Duisburg. Ein Wohnbereichsleiter in einem Duisburger Altenheim blickt auf das Corona-Jahr zurück: Über Dauerstress und das Leid infizierter Bewohner.
Bereits seit einigen Monaten bestimmt Corona das Leben von Lars Link massiv – privat, aber vor allem beruflich. Der 25-Jährige ist Altenpfleger, leitet einen Wohnbereich im Werner-Brölsch-Haus des Evangelischen Christophoruswerks in Meiderich. In der Einrichtung hatte das Virus vehement zugeschlagen. Zahlreiche Bewohner und Mitarbeiter waren positiv getestet worden. Das Haus ist mittlerweile coronafrei, die ersten Impfungen gegen das tückische Virus hatten schon zuvor am Ende des Jahres für Hoffnung gesorgt. Link, der selbst auch geimpft worden ist, macht aber keinen Hehl daraus, wie heftig das Corona-Jahr 2020 war.
Er hat der Redaktion einen Einblick in den Alltag der vergangenen Monate gewährt. Der Duisburger spricht über teils verzweifelte Kolleginnen und Kollegen im Dauerstress, über Zusammenhalt und Wertschätzung, das Leid der infizierten Bewohner, das grundsätzliche Problem in der Pflege - und über private Isolation.
Corona: Duisburger erzählt von Pflege positiv getesteter Bewohner
Link ist trotz seines jungen Alters bereits seit drei Jahren Wohnbereichsleiter im Werner-Brölsch-Haus. Seine Hauptaufgabe ist es, den Einsatz der Pflegekräfte zu koordinieren. „Aber wenn’s brennt, dann pack ich natürlich selbst mit an", sagt Link. So hatte er auch Kontakt mit positiv getesteten Bewohnern. In Schutzkleidung selbstverständlich.
„Als Pflegekraft kenne ich grundsätzlich Viren und Hygieneregeln, aber der Respekt vor Corona ist groß und der Gedanke an eine mögliche Ansteckung war immer präsent", so der 25-Jährige. „Ich bin damit professionell umgegangen." Die Belastung für die Mitarbeiter sei aber immens gewesen – nicht zuletzt auch wegen der Corona-Schnelltests als zusätzliche Aufgabe.
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„Einige waren wegen der vielen Überstunden am Limit und darüber hinaus. Manche sind bei all dem psychischen Stress schon mal in Tränen ausgebrochen“, erzählt Link. „Es gibt Anlaufstellen, aber oft haben schon Gespräche unter Kollegen, aufmunternde Worte, weitergeholfen.“
Lob für die hohe Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter
Was den Wohnbereichsleiter beeindruckt, sei die konstant hohe Einsatzbereitschaft. „Da haben Leute auf ihren Urlaub verzichtet, um wegen der coronabedingten Ausfälle einzuspringen. Dafür bin ich sehr dankbar", so Link, der selbst auch Heiligabend kurzfristig eingesprungen ist. "Ohne diesen Zusammenhalt geht es nicht.“
Schließlich sei nicht nur die Pflege, sondern auch die Betreuung vor allem der positiv getesteten Bewohner eine besondere Herausforderung gewesen. Sie wurden isoliert, was bei Demenzkranken mit starken Wander- und Hinlauf-Tendenzen aber teilweise sehr schwierig umzusetzen gewesen sei. „Bei einer positiv getesteten Seniorin hat das einfach nicht funktioniert“, so Link. „Wie sollte man auch erklären, dass sie auf dem Zimmer bleiben musste? Und einsperren konnten und wollten wir sie nicht.“
Was Isolation und Corona mit den Senioren machen
Er hat erlebt, was Isolation und Corona mit den Senioren machen. „Die Betroffenen wollten je nach Schwere der Erkrankung nicht mehr essen oder trinken“, berichtet der 25-Jährige. „Das war pures Leid. Außerdem haben sie ja während der Quarantäne außer den Pflegekräften niemanden gesehen.“
Und dennoch hat er sich während dieser Zeit oft gefragt, warum die Altenheime bei Corona-Ausbrüchen nicht nur teilweise, sondern komplett geschlossen werden. "Für Angehörige mag das hart sein", so Link. "Aber es ist doch besser, die Oma oder den Opa vielleicht 14 Tage lang nicht sehen zu können als gar nicht mehr. Das Risiko einer Ansteckung ist einfach zu groß."
Link: Bewohner kam mit Atemnot ins Krankenhaus - wenige Tage später war er tot
Er habe erlebt, wie ein infizierter Bewohner mit Atemnot ins Krankenhaus gebracht werden musste und wenige Tage später gestorben ist. Die Zahl der Corona-Toten im Werner-Brölsch-Haus stieg bis Anfang 2021 in den niedrigen zweistelligen Bereich. „Für jeden Pfleger, der seinen Job mit Herz macht, ist so ein Verlust immer ganz schlimm – unabhängig von Corona“, so Link.
Trotz seiner Impfung habe auch er privat Angst um seine Liebsten. "Man weiß ja nicht genau, ob man das Virus dennoch übertragen kann", sagt der Duisburger. Sein Vater sei Diabetiker. "Da überlege ich mir drei Mal, ob ich mal auf einen Kaffee vorbeikomme“, so Link, der als Single mit seinem Bruder in einem Haus in Walsum wohnt. In den vergangenen Monaten habe er sich jeden Schritt genau überlegt. "Das macht was mit dir. Ich bin 25 Jahre, gehe normalerweise gerne mit Freunden aus. Klar, es gibt Videokonferenzen, irgendwann fällt dir trotzdem die Decke auf den Kopf.“
"Ich bin kein Corona-Held"
Es helfe aber alles nichts. Jeder müsse sich der Verantwortung anderen und sich selbst gegenüber immer wieder bewusst machen und das Virus ernst nehmen. „Das würde auch uns Pflegern mehr helfen als jede Corona-Prämie.“ Mit dem Begriff Corona-Held könne er erst recht nichts anfangen. „Als ich die Bilder von klatschenden Menschen auf Balkonen gesehen habe, fühlte ich mich wie im falschen Film. Ich bin kein Held, sondern mache meinen Job – den allerdings unter den ohnehin schwierigen Arbeitsbedingungen in der Pflege“, so der Duisburger.
Das Thema gehöre in den Fokus. Link kommt auf die Bürokratie, die zahlreichen Dokumentationen, aber vor allem auf den Personalschlüssel in NRW zu sprechen – auf Basis der Pflegegrade. „Wir haben 35 Senioren in unserem Wohnbereich. Die Standardbesetzung sind vier bis fünf Mitarbeiter im Frühdienst und drei im Spätdienst“, erzählt der 25-Jährige. „Wenn sich nur einer krank meldet, hat ein Pfleger schnell mal zehn Bewohner zu versorgen. Wir haben einfach zu wenig Zeit für die alten Menschen – gerade in diesen Zeiten.“
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• Lars Link ist in Dinslaken geboren und mit dem Oberbürgermeister in keiner Weise verwandt.
• Er hat das Gymnasium in Voerde sowie in Dinslaken die Ernst-Barlach-Gesamtschule und zum Schluss das Berufskolleg besucht. Nach dem Fachabitur und einem Schnuppertag im Werner-Brölsch-Haus des Evangelischen Christophoruswerks hat der Duisburger sich entschieden, in der Pflege zu arbeiten. „Ich habe das Gefühl, dass ich den Menschen in meinem Job etwas Gutes tun kann“, sagt er.
• Nach seiner Ausbildung hat Link schnell immer mehr Verantwortung übernommen und stieg vor drei Jahren zum Wohnbereichsleiter auf.