Duisburg. Wenn Kinder gegen den Willen ihrer Eltern geimpft werden wollen, wird es schwierig. Das sagen ein Gerichtssprecher und ein Marxloher Kinderarzt.

Die Coronaschutzimpfungen erhitzen immer wieder die Gemüter. Befürworter und Gegner finden sich auch innerhalb von Familien. Besonders problematisch wird es, wenn Kinder sich gegen den Willen der Eltern impfen lassen wollen. Dr. Christoph Fangmann, Kinderarzt in Marxloh, hat nach eigenen Angaben Teenager ab 14 Jahren zumindest auch schon mehrfach allein ohne explizite Vorlage der entsprechenden Einwilligung der Eltern geimpft. Begibt er sich damit juristisch auf dünnes Eis? Wer hat welche Rechte? Die Redaktion hat bei Gerichtssprecher Rolf Rausch in Duisburg nachgefragt.

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„Grundsätzlich“, sagt Rausch, „brauchen Kinder und Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Einwilligung der Eltern beziehungsweise der Personen, die das Sorgerecht haben. Liegt dies nur bei der Mutter oder dem Vater, reicht hier die jeweils die alleinige Einverständniserklärung.“

Ärzte können Jugendliche ab 14 unter bestimmten Voraussetzungen ohne Einwilligung der Eltern impfen

Aber auch ohne können Ärzte nach Angaben des Gerichtssprechers Jugendliche ab 14 Jahren, wenn diese etwa strafmündig werden, unter bestimmten Voraussetzungen impfen.

„Dies ist möglich, wenn man überzeugt ist, dass eine 14-jährige Person einwilligungsfähig ist, also gewissermaßen schon reif genug erscheint, die Entscheidung für eine solche Impfung zu treffen“, so Rausch. „Je älter ein Jugendlicher ist, desto eher ist dies womöglich der Fall.“

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Klar sei aber auch: „Wenn sich ein Arzt entscheidet, ein Kind oder einen Jugendlichen unter 18 Jahren zu impfen, können die Eltern ihn anzeigen.“ Allein dieses Risiko schreckt offenbar einige Mediziner ab.

Dr. Christoph Fangmann, Kinderarzt in Duisburg-Marxloh.
Dr. Christoph Fangmann, Kinderarzt in Duisburg-Marxloh. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Dr. Fangmann hat dagegen in solchen Fällen keine Angst, verklagt zu werden. Er betont, dass für ihn allein die Auseinandersetzung mit einer Impfung schon ein Zeichen von Reife sei – „und erst recht, wenn man sich gegen den Willen den Eltern dafür entschieden ab“, so der Kinderarzt. „Häufig weiß ich aber auch gar nicht, ob die Eltern einverstanden sind. Ich frag eine 14-Jährige nicht, ob Mama oder Papa wissen, dass sie sich impfen lässt.“

Duisburger Arzt berichtet von kontroversen Diskussionen zwischen Kindern und Eltern

Kontrovers diskutiert wird laut Fangmann mitunter dann, wenn Teenager zusammen mit ihren Eltern zu den Impfberatungsgesprächen erscheinen. „Da kommt es vor, dass der oder die Jugendliche sich unbedingt impfen will, aber Mama oder Papa Bedenken haben. Viele glauben zum Beispiel immer noch, dass ihre Sprösslinge dann keine Kinder mehr bekommen können.“

Mit solchen Vorbehalten könne er allerdings, sagt der Kinderarzt, in der Regel nach einem aufklärenden Gespräch schnell aufräumen.

Was aber, wenn sich Eltern nicht überzeugen lassen und ein Arzt deshalb nicht impft? „Dann wird es schwierig“, sagt der Gerichtssprecher. „Ein Kind oder Jugendlicher hat dann aber die Möglichkeit, das Jugendamt einzuschalten. Entscheidend ist immer die Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, wenn eine Impfung verweigert wird – etwa weil gewisse Risikofaktoren vorliegen. Wenn das Jugendamt dieser Meinung ist, kann es den jeweiligen Fall an das zuständige Familiengericht übergeben, dass dann darüber entscheidet.“

Wie schnell dies geschieht, kann Rausch allerdings grundsätzlich nicht sagen. Noch gebe es keine laufenden Verfahren. „Das hängt aber auch immer von der Arbeitsbelastung der jeweiligen Richter ab.“

Die Frage der Kindeswohlgefährdung ist entscheidend

Die Frage der Kindeswohlgefährdung wäre übrigens ebenfalls für den zugegebenermaßen sehr theoretischen Fall entscheidend, dass Eltern für eine Coronaschutzimpfung sind, ihr Kind aber partout dagegen. „Das ist praxisfremd“, sagt Rausch.

Und Dr. Fangmann betont sowieso, dass er noch keinen Teenager geimpft habe, der das ausdrücklich nicht wollte. „Ich hatte mal einen Fall mit einer Zwölfjährigen im Impfzentrum, die sich einfach geweigert hat“, erzählt der Kinderarzt. „Ich hab’ den Eltern dann erklärt, dass es bestimmte gute Gründe gegeben hat, dass sie gekommen sind, habe aber das Ganze nach zehn Minuten abgebrochen.“

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  • Der Stadt Duisburg sind nach eigenen Angaben bisher keine Fälle bekannt, bei denen Kinder oder Jugendliche sich gegen den Willen der Eltern impfen lassen wollten.
  • Die Stadt hatte bereits am Samstag, 24. Juli, noch vor der offiziellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) mit den ersten Impfungen von Zwölf- bis 15-Jährigen begonnen.
  • Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat zuletzt auch grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffes der Hersteller BioNTech/Pfizer für Kinder ab fünf Jahren gegeben.