Duisburg. Nach 2020 blickt der Duisburger Altenpfleger Lars Link wieder auf ein Corona-Jahr zurück. Was hat sich verändert, verbessert – und was nicht?
Corona hält Deutschland, auch Duisburg, weiter in Atem. Die mittlerweile vierte Welle rollt durchs Land. Lars Link ist pandemiemüde.
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Der Walsumer ist Altenpfleger und Wohnbereichsleiter im Werner-Brölsch-Haus des Evangelischen Christophoruswerks in Meiderich und hat im Dezember 2020 der Redaktion einen Einblick in den Alltag seit Beginn der Pandemie gewährt. Zu dem Zeitpunkt hatte das Virus vehement in seiner Einrichtung zugeschlagen.
Die Corona-Jahre 2020 und 2021 im Vergleich: Duisburger Altenpfleger redet Klartext
Link sprach über teils verzweifelte Kolleginnen und Kollegen im Dauerstress, über Zusammenhalt und Wertschätzung, das Leid der infizierten Bewohner, das grundsätzliche Problem in der Pflege und über private Isolation. Ein Jahr später blickt der Duisburger auf das Corona-Jahr 2021 zurück. Was hat sich verändert, verbessert – und was nicht?
Das Positive vorweg: Seit Mitte Januar sei das Werner-Brölsch-Haus Corona frei. Link leitet mittlerweile zwei Wohnbereiche und hat sich wie die allermeisten der 80 Bewohner und auch der 33 Mitarbeiter bereits boostern lassen. Impfdurchbrüche habe es bisher (Stand Donnerstag, 16. Dezember) nicht gegeben. „Die Impfungen wirken, haben für mehr Entspannung gesorgt – auch bei Treffen mit Familie und Freunden“, sagt der Duisburger. „Das habe ich wieder schätzen gelernt.“
Die neue, offenbar hochansteckende Omikron-Variante sei im Gegensatz zu den Bewohnern bei den Mitarbeitern zwar ein Thema. „Wirklich Angst hat aber keiner“, so Link.
Einige wenige Mitarbeiterinnen haben sich noch nicht impfen lassen
Schließlich haben sich nach seinen Angaben auch nur ganz wenige Mitarbeiterinnen noch nicht impfen lassen. Die Gründe seien teilweise irrational, sagt der Wohnbereichsleiter. Trotzdem ärgere er sich über die politisch beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte in der Pflege und in Krankenhäusern.
„Ich freue mich wirklich über jeden, der sich impfen lässt, aber am Ende sollte es eine persönliche Entscheidung bleiben – auch für alle, die in Altenheimen arbeiten angesichts der strengen Hygiene- und Schutzmaßnahmanen mit täglichen Testungen für ungeimpftes Personal“, stellt Link klar. Die betroffenen Pflegekräfte im Werner-Brölsch-Haus hätten aufgrund der bevorstehenden Impfpflicht zwar noch nicht angekündigt, ihren Job aufzugeben, dafür aber eine Alltagsbegleiterin.
Zweifel an politischen Entscheidungsträgern sind gewachsen
Grundsätzlich seien bei ihm im Laufe der Pandemie, sagt der Duisburger, die Zweifel an politischen Entscheidungsträgern gewachsen. „Zu viel Wirrwarr, zu viel Hin und Her – dazu die immer noch nicht ausreichende Wertschätzung des Pflegeberufs.“
Mit einer Corona-Prämie sei es nicht getan. Wobei ihm weiter nicht so sehr die Bezahlung als vielmehr die personelle Situation in den Altenheimen zu schaffen mache. Zwar hatte der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Weg für 20.000 zusätzliche Pflegehilfskräfte in der vollstationären Altenpflege frei gemacht.
„Am Ende bleibt weiter viel zu wenig für die Zeit für die Bewohner“
Aber: „Wir haben zwei bekommen für das ganze Haus“, so Link. „Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein – zumal wir ja auch die ständigen Testungen personell stemmen müssen. Am Ende bleibt weiter viel zu wenig Zeit für die Bewohner.“
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Traurig findet er zudem, dass nun mit der vierten Welle wieder einige hausinterne Veranstaltungen im Altenheim abgesagt worden sind. Im vergangenen Sommer hatte sich das Leben nach Angaben des Wohnbereichsleiters angesichts der damals sehr entspannten Corona-Lage fast vollständig wieder normalisiert. Viele Angebote waren möglich.
Und nun: der kleine Adventsmarkt auf dem Campus in Meiderich – gestrichen. Dafür gibt es am 23. Dezember wieder eine Weihnachtsfeier mit den Bewohnern, wenn auch ohne Angehörige.
Langzeitfolgen nach Corona-Infektionen
Dankbar ist Lars Link, dass er nach vielen, vielen Monaten Pandemie gesund ist. Das kann nicht jeder im Werner-Brölsch-Haus von sich sagen. Eine Bewohnerin (73) leide nach einer Corona-Infektion im vergangenen Jahr bis heute an Langzeitfolgen: Long Covid. „Sie war auch starke Raucherin, mehrere Male im Krankenhaus, um die Sauerstoffsättigung im Blut anzuregen“, so Link. „Es hat leider nicht funktioniert. Sie ist nun dauerhaft auf ein Sauerstoffgerät angewiesen.“
Und einige Mitarbeiter, die sich ebenfalls 2020 Infizierten hatten, bekamen die Wucht von Corona ebenfalls noch länger zu spüren. „Kein Geschmacks- und Geruchssinn und schon Probleme beim Treppensteigen“, erzählt der Duisburger.
Bilder von leidenden Bewohnern bleiben im Kopf
Immerhin sind diese Menschen alle noch da. Bis Anfang 2021 war die Zahl der Corona-Toten in der Einrichtung in den niedrigen zweistelligen Bereich gestiegen. Die Bilder von den leidenden Bewohnern verschwinden nicht so schnell aus dem Kopf, sagt Link.
Eine Szene habe ihm besonders zugesetzt. „Eine infizierte Bewohnerin hatte plötzlich Atemnot bekommen. Die Rettungskräfte mussten sie noch in ihrem Zimmer intubieren“, so der 26-Jährige. „Ich habe die Infusion gehalten. Am Ende ist sie im Krankenhaus verstorben.“
Gespräche mit Trauerbegleiter
Wie lassen sich solche Erlebnisse verarbeiten? „Die Mitarbeiter hatten die Gelegenheit, mit einem Trauerbegleiter zu sprechen.“ Link überlegt kurz und sagt dann: „In einem Altenheim müssen wir immer wieder mit dem Tod umgehen, aber durch Corona ist das noch einmal etwas ganz anderes.“
Aufgrund der teils extremen gemeinsamen Erfahrungen sei das Verhältnis zwischen Bewohnern und Pflegekräfte aber noch einmal enger geworden. Eine Einschätzung, die René Hassmann (64) teilt. Seit einem Schlaganfall sitzt er im Rollstuhl, lebt seit neun Jahren im Werner-Brölsch-Haus. Dankbar sei er den Pflegekräften, die auch in diesen schwierigen Corona-Zeiten „alles tun, damit es uns gut geht“.
Viele Mitbewohner hätten sich mit der Pandemie mittlerweile abgefunden. „Nach dem Motto: Augen zu und durch. Wobei die Impfungen schon eine Erleichterung für alle sind“, sagt Hassmann. „Aber der erste Lockdown 2020, als alles dicht war und keine Besuche möglich waren – das war schon hart.“
>> LARS LINK LEITET ZWEI WOHNBEREICHE IM WERNER-BRÖLSCH-HAUS
- Lars Link ist in Dinslaken geboren, hat das Gymnasium in Voerde sowie in Dinslaken die Ernst-Barlach-Gesamtschule und zum Schluss das Berufskolleg besucht.
- Nach dem Fachabitur und einem Schnuppertag im Werner-Brölsch-Haus sei für ihn klar gewesen, in der Pflege zu arbeiten. Nach seiner Ausbildung hat der Walsumer schnell immer mehr Verantwortung übernommen und leitet mittlerweile zwei Wohnbereiche in der Einrichtung des Evangelischen Christophoruswerks.