Duisburg. Beim 5. Philharmonischen Konzert in der Duisburger Mercatorhalle blieb das Publikum trotz „Pastorale“ vorsichtig. Wie es der Kritiker erlebt hat.
Eigentlich ist Beethovens Pastoral-Sinfonie ein Selbstläufer, der stets ein ausverkauftes Haus garantiert. Angesichts steigender Corona-Zahlen scheint das Duisburger Konzertpublikum aber vorsichtig geworden zu sein. So war die Mercatorhalle beim 5. Philharmonischen Konzert der Saison gerade einmal zur Hälfte besetzt.
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Dabei wurde in dem von Duncan Ward dirigierten Konzert die Beethoven-Sinfonie sogar noch von Natur- und Waldbildern von Videokünstler Tobias Melle begleitet. Und eigentlich wollten die Duisburger Philharmoniker es bereits zum Pastoral Day und Weltumwelttag am 5. Juni 2020 geben. Corona verhinderte diese Pläne.
Duisburger Philharmoniker lassen Gestirne warm leuchten
Mit „Le Chaos“ von Jean-Féry Rebel steht ein ungewöhnliches Werk aus dem 18. Jahrhundert am Beginn des Programms: Der schmerzhaft-dissonante Cluster-Akkord, der das Stück eröffnet, klingt eher nach György Ligeti oder Krzysztof Penderecki. Dann schälen sich allerdings Melodien und Harmonien heraus, die klar als Barock-Musik erkennbar sind.
Diese ungewöhnliche Komposition ist jedoch so kurz, dass sie besser als musikalischer Prolog zu dem folgenden „Vers la voûte étoilée“ von Charles Koechlin erklungen wäre. Der französische Romantiker beschreibt mit dieser Musik den Anblick des nächtlichen Sternenhimmels und entfaltet mit großer Orchesterbesetzung einen wundervollen Stimmungszauber. In dieser Musik funkeln die Gestirne jedoch nicht, sondern leuchten warm in der Nacht.
Der Funke springt nur langsam über
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Gastdirigent Duncan Ward leitet die Aufführung mit einer klaren und federnden Schlagtechnik. Die klanglichen Höhepunkte, zu denen der Dirigent die Duisburger Philharmoniker ruhig aber zielsicher führt, akzentuiert er mit weit ausholenden Armbewegungen. Rebels „Le Chaos“ und die Tondichtung von Koechlin erhalten beide nur einen Höflichkeitsapplaus, so dass der Dirigent gar nicht erst zu einer weiteren Verbeugung auf die Bühne kommen braucht.
Auch in Ernest Chaussons Poème für Violine und Orchester, das von Geigerin Alena Baeva sehr introvertiert begonnen, dann aber in weiten und strahlenden Tönen ausgesungen wird, scheint der Funke zum Publikum noch nicht überzuspringen: Für den langen Applaus bedankt sich Alena Baeva mit einer Zugabe, und mit ihrem virtuosen Spiel eines Satzes von Eugène Ysaye ist zum ersten Mal an diesem Abend die Begeisterung des Publikums zu spüren.
Die erste Pause der Saison
Nach der Pause, übrigens der ersten in dieser Konzertsaison, erklingt Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 6 F-Dur, die „Pastorale“. Duncan Ward lässt die ersten beiden Sätze dieses musikalischen Landausflugs leicht und durchsichtig musizieren. Videokünstler Tobias Melle zeigt dazu poetische Waldbilder, im zweiten Satz mit der „Szene am Bach“, präsentiert er auch Wasseransichten voller Symmetrien.
Man fragt sich schon, ob hier nicht eine heile Welt präsentiert wird, die sich Beethoven vielleicht in seiner Musik gedacht haben könnte, die aber heute nicht mehr existiert? Zu der Gewitter-Musik zeigt Melle dann aber mit Tagebau und Kohlekraftwerken eine Vielzahl von Bildern einer vom Menschen zerstörten Natur.
Die vielen musikalischen Abstufungen und Steigerungen, die Duncan Ward mit den Duisburger Philharmonikern Beethovens Musik entnimmt, finden kaum eine optische Entsprechung. Das Finale, bei Beethoven ein Hirtengesang, ist dann versöhnlich, denn Tobias Melle zeigt, wie sich die Natur leerstehende Ruinen zurückerobert. Die Säulen einer verwaisten Halle verwandeln sich sogar zurück in Baumstämme. Mit dem Bild eines leuchtenden Nachthimmels wird dann auch der Bogen zu Charles Koechlin geschlagen.
>>BILDER ZU KLASSISCHER MUSIK
- Der 1966 geborene Münchener Fotograf und Cellist Tobias Melle hat schon mehrfach Werke der klassischen Musik visualisiert. 1994 erarbeitete er zuerst eine Produktion zu Antonin Dvoraks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“.
- Danach folgten Felix Mendelssohn-Bartholdys „Schottische Sinfonie“, Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ und die „Alpensinfonie“ von Richard Strauss. Beethovens „Neunte“ visualisierte er 2012, die „Pastorale“ im Beethoven-Gedenkjahr 2020.