Duisburg. Ob als Dorf, das zu Duisburg gehörte, oder als evangelische Hochburg im katholischen Duisburger Süden: Wanheim spielte immer eine Sonderrolle.
Über Jahrhunderte hat Wanheim-Angerhausen eine Außenseiterrolle gespielt, erst als Dorf, das zur Stadt Duisburg gehört, mit ihr aber über keine gemeinsame Grenze verfügt. Und dann als evangelische Hochburg, umgeben von den katholischen Dörfern des Duisburger Südens. Erst im 20. Jahrhundert sind diese Gegensätze verschwunden.
Die beiden Endungen „-heim“ und „-hausen“ in den Ortsnamen deuten nach dem früheren Stadtarchivar Dr. Günter von Roden darauf hin, dass sie im 5. bis 9. Jahrhundert entstanden sind. Wanheim ist danach älter und erstreckte sich entlang des Rheins (heutige Augsburger und Wittlaerer Straße). Angerhausen lag am Westufer der Anger (heutige Angertaler Straße). Erstmals erwähnt wird ein Bauernhof in Wanheim 904.
Aus einer Urkunde von 1052 geht hervor, dass das Kloster in Essen-Werden dort Grundbesitz hatte. Aber auch Klöster in Meerbusch, Neuss und Duisburg hatten Ländereien. Gläubige Reiche hatten von ihrem Besitz etwas der Kirche vererbt. Kirchlich gehörten die Dörfer zu Friemersheim. An hohen kirchlichen Feiertagen setzte man mit dem Boot über den Rhein.
Wanheim und Angerhausen: Die Bürger zog es alle in die Stadt Duisburg
Die Straße „Am Tollberg“ erinnert daran, dass sich mindestens von 1074 bis 1208 eine Zollstätte des Heiligen Römischen Reichs am Rheinufer befand. Innerhalb dieses Reichs gehörten beide Dörfer zur Stadt Duisburg. Die war ursprünglich reichsunmittelbar, ab 1290 Teil der Grafschaft Kleve. Die Angelegenheiten beider Dörfer wurden damit von Duisburg aus geregelt. Ansprechpartner im Dorf war der Bauermeister.
Nur kleinere Streitigkeiten verhandelte vor Ort ein Bauerngericht. Wenn als Strafe ein paar Kannen Wein verhängt wurden, wurden sie gleich an Ort und Stelle von allen Beteiligten geleert.
In späteren Jahrhunderten wohnten nur noch Dienstpersonal und Pächter vor Ort. Die privaten Grundeigentümer waren nach Duisburg gezogen und hatten damit das volle Bürgerrecht erworben.
Historische Fotos aus Wanheim-Angerhausen
Jeder Vierte starb an der Pest
Beide Dörfer waren von einem dichten Wald umgeben, der teilweise zum Nachbarland Herzogtum Berg gehörte. Die Dorfbewohner durften dort Holz auflesen und ihre Schweine mit Eicheln mästen. Wer vom Fischfang im Rhein lebte, musste dem Kloster in Kaiserswerth Pacht bezahlen.
Um 1540 setzte sich in beiden Dörfern die neue evangelische Religion durch. 1649 wird erstmals ein Lehrer erwähnt.
1666 starben 44 Wanheimer an der Pest. Das war mehr als ein Viertel der Einwohner. Ab 1670 gab es am Ende der heutigen Friemersheimer Straße das erste Schulhaus. Es diente auch als Gebetshaus. Eine Erbschaft machte es 1702 möglich, dass beide Dörfer einen Prediger besolden konnten.
Arme Wanheimer und wohlhabende Angerhauser
Um 1750 gab es in Wanheim 45 Wohnhäuser und 347 Einwohner, in Angerhausen acht Höfe. In Wanheim waren die Höfe nur noch klein, weil sie immer unter den Erben eines Pächters aufgeteilt worden sind. In Angerhausen ging der Pachthof stets nur auf einen Erben über. Deshalb gab es dort noch große Höfe wie Höschen-, Görtz-, Römer-, Knevels- und Schönenhof.
Seit dem 16. Jahrhundert beanspruchte Berg den Eichelskamp, einen Landzipfel am Rhein, den heute die Neuenhofstraße durchzieht. Im September 1795 setzten die Franzosen im Krieg gegen Österreich und Bayern hier über den Rhein, obwohl das Gebiet als neutral galt. Die Neuenhofstraße hieß seit dieser Zeit Franzosenweg.
Noch 1801 gab es dort nur drei Landsitze. Einen davon erwarb die Firma Funcke & Mancy, um dort Ammonium-Aluminium-Salz und Aluminiumsulfat herzustellen. Es war die erste industrielle Aktivität in der Gegend. 1840 erwarb der Duisburger Industrielle Friedrich Curtius das Werk und erzeugte dort als Chemische Fabrik Curtius AG Schwefelsäure. Bis heute gibt es dort einen Chemie-Standort. 1930 wurde der Eichelskamp Wanheim zugeordnet.
Eine Ziegelei machte den Anfang
Zur Zeit Napoleons wurde Wanheim-Angerhausen erstmals von Duisburg getrennt. Es kam zu Angermund. Auch kirchlich wurden die Verhältnisse neu geordnet. Die beiden Dörfer gehörten nun zur Duisburger Salvatorgemeinde.
So bekam Wanheim 1803 den ersten Friedhof. Nach Ende der Franzosenzeit ab 1815 gehörte man weltlich wieder zu Duisburg, aber als eigenständige Landgemeinde.
Die hatte 1871 718 Einwohner. Heute leben in Wanheim 12.500 Menschen. Als Duisburg 1873 kreisfreie Stadt wurde, blieb die Landgemeinde kreisangehörig. Erst 1902 wurde sie nach Duisburg eingemeindet.
1843 war eine Ziegelei die erste industrielle Aktivität in Wanheim selbst. 1869 folgte am Rheinufer ein Holzverladeplatz.
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Mutter aller evangelischen Gemeinden im Duisburger Süden
1856 wurde Wanheim eigenständige evangelische Kirchengemeinde. 1903 erhielt sie ihre eigene Kirche, die Mutterkirche aller später gegründeten evangelischen Gemeinden im Duisburger Süden. Sie war während der Hitlerzeit nazi-kritisch ausgerichtet.
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Der Wandel vom Dorf zur Kleinstadt setzte ab 1905 ein, als die Frankfurter Metallgesellschaft AG in Angerhausen eine Zinkhütte errichtete, die spätere Metallhütte Duisburg (MHD). Sie erlebte nach der Pleite der Metallgesellschaft 1993/94 bis 2005 einen schleichenden Niedergang. Ihre Produktion war bis zuletzt stark umweltbelastend. Geblieben ist nur die Firma Befesa Zinc. Das ehemalige MHD-Betriebsgelände dient heute dem Güterumschlag. Die frühere MHD-Schlackenhalde beherbergt seit 2010 die Landmarke Tiger & Turtle.
>> 20. JAHRHUNDERT: NIEDERGANG DER INDUSTRIE, STANDORT DER BRITEN
• Für die Zinkhütte wurde 1906 die Wanheimer Anschlussbahn angelegt. Davon profitierte ab 1910 in Wanheim ein Zweigwerk des heutigen Lkw-Herstellers MAN, später Rheinstahl Wanheim, das ab 1912 schwere Maschinengussteile baute. Das große Werk erlebte ebenso einen schleichenden Niedergang und gehört seit 2008, stark verkleinert, zur indischen Sona-Gruppe.
• 1912 bekamen die Wanheimer auch Straßenbahnanschluss nach Wanheimerort.
• 1914 erhielten die zugewanderten Wanheimer Katholiken mit St. Suitbert ihre eigene Kirche.
• Ab 1937 lag in Wanheim der Krieg förmlich in der Luft. Es entstand an der Neuenhofstraße eine Kaserne für die Luftabwehr. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie bis 1993 Standort der britischen Rheinarmee. Auf ihrem Gelände hat sich danach schnell ein Gewerbegebiet entwickelt, nur langsam dagegen das neue Wohnquartier.
• Seit 1948 gehört Wanheim zum Stadtbezirk Süd. 1966 begann der Ausbau der Rheinpromenade. Seit 1973 gibt es das Heizkraftwerk an der Wanheimer Straße.