Duisburg. Wasserstoff gilt als „neues Grubengold“, die Brennstoffzelle als Antrieb der Zukunft. Darüber spricht Prof. Dr. Harry Hoster, der neue ZBT-Chef.

Der Mann ist herumgekommen in der Welt: Ulm, Sao Paulo, München, Singapur, Großbritannien waren die bisherigen Stationen seiner wissenschaftlichen Karriere. Jetzt hat Prof. Dr. Harry Hoster als Nachfolger von Prof. Angelika Heinzel die wissenschaftliche Leitung des Zentrums für Brennstoffzellen-Technik (ZBT) der Uni Duisburg-Essen übernommmen. Wir sprachen mit dem Physiker (50) über Wasserstoff, Brennstoffzellen und seine Pläne für das ZBT.

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Warum sind sie zum ZBT gewechselt?

Harry Hoster: Ich wollte als gebürtiger Bonner zurück an den Rhein. Im Ernst: Es war die Gelegenheit, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Das Thema Wasserstoff und Energiespeicherung hat mich ursprünglich nach einem Praktikum in einem Elektrochemie-Forschungslabor ins Physikstudium gebracht. Das wollte ich immer schon auf großer Skala machen. Den Lehrstuhl und die Leitung des ZBT zu übernehmen, war eine einmalige Gelegenheit. Es ist ein Hauptgewinn.

„Aktuelle Wasserstoff-Autos sind aus meiner Sicht noch Vorserie“

Nach Hauptgewinn hat es für den Wasserstoff lange nicht ausgesehen. Er ist jetzt als „neues Grubengold“ rasant in den Fokus gerückt. Wie kommt das?

Den Batterien sei dank. Sie sind für die Elektrifizierung des Transports, was die CD für die Musik war. Wir wären nicht direkt vom Vinyl zum Stream gekommen. Die Batterien hatten als Trainingsfeld die Camcorder und Laptops. Da gab es einen Massenmarkt, in dem die Batterie eine teure, aber nicht die teuerste Komponente war. Diese großskalige Ebene fehlt dem Wasserstoff und der Brennstoffzelle noch. Die Autos, die wir heute kaufen können, sind aus meiner Sicht noch Vorserie.

Profitiert nicht die Brennstoffzelle von den Grenzen der Batterie – etwa im Schwerlastverkehr?

Ja. Und von der Elektrifizierung der Antriebsstränge. Man hat mit der Batterie gezeigt, dass der Übergang funktioniert, nun kann Wasserstoff als neuer Energieträger hinzukommen. Der Antrieb kommt aus dem Schwerverkehr. Wie gewohnt in wenigen Minuten tanken zu können – auch das ist ein starker Treiber.

Wohin geht denn die Reise beim Pkw?

Da werden für einige Jahrzehnte die Batterie-Autos dominieren. Wasserstoff-Antriebe wird es für einige Anwendungsbereiche, etwa Langstrecken, bereits parallel geben.

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„Für Schwerlastverkehr und Industrie reichen batterieelektrische Lösungen nicht“

Gab es einen Schlüsselmoment für den Wasserstoff?

Beim Transport war vor allem der Pkw-Sektor im Fokus. Aber klar war auch: Sobald es in Richtung Schwerlastverkehr, Industrie und Heizen geht, komme ich mit batterieelektrischen Lösungen nicht weit genug. Dann muss ich mit erneuerbaren Energien einen Brennstoff erzeugen, um die Energie zu speichern. Dabei führt die Lösung immer über Wasserstoff. Auf Giga- und Terawatt-Skala, etwa in der Stahlindustrie, komme ich daran nicht vorbei.

Aber es bleiben viele Fragen: Zur Erzeugung großer Mengen grünen Wasserstoffs, zum Transport und zur Finanzierung. Ist das zu schaffen?

Der Bedarf ist riesig. Der grüne Wasserstoff ist für die Stahlproduktion eigentlich zu sauber. Das ist ein wenig, wie Trinkwasser aus Champagner destillieren. Der Preis des Wasserstoffs hängt aber auch damit zusammen, wie ich Elektrizitätserzeugung bewerte. Wenn es häufig Überschüsse gibt, kann ich daraus auch Wasserstoff machen, wenn ich einen niedrigen Strompreis zahle. Dann ist es rentabel. Auch bei den Elektrolyseuren wird noch viel passieren. Aber: Auf der Skala von Stahl wird das eine interessante Rechnung.

„Solar-Wasserstoff wird aus dem Nahen Osten kommen – wie heute schon das Öl“

Und der Transport?

Das wird über Pipelines gehen. Über die großen Häfen wird Wasserstoff aus aller Welt transportiert werden. Solar-Wasserstoff könnte aus dem Nahen Osten kommen – wie heute schon das Öl. Duisburg ist da in einer guten Position. Die Anbindungen funktionieren.

Zur Verarbeitung von Nano-Partikeln forscht  Prof. Dr.-Ing. Doris Segets am Nano-Energietechnik-Zentrum (NETZ) der Uni Duisburg-Essen. Das Nano-Zentrum ist Nachbar des Zentrums für Brennstoffzellen-Technik an der Carl-Benz-Straße in Neudorf.
Zur Verarbeitung von Nano-Partikeln forscht Prof. Dr.-Ing. Doris Segets am Nano-Energietechnik-Zentrum (NETZ) der Uni Duisburg-Essen. Das Nano-Zentrum ist Nachbar des Zentrums für Brennstoffzellen-Technik an der Carl-Benz-Straße in Neudorf. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der hohe Energiebedarf ist ein Dilemma der Wasserstoff-Produktion. Kann er noch signifikant sinken?

Der Hebel ist günstiger Solarstrom, der sich an vielen Orten der Welt produzieren lässt. Für die Logistik muss es eine Lösung geben. Auch jetzt kommt unser Kraftstoff aus der Wüste - das ist also zu schaffen. Hier müssen wir alles daransetzen, den Bedarf an Edelmetallen in den Elektrolyseuren und Brennstoffzellen zu senken. Platin durch andere Legierungen und Materialien zu ersetzen. Daran arbeiten wir mit der Uni Bochum und hier in Duisburg mit Prof. Corina Andronescu. Noch problematischer ist Iridiumoxid, das als Katalysator benötigt wird. Iridium ist um ein vielfaches teurer als Platin und nur begrenzt verfügbar. Wenn wir davon nicht wegkommen, ist es ein Problem für die Hochskalierung der Wasserstoff-Wirtschaft. Die eine Möglichkeit ist, es zu ersetzen oder über neue Elektroden-Architekturen den Bedarf drastisch zu senken. Die andere, Elektrolyseure mit alkalischen Membranen so zu verbessern, dass sie einspringen können.

Die Materialforschung ist eine Stärke dieser Uni, neben dem ZBT wird daran im Nanotechnologie-Zentrum gearbeitet.

Das ist eine große Chance für Duisburg, da wird strategisch weiter ausgebaut. Die Expertise für die Verarbeitung von Partikeln von Prof. Doris Segets gekoppelt mit unserer Expertise, daraus Brennstoffzellen und Elektrolyseure zu machen – da haben wir ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Das passt sehr gut zur Grundlagenarbeit in Bochum.

„Bei der Suche nach neuen Materialien lässt sich mit Simulationen vieles vereinfachen“

Auch bei Batterien geht es um neue Materialien.

Da muss man vor allem vom Kobalt weg. In der Industrie setzten jetzt viele wieder auf Lithium- Eisenphosphat. Sie opfern ein wenig Reichweite für Speicher, die ohne Kobalt auskommen. Ein interessanter Trend. Im NETZ forschen die Professoren Christof Schulz und Hartmut Wiggers zu Silizium.

Was steht auf Ihrer Forschungsagenda?

Früher habe ich versucht, alles über Grundlagenforschung auf atomarer Skala zu verstehen, um dann hochzubauen und den idealen Katalysator zu finden. Heute muss man auch mit automatisierter systematischer Suche Materialien im richtigen Umfeld einfach ausprobieren. Bestimmte Labor-Experimente sind zwar wissenschaftlich schlüssig, aber ohne Relevanz für die Anwendung in Brennstoffzellen. Experimente werden zwar aufwändiger, bei der Suche lässt sich aber mit Simulationen vieles vereinfachen. Tests neuer Materialien unter realen Bedingungen können wir hier schneller umsetzen und den Weg von der Grundlagenforschung in die Anwendung stark verkürzen. Wir sollten nicht zunächst versuchen, alles zu verstehen, bevor wir die idealen Materialien bauen. Bei den Batterien ist das auch so gelaufen.

Letztlich geht es um Materialien, die billig und bestenfalls unbegrenzt verfügbar und leicht zu entsorgen oder zu recyceln sind.

Es geht jetzt darum, vieles zu tun, das man schon machen kann. Wir müssen dazu enger mit den Datenwissenschaftlern, auch am Campus Essen, zusammenarbeiten. Bei Lithium-Eisenphosphat-Batterien ist das mit der bestehenden Chemie schon darstellbar. Für mehr Reichweite ist Nickel notwendig, aber das geht nicht ohne Kobalt, von dem ich ja weg will. Im Prinzip kann man aber bis zum Ende dieses Jahrzehnts eine nachhaltige Produktion hinbekommen. Schwieriger wird es bei Hochleistungsbatterien.

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„Für jene die täglich weit fahren, wird die Brennstoffzelle bald eine Alternative sein“

Sind wir beim Pkw zu sehr fixiert auf die Reichweite?

Sie ist ja zuletzt auch ohne große technologische Durchbrüche immer größer geworden. Auch die Preise sind niedriger, als man es vor zehn Jahren erwartet hätte. Für jene, die täglich viele hundert Kilometer fahren, wird die Brennstoffzelle bald eine Alternative sein – ähnlich wie das heute der Dieselmotor ist.

Wie ist der Stand der Forschung bei der Brennstoffzelle?

In der Produktionstechnologie ist noch einiges zu tun. Wie wird verschweißt und verklebt, wie recycelt? Da werden wir unsere Aktivitäten noch weiter ausbauen. Im Logistikbereich besteht die Chance, Fahrzeuge in großen Stückzahlen zu bauen. Da gibt es die Bereitschaft bei Herstellern von Gabelstaplern und auch von Lkw. Ich glaube, dass wir im Logistiksektor schnell eine Umstellung sehen werden. Das wird notwendig sein, um die Technologie und die Tank- Infrastruktur zu testen.

In Duisburg könnte das mit dem Hafen gut funktionieren?

Ja, das wäre ideal. Die großen Logistiker wie Amazon sind dazu gut geeignet. Vieles muss noch untersucht werden – etwa zu Lebensdauer und Alterung von Komponenten. Diese Daten müssen mit auf die Agenda.