, so Focke.

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Katastrophale Auswirkungen für die Praxis hatte demnach auch die Schließung des Impf- und Testzentrums im Theater am Marientor (TaM). „Zu der sowieso anstrengenden Planung der Impfungen kam dadurch die Organisation der Testungen dazu, für die eine Extrasprechstunde eingerichtet werden musste“, sagt der Arzt.

Unzählige Überstunden in der Praxis

Unzählige Überstunden hätten er und sein Praxisteam in der Pandemie geleistet. „Wir fangen schon früh morgens an, um den ganzen bürokratischen Aufwand zum Beispiel mit der umständlichen Erstellung der Impfzertifikate zu bewältigen“, sagt eine Mitarbeiterin. „Und dann stehen die Telefone den ganzen Tag nicht still.“

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Die Impfstoffknappheit, die Deckelung bei Biontech, wodurch mehr Impfungen mit Moderna nötig werden – dies alles habe eine hohen Zeitaufwand erfordert, um Patienten am anderen Ende der Leitung aufzuklären und zu überzeugen.

„Es fühlt sich an, als würde man rund um die Uhr arbeiten“, so die Praxismitarbeiterin. „Vielen fällt es schwer, nach den langen Schichten oder am Wochenende abzuschalten.“

Lob für das tolle Engagement der Mitarbeiter

Das tolle Engagement ihrer Mitarbeitenden zählt für Eun-Jo Park von der Praxis mit Herz in Neumühl ebenfalls zu den Lichtblicken in der Pandemie.

Viele Praxisteams zeichnen sich in der Corona-Krise trotz stressiger Zeiten durch tolles Engagement aus. Dies in Neumühl bei der Ärztin Dr. Eun-Jo Park aus Neumühl nicht anders.
Viele Praxisteams zeichnen sich in der Corona-Krise trotz stressiger Zeiten durch tolles Engagement aus. Dies in Neumühl bei der Ärztin Dr. Eun-Jo Park aus Neumühl nicht anders. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Positiv habe sie auch die Zusammenarbeit mit dem seit Ende September 2021 geschlossenen Impfzentrum im Theater am Marientor (TaM) empfunden. Es seien in der Corona-Krise pragmatische Lösungen gefunden worden. Allerdings empfindet sie es als großen Vorteil, dass es nun mehrere kommunale Impfstationen im Stadtgebiet verteilt gibt. „Diese ganz niedrigschwelligen Angebote neben den Impfungen in den Praxen sind sehr gut“, sagt Park.

Ärger über begrenzte Impfstoffkontingente

Was sie in der Corona-Krise allerdings mürbe gemacht habe, seien die bis auf wenige Phasen im vergangenen Sommer immer wieder begrenzten Impfstoffkontingente. „Dadurch mussten wir immer wieder Termine absagen“, so die Ärztin. „Auch das hat neben der psychischen Dauerbelastung, der ständigen latenten Angst vor einer Infektion, dazu geführt, dass wir alle pandemiemüde sind.“

Dies gilt auch für Axel Heidböhmer mit Praxis in Rumeln. Worauf er allerdings sehr stolz ist: „Wir Hausärzte haben es in kürzester Zeit geschafft, bis auf nur noch wenige Ausnahmen die Bewohner in den Altenheimen zu boostern.“

Dr. Axel Heidböhmer mit Praxis in Rumeln ist stolz darauf, „wie schnell wir Hausärzte es in kürzester Zeit geschafft haben, bis auf nur noch wenige Ausnahmen die Bewohner in den Altenheimen zu boostern“.
Dr. Axel Heidböhmer mit Praxis in Rumeln ist stolz darauf, „wie schnell wir Hausärzte es in kürzester Zeit geschafft haben, bis auf nur noch wenige Ausnahmen die Bewohner in den Altenheimen zu boostern“. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Was ihn dagegen vor allem immer wieder geärgert hat, sind „die zahlreichen unüberlegten Statements von Politikern“, so Heidböhmer. „Und immer wenn jemand, teils ohne wissenschaftliche Grundlage, vorgeprescht ist, haben es die Medien dann auch noch sofort verbreitet.“

Verwirrung um NRW-Erlass

Er nennt die Verwirrung um die Booster-Impfung als Beispiel. Das Land NRW hatte die Auffrischungsimpfung zunächst schon nach vier Wochen möglich gemacht, um die vielfach, auch von KV und Immunologen kritisierte Entscheidung kurzfristig wieder einzukassieren. „Wer berät da wen beziehungsweise offenbar nicht“, fragt Heidböhmer. „Das ist doch unfassbar!“

Kritisch sieht er darüber hinaus auch so manche Impfaktion seiner Kolleginnen und Kollegen ohne Terminvereinbarung. „Wenn ich nicht gezielt, sondern neben dem Tagesgeschäft nach dem Motto ,Wer kommt, der kommt’ impfe, besteht immer die Gefahr, dass Impfstoff im Müll landet“, stellt Heidböhmer klar. „Aus einer Ampulle Moderna zum Beispiel kann ich 20 Dosen für Booster-Impfungen ziehen. Diese 20 Impfwilligen müssen dann an dem jeweiligen Tag aber auch kommen. Wenn die Flasche einmal angebrochen ist, verfällt ansonsten der restliche Impfstoff.“

Dies sei ein hoher Preis dafür, „die Impfkampagne mit der Brechstange zu forcieren“, so der Arzt aus Rumeln. „Aber vielleicht müssen wir ihn zwangsläufig bezahlen.“

>> BOOSTER UND KINDERIMPFUNGEN IN DUISBURG

  • Im Kampf gegen Corona hat es zuletzt vor allem viele Booster-Impfungen in Arztpraxen und an den kommunalen Impfstellen gegeben.
  • Aber auch die Impfungen der Fünf- bis Elfjährigen sind längst gestartet. Die Stadt Duisburg impft diese Altersgruppe seit Freitag, 17. Dezember, in einem großen Zelt am Hauptbahnhof.