Duisburg/Oberhausen/Mönchengladbach. Im Mordfall um Hells Angels-Mitglied Kai M. ist Rockerboss Ramin Y. wohl in den Iran geflohen. Die Polizei sucht mit Instagram-Fotos nach ihm.
Nach dem Mord an Hells Angel Kai M. aus Duisburg stand die Polizei schon öfter bei Ramin Y. auf der Matte: 2014 durchsuchten die Beamten mit SEK-Unterstützung erstmals seine Wohnung, da war gerade der postmortal abgetrennte Arm des Opfers aus dem Rhein gezogen worden. Zwei Jahre später rückte die Polizei erneut zur Durchsuchung bei dem Rocker-Boss an. Für einen Haftbefehl gegen den Verdächtigen reichte es wieder nicht, die Ermittlungen ruhten schließlich. Jetzt wird Ramin Y. international gesucht. Die entscheidenden Tipps auf den mutmaßlichen Rädelsführer des Mordes gab den Ermittlern ein Kronzeuge. Das bestätigt die Duisburger Polizeisprecherin Jacqueline Grahl auf Nachfrage.
„Der Kronzeuge hat uns viele Informationen gegeben, denen sind wir nachgegangen und vieles davon hat sich bestätigt“, sagt Grahl. Zu dem Mann macht die Polizei keine weiteren Angaben, um ihn zu schützen. 2019 habe sich der Zeuge erstmals gemeldet. Im Mai 2020 holten Polizeitaucher den Schädel des Opfers aus dem Rhein-Herne-Kanal an der Stadtgrenze zwischen Duisburg und Oberhausen. Kai M., damals 32 Jahre alt, starb durch mindestens einen Schuss in den Kopf, so hat es die Untersuchung in der Rechtsmedizin ergeben. Das Motiv: Die Täter sollen befürchtet haben, dass M. Geheimnisse ausplaudere. Damals kursierende Gerüchte, es habe auch ein Wechsel des Hells Angels zu den verfeindeten Bandidos im Raum gestanden, wollte Grahl nicht kommentieren.
Polizei sicher: Hells Angels Kai M. wurde in Mönchengladbach erschossen
M. wurde, so ist sich die Polizei inzwischen sicher, Anfang 2014 in Mönchengladbach durch Ramin Y. und einen heute 34-jährigen Komplizen erschossen - vermutlich am 10. Januar zwischen 0.45 und 1.45 Uhr. Ob beide Männer abdrückten, ob es einen oder mehrere Schüsse gab, dazu sagt die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nichts: „Wir wollen nicht alles vorwegnehmen“, meint Grahl. Die weiteren Ermittlungen und Vernehmungen müssten abgewartet werden. Federführend aber soll Ramin Y., zum Tatzeitpunkt Vize-Präsident des Hells Angels-Charters in Oberhausen gewesen sein: „Das ist unser Hauptverdächtiger“, sagt Grahl. Den Leichnam zerteilt und mit entsorgt haben soll ein heute 42-jähriger Mönchengladbacher, den die Polizei bei der Großrazzia am Donnerstag festnehmen konnte. Fotos zeigen, wie er in Unterhose und Badelatschen abgeführt wird. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft.
Die Täter betrieben wohl einen großen Aufwand, um den Leichnam verschwinden zu lassen. Bereits im Februar 2014 war erst ein Arm des Opfers im Rhein und dann im April der Torso im Rheinpreußenhafen in Homberg entdeckt wurden. Die Polizei geht wegen der Strömung des Rheins davon aus, dass er auch dort versenkt worden sein muss. An der Stelle am Rhein-Herne-Kanal, wo Taucher im vergangenen Jahr den Schädel bargen, fanden sich Speisfässer mit weiteren einbetonierten Körperteilen. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter die Behälter von der Brüstung der Brücke der Essen-Steeler-Straße ins Wasser geworfen haben. Wegen der geringen Fließgeschwindigkeit des Kanals blieben sie dort liegen.
Ramin Y., der bei Instagram gerne vor teuren Autos und mit Luxus-Artikeln posiert, ist untergetaucht. Der heute 33-Jährige, zuletzt Präsident des Hells Angels-Charters in Mönchengladbach, gegen den auch wegen Drogengeschäften ermittelt wird, hat sich wohl schon vor mehreren Monaten in den Iran abgesetzt. Y. ist laut Polizeiangaben deutscher Staatsbürger iranischer Abstammung. Trotzdem dürfte es für die deutschen Behörden schwer werden, seiner habhaft zu werden. Es gebe mit dem Iran kein Auslieferungsabkommen, erklärt Grahl: „Wir müssen dem mit Geduld entgegen treten. Aber wir sind zuversichtlich. Irgendwann werden wir ihn haben.“ So lange postet Y. weiter fleißig bei Instagram. Nach der Razzia machte er sich dort über die Arbeit der Ermittler lustig. Die Polizei habe die Seite im Blick, hieß es, kommentieren will sie die Posts nicht.
Rocker-Boss soll auch an Attacke auf Bandido in Oberhausen beteiligt gewesen sein
Y. und der 34-Jährige sollen auch an einer Attacke auf ein Mitglied der Bandidos an der Roonstraße in Oberhausen beteiligt gewesen sein - im Jahr vor dem Mord. Sie waren laut Polizei im November 2013 dabei, als der 31-jährige Hells Angel Mustafa H. an einer Ampel aus einem Wagen auf das Auto des verfeindeten Rockers schoss und ihn schwer und seine Begleiterin leicht verletzte. Der Vize-Präsident der Oberhausener Bandidos flüchtete zur Aral-Tankstelle an der Bebelstraße.
Die Staatsanwaltschaft wertet die Attacke als versuchten Mord in zwei Fällen. Der 34-Jährige, ein Kosovare, sitzt bereits wegen Drogengeschäften in Wuppertal im Gefängnis. Der 31-Jährige soll sich in die Türkei abgesetzt haben. H. stammt ursprünglich aus Mülheim und ist türkischer Staatsbürger. Die drei mutmaßlichen Täter sollen wie Kai M. früher ebenfalls dem Oberhausener Charter angehört haben, das im Rotlichtviertel an der Flaßhofstraße aktiv war. Der 34-Jährige soll nach dem Mord mit Y. nach Mönchengladbach gewechselt sein. Auch bei H. wird es für die deutschen Behörden knifflig: Eigene Staatsbürger liefert die Türkei in der Regel nicht aus.
Mit rund 900 Polizisten und Spezialeinsatzkräften waren die Ermittlungsbehörden bei der Razzia am Donnerstag gegen die Hells Angels vorgegangen und hatten 24 Wohnungen und Objekte an Rhein und Ruhr durchsucht, etwa in Leverkusen oder im Rotlichtviertel an der Vulkanstraße in Duisburg. In Dinslaken, Mülheim, Oberhausen und Mönchengladbach wurden weitere fünf Rocker in Gewahrsam genommen. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen sind sie inzwischen wieder auf freiem Fuß. Dabei wurden auch ihre Tattoos überprüft.
Die Großrazzia am Donnerstag hatte eine besondere Aufbauorganisation (BAO) bei der Duisburger Polizei lange vorbereitet. Sie trug intern das Codewort „Prunus“ - benannt nach einer Zierpflanze, die Kai M. als Tattoo auf seinem Arm trug.
Hinweise zu den beiden gesuchten Männern nimmt die Polizei telefonisch unter 0203/2800 oder per E-Mail an mkmaik.duisburg@polizei.nrw.de entgegen.