Duisburg. Ein Jahr mit ergiebigen Niederschlägen hat den angeschlagenen Bäumen geholfen. Warum der Duisburger Stadtwald aber noch nicht über den Berg ist.

Gut ein Jahr ist es her, da wählte Axel Freude noch eine drastische Beschreibung für den Zustand des Duisburger Stadtwaldes: „Wir nähern uns der Apokalypse.“ Nach einem im Vergleich zu den Vorjahren kühlen und feuchten Sommer ist dieser Satz auch Ausdruck der Erleichterung des Stadtförsters: „Der Sommer hat uns den Arsch gerettet.“

Dabei ist so eine kurzfristige Betrachtung für Forstfachleute ja ungewöhnlich. In der Branche denkt man lieber in Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten. Deshalb, sagt der 61-Jährige, der „seinen“ Stadtwald seit über 30 Jahren beobachtet, könne auch von Rettung keine Rede sein. Der Regen, der schon im vergangenen Winter reichlich fiel, habe es den vielen angeschlagenen Bäumen aber ermöglicht, noch einmal die Kurve zu kriegen. Fast wie im Film: „Es war eben die Rettung kurz vor der Apokalypse.“

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So viel Wasser im Duisburger Wald wie schon seit langer Zeit nicht mehr

So viel kübelte etwa beim Starkregen im Juli vom Himmel, dass der Förster schon erste Schäden durch Staunässe registrierte. „An so viel Wasser im Wald konnten sich selbst die Alten nicht erinnern.“ Dabei verbietet sich natürlich ein Vergleich mit den verheerenden Folgen der Trockenheit in den Jahren zuvor.

Die beiden Stadtförster Stefan Jeschke (l.) und Axel Freude (r.), hier bei der Vorstellung des neuen Waldkatasters vor zwei Jahren.
Die beiden Stadtförster Stefan Jeschke (l.) und Axel Freude (r.), hier bei der Vorstellung des neuen Waldkatasters vor zwei Jahren. © FUNKE Foto Services | DANIEL ELKE

Nach den zwei Dürre- und Hitze-Sommern 2018 und 2019 und dem ebenfalls viel zu trockenen 2020 waren die Schäden vor allem im Wald zwischen A 3 und Mülheim auch für Laien deutlich sichtbar.

Dort kapitulierten vor allem alte Buchen vor der Hitze, ihre kollabierten Lebensadern, die das Wasser in die Krone leiten, konnten auch durch den neuerlichen Regen nicht regenerieren. „Die waren über 200 Jahre alt. Wir wollten sie eigentlich als Öko-Gold vorhalten“, sagt Axel Freude.

Hanglagen verstärken die Folgen langer Trockenphasen

Auch die Topografie, die Terrassenlage der Flächen jenseits der A 3, verstärkt die Folgen der Trockenheit. „Die Buchen stehen auf sandüberdeckten Tonschichten, in den Hanglagen fließen die Niederschläge dann schnell ab“, erklärt der Stadtförster. „Zwischen Uhlenhorststraße und Entenfang sind es rund 100 Hektar, die absterben.“

Gut geschlagen haben sich die Eichen, sie trotzten auch dem Fraß der Schmetterlingsraupen im Frühjahr und trieben erneut Blätter aus. Geschichte sind hingegen schon seit zwei Jahren die Fichtenbestände im Stadtwald – ihnen machte der Borkenkäfer in den Trockensommern den Garaus.

Dass die Nadelwald-Bestände sehr gering sind, erspart Freude und seinem Förste-Kollegen Stefan Jeschke manche Sorge von Waldbauern, die vor allem wirtschaftlich genutzte Bestände bewirtschaften und nun gegen großflächige Verluste durch Schädlinge wie den Borkenkäfer kämpfen.

Kaum Nadelbäume: Der Stadtwald war immer schon Erholungswald

Ihren Stadtwald, er umfasst insgesamt rund 1500 Hektar, rund sechs Prozent des Stadtgebietes, verstanden die Duisburger traditionell als Erholungswald, erinnert Freude. „Es gab von jeher Nutzungsrechte der Bürger. Zunächst war es ein genossenschaftlicher Wald, ab 1846 ein reiner Stadtwald.“

So betreiben die Stadtförster und ihr Team mehr Waldmanagement denn Forstwirtschaft. „Das ist schon aus Gründen der Sicherheit notwendig“, sagt Freude. Holz zu Geld machen, das funktioniere nur im kleinen Stil. Gerade 1500 Festmeter hat der Betrieb im vergangenen Jahr veräußert, kaum hochwertige Stämme: „Das meiste geht in die Spanplatte oder wird als Brennholz verwertet.“

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Stadtförster: Der Wald als System ist hier wohl nicht akut bedroht

Wie sieht die Zukunft des Stadtwaldes aus? „Der Wald als System ist hier wohl nicht akut bedroht“, glaubt Axel Freude. Aber tendenziell werde es mehr Trockenphasen geben, was die Widerstandskraft der Bäume gegen den Fraß von Engerlingen und Raupen schwächt; zugewanderte Feinde wie der Pilz, der die Rußrundenkrankheit verursacht, kommen hinzu.

Stadtförster Stefan Jeschke zeigt 2019 Fraßschäden des Borkenkäfers den letzten Fichten im Stadtwald.
Stadtförster Stefan Jeschke zeigt 2019 Fraßschäden des Borkenkäfers den letzten Fichten im Stadtwald. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Wie umgehen mit entstandenen Brachen im Wald – durch Nachpflanzung eingreifen oder einfach auf die Selbstheilungskräfte der Natur setzen? Abwarten, dann wächst dort bald von selbst eine neue Baum-Generation, die auf den Klimawandel eingestellt ist, empfiehlt etwa der prominente Förster und Buchautor Peter Wohlleben („Das geheime Leben der Bäume“).

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„Kein falscher Gedanke“, findet sein Duisburger Kollege, „aber das funktioniert hier nur bedingt.“ Die jungen Triebe, etwa der Buchen, vertrockneten zumeist, weil sie auf dem verkrauteten Boden nicht tief genug wurzelten und sich gegen hohe Gräser nicht durchsetzen können.“

Nach einem nassen Sommer ist der Wald noch nicht über den Berg

So werden Förster und Wald wohl vorerst weiter nach einer Anpassungsstrategie für den Klimawandel suchen. „Wir stehen noch am Anfang einer Entwicklung“, glaubt Axel Freude. Leider gehe es den Förstern da wie vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch: „Wir kennen die Forschungsergebnisse seit langem, aber haben uns zu spät darauf eingestellt.“ Ein feuchter Sommer bedeute deshalb keine Rettung – Duisburgs Stadtwald ist noch längst nicht über den Berg.

>> KIDU-PROJEKT: NEUBAU FÜR DEN BETRIEBSHOF AM FORSTHAUS CURTIUS

  • Von Bundesmitteln des Kommunalen Investitionsprogramms Duisburg (KIDU) hat auch der Betriebshof am historischen Forsthaus Curtius profitiert.
  • Für das marode Betriebsgebäude ist ein hölzerner Ersatzneubau für rund 1,4 Millionen Euro entstanden. Unter seinem Dach finden sich Büro und Sozialräume für die Stadtförster und ihr Team. Der Baubeginn erfolgte Ende 2019, Anfang des Jahres konnten die Forstleute einziehen.
  • Der Altbau wird nicht wie zunächst vorgesehen abgerissen, sondern instandgesetzt und fortan als Werkstatt genutzt.