Duisburg. Anja Freuken hat mit ihrem Mann das Bestattungshaus Schroer in Rumeln übernommen. Warum es wichtig ist, über Bestattungen und Trauer zu reden.
Es ist ein Tabuthema. Immer noch. Die Friedhofs- und Bestattungskultur hat sich in den vergangenen Jahren gravierend gewandelt. Der Trend geht weg von der Sarg- zur Urnenbestattung. Mittlerweile oft anonym auf einem Wiesengrab oder unter einem alten Baum in einem Waldfriedhof. „Das ganze Thema ist sehr aktuell und vielschichtig. Und darüber zu reden, ist so wichtig“, weiß Anja Freuken. Sie ist gelernte Floristenmeisterin und Friedhofsgärtnerin.
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Anfang dieses Jahres hat sie mit ihrem Mann Manfred das Bestattungshaus Schroer in Rumeln übernommen, weil sich der Vorbesitzer zur Ruhe gesetzt hat. Seitdem kennt sie noch viel intensiver als früher das breitgefächerte Thema Bestattungen und die ganz persönlichen Probleme sehr vieler Menschen.
Bestattungen in Duisburg: Emotionales Leid gehört dazu
„Es ist auf der einen Seite das Geld, das die Angehörigen oft sparen möchten, weil sie davon ausgehen, dass eine Urnenbestattung deutlich preiswerter ist, als eine Sargbestattung. Aber, es gibt auch ganz viel Leid, weil die emotionale Seite, die die Menschen bei einer Bestattung begleitet, vor dem Tod mit den Angehörigen, der Familie oder den Freunden nicht besprochen wurde“, sagt Freuken. Da herrsche eher Sprachlosigkeit anstatt sensible Aussprache.
Waldbestattungen mit Urnen sind zurzeit gefragt. „Aber, man muss auch immer berücksichtigen, wie alt die Angehörigen sind.“ Mit einem Rollator über Waldwege bis zum Grab zu gehen und dann an der nächsten Wurzel auf dem Weg dorthin nicht mehr weiterzukommen, frustriere, mache ratlos und traurig. „Oft ist es der Wunsch des Betroffenen, dass die Hinterbliebenen keine Arbeit mit der Grabpflege haben sollen“, weiß die Bestatterin.
Duisburger Bestatterin: „Die Hinterbliebenen müssen mit dem Tod zurechtkommen“
„Ich will euch nicht zur Last fallen“, sei meist das oberste Gebot. Dem werde von den Angehörigen entsprochen. „Aber die Hinterbliebenen sind es, die mit dem Tod zurechtkommen müssen.“ Und das werde oft auch von Seiten der Bestatter nicht berücksichtigt. „Da wird der Wunsch des Verstorbenen einfach übernommen, die Bedürfnisse der Angehörigen aber gar nicht berücksichtigt.“ Für viele sei es immens wichtig, einen Ort zum Trauern zu haben. Da sei ein Grab, das man zu Fuß erreichen kann, von großer Bedeutung.
„Ich habe schon so viele Hinterbliebene später weinen sehen, weil sie Entscheidungen für die Beerdigung getroffen haben, mit denen sie auf Dauer überhaupt nicht zurechtkommen. Das passiert nicht selten.“ Freuken ist es daher ein Anliegen, sich bei einem Todesfall für die Angehörigen Zeit zu nehmen. Herauszufinden, was Verwandten oder Freunden wirklich wichtig ist. Gerade bei Urnenbestattungen habe man ja Zeit, das Beste für die eigene Seele zu suchen, in sich hineinzuhorchen, was einem selbst auf Dauer gut tut.
Nachhaltigkeit spielt auch bei Friedhöfen eine Rolle
Ein Aspekt, der oft vergessen werde, sei zum Beispiel, ob man etwas für die eigene Stadt tun möchte. Waldfriedhöfe sind häufig nur in Nachbargemeinden zu haben. Man dürfe bei Beerdigungen auch die Nachhaltigkeit nicht vergessen. „Friedhöfe sind Grünanlagen mit großer Artenvielfalt. Es sind ökologische Bereiche und wichtige Kühlzonen für die Stadt.“
Die Grabarten sind mittlerweile sehr vielfältig geworden. Anders als noch vor zehn, fünfzehn Jahren, als Sargbestattungen üblich waren, nehmen in vielen Gemeinden Urnenbestattungen 75 bis 90 Prozent ein. Da sind zum einen die Wahlgrabstätten, die von den Hinterbliebenen ausgesucht werden können. Das Nutzungsrecht beträgt in der Regel 20 Jahre – manchmal auch länger – und kann auch verlängert werden. „Das Nutzungsrecht kann auch schon zu Lebzeiten und ohne Gebührenaufschlag erworben werden“, teilen die Wirtschaftsbetriebe Duisburg mit. Bei kirchlichen Friedhöfen können unterschiedliche Regeln gelten.
Daneben gibt es Reihengräber, die der Reihe nach belegt werden. Dort besteht keine Wahlmöglichkeit. Außerdem Urnengräber und Urnengemeinschaftsgrabstätten. Viele Reihengrabarten ohne Pflegeaufwand werden angeboten. „Da es so viele Möglichkeiten gibt, die Liebsten zu bestatten, muss man als Angehörige darüber reden, mit welcher Lösung man selbst auf Jahre am besten weiterleben kann“, betont Anja Freuken.
Bienenweiden und Streuobstwiesen auf Friedhöfen
Die sich wandelnde Friedhofs- und Bestattungskultur hat gravierende Folgen: Auf den Friedhöfen gibt es immer mehr Freiflächen, weil Urnenbestattungen mindestens 75 Prozent einnehmen. Das ist nicht nur bei städtischen Flächen der Fall. Die gleiche Entwicklung melden auch die kirchlichen Träger.
In der ganzen Stadt wird dabei viel Wert auf eine ökologisch vernünftige Perspektive für die Menschen gelegt. Die Wirtschaftsbetriebe Duisburg wollen auf ihren 17 Friedhöfen nach und nach die zusätzlichen Freiflächen neu bepflanzen. Vielfalt soll es geben. „Es sollen Flächen mit Wildblumen, Bienenweiden und Streuobstwiesen entstehen“, teilt Pressesprecher Volker Lange mit. Man will aber auch Gebiete vorhalten, die platzintensiver sind. So sollen etwa weitere Bestattungsmöglichkeiten wie Baumwahlgrabstätten geschaffen werden.
Bestattungen in Duisburg: Gesetz bestimmt die Liegezeiten
Pfarrer Andreas von der evangelischen Kirchengemeinde Baerl kennt die Tendenz ebenfalls. Bei Wahlgräbern bestehe aber die Schwierigkeit, dass man selten eine zusammenhängende Fläche habe, die man weiterentwickeln könne. Im Übrigen beträgt die Liegezeit in Baerl 25 Jahre. Das hänge mit dem Grundwasserspiegel zusammen, werde per Gesetz geregelt und nicht – wie oft angenommen – von einer Kirchengemeinde selbst bestimmt. Vor allem die Bauernschaft, die oft seit Jahrhunderten Wahlgräber hat, macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Nutzungsrechte immer wieder zu verlängern.
Auch auf dem katholischen Abteifriedhof in Hamborn geht auch die Richtung weg vom Sarggrab mit Wahlmöglichkeiten hin zu Urnengräbern, erklärt Ulrich Wilmes, Sprecher der Pfarrei St. Johann. Auch dort wird die Chance genutzt, viel für die Natur zu machen. „Wir legen eine Hummel- und eine Glockenwiese an und wollen die Freiflächen so bepflanzen, dass Blumen immer zu unterschiedlichen Zeiten blühen“, berichtet Abt Albert. „Es ist ein naturgemäßes Konzept, das wir verfolgen.“ Die Urnengräber werden optisch als große Acht angelegt und von einem Gartenfachmann gestaltet.