Duisburg. Kinderärzte in Duisburg beurteilen die Impfempfehlung der Stiko für alle ab zwölf Jahren, berichten über Vorbehalte und spezielle Elternwünsche.

Kinderärzte in Duisburg begrüßen die neue Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für alle Zwölf- bis 17-Jährigen unabhängig von besonderen Vorerkrankungen oder Risikofaktoren – aus mehreren Gründen.

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Einige Eltern hätten demnach regelrecht auf die Entscheidung der Stiko gewartet, seien zuvor unsicher gewesen, ob sie ihren Nachwuchs impfen lassen sollen oder nicht. Dr. Ralf Kownatzki kann dies gut nachvollziehen. Der Kinder- und Jugendarzt kennt solchen Diskussionen innerhalb der Familie aus eigener Erfahrung. „Wir haben bei meinem 13 Jahre alten Enkel lange überlegt, uns dann aber vor etwa drei Wochen, also noch vor der Entscheidung der Stiko, entschlossen, ihn zu impfen“, so Kownatzki. „Das habe ich dann selber übernommen.“

Impfungen ab 12 Jahren: Kinderärzte in Duisburg begrüßen Stiko-Entscheidung

Er habe dies aufgrund der positiven Erfahrungen mit Impfungen dieser Altersgruppen etwa in den USA verantworten können. Das Risiko einer Impfung sei kalkulierbar und gering im Vergleich zum Nutzen beziehungsweise Schutz vor Corona.

Er nennt ein Beispiel. „Auf eine Million Kinderimpfungen kommen in der Folge 77 Fälle von Herzmuskelentzündungen, die in der Regel auch alle einen guten Verlauf nehmen. Bei den Mädchen sind es sogar nur zehn Fälle auf eine Million Impfungen.“

„Wir werden der Delta-Variante nicht ohne Weiteres ausweichen können“

Im Gegenzug ist Kownatzki überzeugt, dass es mit der steigenden Zahl von Kindern, die sich mit dem Corona-Virus infizieren, auch mehr schwere Verläufe geben wird. „Wir werden der Delta-Variante nicht ohne Weiteres ausweichen können“, so der Kinder- und Jugendarzt. „Da hilft nur impfen.“

Noch habe die neue Stiko-Empfehlung allerdings nicht zu einer verstärkten Nachfrage in seiner Praxis am Hamborner Altmarkt geführt. 24 Kinder und Jugendliche bekommen demnach dort im Schnitt pro Woche den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer verabreicht.

Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki mit Praxis in Duisburg-Hamborn ist überzeugt, dass es richtig ist, Kinder ab zwölf Jahren zu impfen.
Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki mit Praxis in Duisburg-Hamborn ist überzeugt, dass es richtig ist, Kinder ab zwölf Jahren zu impfen. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Die Gründe, warum sie sich impfen lassen, seien unterschiedlich. „Bei den Zwölf- bis 13-Jährigen sind es oft die besorgten Eltern, die etwa mit Blick auf die Schule eine entscheidende Rolle spielen“, sagt Kownatzki. „Vielen der älteren Teenagern ist es dagegen auch wichtig, wieder ein unkompliziertes Leben führen zu können. Einfach mal wieder so ins Kino oder in die Disco zu gehen.“

Es ist ein Aspekt, der auch Christine Firnhaber, Kinderärztin in Huckingen, sehr wichtig ist. Die vielen Lockdowns, der Distanzunterricht, die vielen Einschränkungen haben den Kindern und Jugendlichen aus ihrer Erfahrung überhaupt nicht gut getan. „Der Medienkonsum hat zugenommen. Es gibt deutlich mehr übergewichtige Kinder“, so Firnhaber. „Dazu kommen psychische Probleme.“

Kinderärztin spricht über massive Folgen für Kinder und Jugendliche durch Lockdowns

Jede Impfung könne dazu beitragen, weitere Lockdowns und damit weitere massive Folgen für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen zu verhindern. Allerdings habe sie sich in der Regel an die Empfehlung der Stiko gehalten und deshalb bisher etwa keine gesunden Zwölfjährigen geimpft. Mit der aktuellen Entscheidung habe sich dies geändert. Nun herrsche Klarheit.

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„Die Nachfrage hat seitdem deutlich angezogen“, sagt Firnhaber. Sie betont aber, wie wichtig es sei, dass sich vor allem die Eltern impfen lassen – auch zum Schutz der unter Zwölfjährigen, die diese Möglichkeit noch nicht haben.

„Einige Bulgaren denken wirklich, dass wir sie mit einer Impfung töten wollen“

Dr. Christoph Fangmann, Kinderarzt in Marxloh, kann da nur beipflichten. Allerdings gebe es Personengruppen, die immer noch hartnäckige Vorbehalte gegen eine Spritze zum Schutz vor Corona haben. „Bei den Bulgaren zum Beispiel ist es weiter sehr schwierig, sie zu überzeugen“, sagt Fangmann. „Sie sind historisch bedingt extrem staats- und systemkritisch, haben große Ängste. Einige denken wirklich, dass wir sie mit einer Impfung töten wollen. Erst Anfang oder Mitte Juli habe ich den ersten Bulgaren geimpft - drei Monaten nach dem Start der Impfungen in meiner Praxis.“

So genannte Fake News spielen laut Fangmann auch eine Rolle: „Einige Eltern wollen ihre jungen Töchter nicht impfen lassen, weil diese dadurch angeblich unfruchtbar werden. Das haben Querdenker mal behauptet und ist natürlich kompletter Unsinn, aber es bleibt leider hängen.“ Aufklärung sei deshalb wichtig – vor allem in den Schulen, sagt der Kinderarzt.

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Aktuell komme er auf im Schnitt 80 bis 90 Impfungen pro Woche. Zwar sei der organisatorische Aufwand groß. So könne der Impfstoff nur mit einer Vorlaufzeit von zwei Wochen und nicht passgenau in Einzeldosen, sondern nur in Sechser-Packs bestellt werden. Bis zu 250 Impfungen pro Woche wären aber trotzdem möglich, wenn die Bereitschaft in der Bevölkerung größer wäre. Ob die Nachfrage durch die aktuelle und noch recht frische Stiko-Empfehlung steige, kann Fangmann jetzt noch nicht beurteilen.

Diskussion über Impfungen von Kindern ab sechs Jahren im Herbst?

Was ihm aber aufgefallen ist: „Es rufen viele Eltern von unter Zwölfjährigen an, die sich nach einer Impfung erkundigen“, sagt der Mediziner „Ohne Zulassung kann ich das natürlich nicht machen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir schon im Herbst eine Diskussion haben werden, ob wir nicht auch Kinder ab sechs Jahren aufwärts impfen sollten.“

Fangmann stellt klar: „Ich wüsste nicht, warum wir diesen Altersgruppen so einen sicheren, idealen Impfstoff vorenthalten sollten.“

STADT DUISBURG: 1370 IMPFUNGEN VON ZWÖLF- BIS 15-JÄHRIGEN AN VIER WOCHENENDEN IM TAM

  • Nach einer Entscheidung des Landes NRW sind schon weit vor der aktuellen Empfehlung der Stiko Jugendliche ab 16 Jahren auch ohne Vorerkrankungen ab dem 8. Juli täglich ohne Anmeldung im Impfzentrum im Theater im Marientor (TaM) in Duisburg geimpft worden.
  • Den Zwölf- bis 15-Jährigen konnten bisher entsprechende Angebote an den Wochenenden im TaM gemacht werden. Die Resonanz war nach Angaben der Stadt Duisburg mit insgesamt 1370 Impfungen bisher sehr gut. Los ging’s am 24./25. Juli mit 470 Impfungen in dieser Altersgruppe. Am 31. Juli/1. August waren es 350, am 7./8. August 180 und am 14./15. August 370 Impfungen. An diesem Wochenende soll es die ersten Zweitimpfungen geben.
  • Am Donnerstag, 19. August, teilte die Stadt außerdem mit, dass sich ab sofort auch alle Kinder ab zwölf Jahren täglich ohne Termin im Impfzentrum impfen lassen können.
  • Außerdem werden die Schulen in die Impfkampagne eingebunden. Für Schüler ab zwölf Jahren können feste Termine vereinbart werden, um eine Spritze zum Schutz vor Corona zu bekommen. Die Stadt will dafür extra Busse einsetzen.