Duisburg. Welche Spuren jüdischen Lebens sind in der Duisburger Altstadt geblieben? Historiker Ludger Heid beantwortet nicht nur diese Frage.
Wo lassen sich in Duisburg noch Spuren jüdischen Lebens finden? Führungen gehen auch im September im Stadtgebiet auf die Suche. Die erste war unter sachkundiger Begleitung des Historikers und Publizisten Ludger Heid in der Altstadt unterwegs. Die Stadtführung war Teil des Programms der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) im Jubiläumsjahr „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ und entstand in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung (KEFB) Duisburg.
„Authentische Orte jüdischen Lebens gibt es eigentlich gar nicht mehr zu sehen, deshalb muss vieles graue Theorie bleiben“, dämpfte Heid zu Beginn die Erwartungen. Ein paar Scherben in einer kleinen Vitrine, das sei beispielsweise alles, was noch an die Hauptsynagoge der jüdischen Gemeinde erinnere. Die stand am Kuhlenwall/Ecke Junkernstraße, wo heute eine Gedenkkapelle steht. Zur Gemeinde gehörten 1875 genau 976 Menschen. Die alteingesessenen jüdischen Familien wohnten am Springwall, im Wasserviertel und in Duissern. Unter ihnen waren Rechtsanwälte, Ärzte und Richter.
Als der braune Mob ihnen im November 1938 ihre Synagoge zerstörte, da wurden sie nicht nur gezwungen, die Reste des Baus selber abzuräumen. Das braune Staatssäckel kassierte auch noch die Zahlungen aus der Feuerversicherung. „Die Nazis waren keine Mörder, die waren Raubmörder“, kommentiert Heid sarkastisch das unfassbare Geschehen.
Duisburg: Ostjüdisch geprägtes Viertel entstand um den Friedrich-Wilhelm-Platz
Er führt die Gruppe über die Königstraße vorbei an der ehemaligen Kanzlei des Rechtsanwalts und Kaufhauserben Harry Epstein. Der war der führende Zionist im Rheinland. Das Kaufhaus seiner Familie Cohen & Epstein stand an der Ecke Münzstraße/Beekstraße. Man zwang die Familie, es für einen Spottpreis dem Profiteur Franz Fahning zu überlassen.
Heid beantwortet viele ins Detail gehende Fragen seiner Zuhörer, die sich im Thema gut auskennen. „Das beobachten wir oft“, sagt Cordula Klümper von der GCJZ, „die Menschen werden irgendwann von den schrecklichen Geschichten des Holocausts berührt und wollen dann später immer mehr über das jüdische Leben davor erfahren.“
Vor dem Stadtfensterbau berichtet Heid vom Zustrom der osteuropäischen Juden, der schon um 1880 begann und sich nach dem Ende des ersten Weltkriegs verstärkte. Die traditionellen Neuankömmlinge mit Kaftan, Hut und Bart waren den alteingesessenen Familien nicht gerade willkommen. Sie verboten ihnen die Synagoge und die Neuankömmlinge hatten ihre eigene Betschule auf Jiddisch „Stibl“ genannt, an der Universitätsstraße. Viele von ihnen hatten ursprünglich nach Amerika gewollt. Wer es aber nicht auf ein Auswandererschiff in Bremerhaven oder Hamburg schaffte, der blieb in Duisburg. Und machte in der Altstadt einen Fischladen auf, eine Schneiderei oder arbeitete als „Eieragent“. Rund um den Friedrich-Wilhelm-Platz entstand ein ostjüdisch geprägtes Viertel. Davon geblieben sind heute nur ein paar Stolpersteine.
Shanice Leßmann von der KEFB freut sich über die Vielzahl der Veranstaltungen zum jüdischen Leben, die jetzt angeboten werden. „Da poppt so einiges auf, das stößt aber auch auf viel Interesse und wird richtig gut angenommen“, stellt sie fest.
>>Führung über das jüdische Gräberfeld
- Die Kooperation mit der GCJZ zum Thema wird am Dienstag, dem 14. September mit einer virtuellen Reise via Zoom durch das jüdische Paris fortgesetzt.
- Und am Sonntag dem 19. September führt Nathanja Hüttenmeister über das jüdische Gräberfeld auf dem Alten Friedhof am Sternbuschweg und informiert über jüdische Bestattungskultur und die Biographien einzelner Bestatteter.
- Nähere Informationen gibt es bei Shanice Leßmann, Tel.: 0203/28104-72, Mail: shanice.lessmann@kefb.info