Zu den ältesten jüdischen Familien in Duisburg gehören die Epsteins. Vor 75 Jahren wurden sie vertrieben.
Zu den ältesten jüdischen Familien in Duisburg gehören die Epsteins. Siegmund Epstein (1848-1919) stieg als 22-Jähriger in das von einem Verwandten, Salomon Moses Cohen, bereits 1835 begründete „Duisburger Modehaus” als Kompagnon ein. Das war im Jahre 1870. Fortan trug das Warenhaus den Namen „Cohen & Epstein”. Es war das erste Kaufhaus in Duisburg, was durchaus doppeldeutig gemeint ist.
Siegmund Epstein spielte wie sein ältester Sohn Harry in der jüdischen Gemeindevertretung eine herausragende Rolle, wenn auch auf unterschiedlichen Seiten: Siegmund war jüdisch liberal, Harry zionistisch – zwei Positionen, die einfach nicht zusammen passten.
Das Kaufhaus „Cohen & Epstein” war bei der Bevölkerung sehr beliebt – bis die Nationalsozialisten kamen. Am 1. April 1933 organisierten die Nazis Boykottmaßnahmen. Vor dem Eingang des Kaufhauses postieren sich uniformierte SA-Leute. Sie versuchten, die Duisburger vom Betreten des Kaufhauses abzuhalten. Wer trotzdem dort kaufte, wurde fotografiert und in der „Nationalzeitung” angeprangert.
Harry Epstein war der berühmteste Spross der Familie, ein bekannter Rechtsanwalt und Zionist. Bis 1923 arbeitete er als Rechtsanwalt in Duisburg, wo er auch die Anwaltskammer leitete. Er gehörte zu den führenden Zionisten Deutschlands. Durch seine zionistischen Aktivitäten stand Harry Epstein mit bedeutenden Persönlichkeiten des deutschen Judentums in Kontakt, auch mit Albert Einstein. Die Briefe, die die beiden sich schrieben, sind leider während einer Italienreise gestohlen worden.
Als im März 1933 der Vorsteher der ostjüdischen Gemeinde, Jakob Bereisch, vor dem Stadttheater unter den Augen von Tausenden Gaffern misshandelt wurde, wurde aus der Menge Rufe laut: „Jetzt kommt der Epstein dran!” Unter dem Druck der Verfolgung mussten die Brüder Fritz und Harry Epstein an einen „arischen” Käufer verkaufen: der 39-jährige Jungunternehmer Franz Fahning nahm dankend an. Ihm brachte das Profit, der Familie Epstein das Exil. Fahning sollte noch weitere „Arisierungs-Schnäppchen” auf Kosten jüdischer Unternehmer machen. Den Brüdern Epstein blieb von dem Erlös kaum etwas übrig. Nach dem Abzug zahlreicher Gebühren an die NS-Behörden besaßen sie nur noch das Nötigste. Harry Epstein emigrierte 1934 nach Palästina, wo er einen Tag vor seinem 96. Geburtstag am 26. August 1973 starb. Fritz Epstein emigrierte 1935 nach London, von dort aus wenig später nach Los Angeles, wo er 1970 starb.
Nach der Übernahme von „Cohen & Epstein” im Jahre 1935 feierte der neue Besitzer Franz Fahning das hundertjährige Firmenjubiläum. Vier Jahre später, am 20. April 1939, warb das „arisierte” jüdische Kaufhaus mit großen Glückwunschkarten zum 50. Geburtstag von Adolf Hitler. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kaufhaus bei einem Luftangriff schwer getroffen und brannte völlig aus. Im Jahr der Währungsreform, 1948, startete Fahning wieder den Verkauf. Heute befindet sich in dem Gebäude das Modehaus Sinn-Leffers.