Duisburg. Satte 42 Mio. Euro teurer wird eines der größten Infrastrukturprojekte Duisburgs, der Neubau der Karl-Lehr-Brücke. Vor Ort wird deutlich, warum.
Die Erneuerung des Karl-Lehr-Brückenzugs gehört für Verkehrsteilnehmer zu den nervigsten Baustellen in Duisburg: Autos stehen im Stau, die Straßenbahn zuckelt nur Richtung Ruhrort oder retour. Dennoch ist die Baustelle ein Traum von Uwe Linsen, Vorstand der Wirtschaftsbetriebe: „Das ist mit das größte Infrastrukturprojekt. Und: Wir liegen gut im Zeitplan.“
Um sich vom Fortschritt zu überzeugen und auch zu erfahren, warum die Brücke 42 Millionen Euro teurer und somit rund 200 Millionen Euro insgesamt kosten wird, hatten sowohl der Verein Pro Duisburg als auch die SPD-Ratsfraktion einen Ortstermin vereinbart. Die Teilnehmer gerieten ob der Leistungsschau der Bauindustrie mächtig ins Staunen.
Kleines Wäldchen musste in Duisburg-Kaßlerfeld weichen
Gearbeitet wird auf einem Gelände zwischen dem „Kaßlerfelder Kreisel“ und dem Besucherparkplatz Rheinorange. Früher stand hier ein kleines Wäldchen. Das musste weichen, um Platz für die Vorarbeiten zu schaffen. Neben der noch existierenden Brücke wird derzeit die Ausweichstrecke montiert. Den Protest von Anwohnern und Lokalpolitikern aus Kaßlerfeld und Neuenkamp kontert Linsen so: „Klar, man hätte die Brücke irgendwo auf einer freien Fläche am Niederrhein zusammenbauen können. Aber dann wäre man nicht mehr unter den anderen Brücken hergekommen.“ Bruno Sagurna und seine Genossen versprechen, dass man sich für die Zeit nach der Baustelle etwas für die Fläche überlegen werde – schließlich ist die Lage an der Ruhr zwar verkehrsträchtig, aber dennoch schön.
Duisburg- Karl-Lehr-Brückenzug wird 42 Millionen Euro teurerUnterteilt sind die Arbeiten in verschiedene Bauabschnitte. Der erste wurde bereits im Jahr 2015 fertiggestellt. Da wurde die Brücke über den Vinckekanal erneuert. Der zweiten Abschnitt umfasst den Neubau der Ruhr- und Hafenkanalbrücke und den Abriss der Kaiserhafenbrücke, die anschließend durch einen Damm ersetzt wird. Zuvor wurde bereits ein wichtiger Leitungsdüker unter dem Hafenkanal gebaut, in dem Wasser-, Gas-, Strom- und andere Versorgungsleitungen verlegt wurden. Zuvor waren die Stränge teilweise unter der Brücke befestigt. „Da lagen noch Leitungen drin. Da wusste niemand mehr, wem die eigentlich gehören. Als nach mehrmaligen fragen sich niemand meldete, wurden die Leitungen gekappt“, blickt Linsen zurück. Die Versorgung der Duisburger im Stadtnorden sei aber sichergestellt. Das freut insbesondere die Meidericher in der Gruppe.
Stahlteile werden per Schiff geliefert
„Der Kran hier kann 350 Tonnen heben und dabei noch fahren“, erklärt Linsen, und deutet auf das riesige Gefährt, das neben einer vorgebauten Trasse für die Straßenbahn empor ragt. Rund 80 Mitarbeiter sind derzeit vor Ort, in der Spitze werden es 140 sein. Projektleiter Artur Brakowski hat schon Brückenbauwerke in Südamerika und anderen Teilen der Welt verantwortet, bevor sich die Wirtschaftsbetriebe seine Expertise gesichert haben. Immerhin: Vom Materialmangel sei man bisher verschont geblieben. Die Stahlteile werden aus Österreich per Schiff angeliefert. „Das erspart uns jede Menge Lkw-Verkehr“, so Linsen. Schon in der kommenden Woche soll Nachschub kommen.
Parallel dazu entstehen Widerlager und Pfeiler für den vorübergehenden Standort der Ruhr- und Hafenkanalbrücke. Diese ruht ausschließlich auf Widerlagern, für die längere Ruhrbrücke müssen außerdem zwei Pfeiler an den Ufern der Ruhr hergestellt werden. Die Hafenkanalbrücke ist 125 Meter, die Ruhrbrücke, inklusive der Vorlandbrücken, 182 Meter lang.
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„Die Arbeiten am Pontwert sind besonders schwierig. Da ist Spezialgerät im Einsatz, weil wir die Spundwände nicht einrütteln können. Dann würde sich die Brücke direkt verabschieden.“ Mit hohem Druck werden diese nun in die Tiefe gebracht. „Manchmal geht das durch wie Butter, manchmal dauert es einen halben Tag. Man weiß ja auch nie, was damals hier verbuddelt wurde.“ Von einem würde Linsen aber abraten: Wer jemanden wie im Krimi verschwinden lassen will, findet zwar genügend tiefe Löcher. Aber die Baustelle wird rund um die Uhr überwacht.
>> Arbeiten dauern noch bis 2025 – dann folgt die nächste Baustelle
● Mit der Planung für den Neubau der Karl-Lehr-Brücke wurde schon vor Jahren begonnen. Die erste Kostenschätzung stammte noch aus dem Jahr 2008 – so sei auch die Steigerung der Kosten zu verstehen, erklärt Uwe Linsen den SPD-Mitgliedern beim Rundgang.
● Die Baustelle soll 2025 abgeschlossen sein. Allerdings wird im Nachgang noch der Kaßlerfelder Kreisverkehr zu einer Kreuzung umgebaut. „Die Brücke entspricht den neuesten Anforderungen“, erklärt Artur Brakowski. Auch die gestiegene Zahl der Lastwagen, die Richtung Hafen unterwegs sind, wurde berücksichtigt. Das sei wichtig, so Brakowski, denn „gebaut wird in der Regel für 100 Jahre“.