Duisburg. Duisburg blieb von Flutschäden verschont. Selten stand der Rhein so spät so hoch. Hochwasser-Touristen sahen in Ruhrort Ungewöhnliches.
Eine erste vorsichtige Entwarnung gab Silke Kersken bereits am Samstagvormittag: „Aktuell ist die Marke von 9,22 Metern erreicht, der Wasserstand stagniert seit dem Morgen, der Höhepunkt scheint überwunden.“ Dennoch bleiben vorerst alle Vorsichtsmaßnahmen bestehen, sagte die Pressesprecherin der Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD): Das Sperrtor am Marientor, das die Innenstadt vor Überflutung schützt, bleibt geschlossen, die Zufahrtswege zum Rhein sind weiterhin gesperrt und die Deichläufer machen auch in den nächsten Tagen ihre täglichen Kontrollgänge, um Beschädigungen, beispielsweise durch angeschwemmtes Material, frühzeitig zu erkennen.
Als der Ruhrorter Pegel am Freitagnachmittag bei 9,18 Metern stand, hatte Florian Krekel vom Wasser- und Schifffahrtsamt die Situation bereits richtig eingeschätzt: „Das Wasser wird nur noch gering ansteigen, in Kürze hat das Hochwasser in Ruhrort seinen Scheitelpunkt erreicht.“ Krekel bezeichnete das Hochwasser im Juli als „sehr ungewöhnlich“, Pegelstände dieser Größenordnung seien in früheren Jahren höchstens im Spätherbst (Adventshochwasser) oder im Frühjahr nach der Schneeschmelze erreicht worden.
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Auslöser waren die gewaltigen Regenmengen, die vor allem ruhraufwärts, im Südwesten Nordrhein-Westfalens und in Rheinland-Pfalz katastrophale Schäden anrichteten und zahlreiche Menschenleben forderten. Aus Duisburg berichten weder Feuerwehr noch WBD von größeren Schäden. „Wir haben einfach Glück gehabt, es ist schwer zu erklären“, sagt Silke Kersken, schließlich gebe es auch in Duisburg topographische Tiefpunkte und Senken.
Rheinhochwasser: Schiffe konnten nicht mehr an der Mühlenweide anlegen
Auch die prognostizierte Rheinhochwasserhöhe von 9,50 Meter wurde nicht erreicht (siehe Infobox). Das ungewöhnliche Naturereignis lockte am Wochenende zahlreiche Schaulustige nach Ruhrort, die sich vor Ort selbst ein Bild machen wollten.
Was sie zu sehen bekamen, war schon ungewöhnlich: Am Leinpfad ragten die festgemachten Schiffe wie der 135 Meter lange Frachter „Duc in Altum“ hoch aus dem Wasser, genauso wie das Tankschiff „Ayla“. Kein Wunder, denn der Wasserspiegel des Hafenmunds lag nur knapp unter dem Niveau der Leinpfad-Promenade, die so aber immer noch begehbar blieb.
Auf der anderen Seite des Hafenbeckens lagen in Höhe der Schifferbörse drei große Fluss-Kreuzfahrtschiffe. Das Ausweichquartier war notwendig geworden, weil der eigentliche Anleger an der Mühlenweide komplett überflutet war. Spektakulär war auch der Anblick der in einiger Entfernung stehenden Großskulptur „Rheinorange“ direkt an der Ruhrmündung, die ebenfalls vom Hochwasser umspült war.
Hochwassertouristen und Hafenrundfahrten
Das Sommersonnenwetter nutzten einige Hochwassertouristen, um sich das Ganze bei einem Bierchen in der Außengastronomie der Kultkneipe „Zum Hübi“, direkt vor dem Museumsdampfer „Oscar Huber“ anzuschauen. Dort konnten sie beobachten, dass die Hafenrundfahrttermine der „Ruhrorter Personenschifffahrt“ wie geplant durchgeführt wurden.
Hochwasser in Duisburg
Die Steintreppe, über die man sonst das Rundfahrtboot Rheinfels erreicht, konnte man wegen des Wasserstandes nicht mehr nutzen, der Ein- und Ausstieg war unmittelbar vom Leinpfad aus aber immer noch möglich. Dazu Kapitän Walter Moser: „Wir fahren solange, wie es möglich ist, noch geht es ja.“
Das ist, bedingt durch die Schließung des Sperrtors am Marientor, vom Schwanentor aus derzeit nicht möglich, wie WBD-Sprecherin Kersken erläutert. Hier warten sonst die Schiffe der „Weißen Flotte Duisburg/Düsseldorf“ auf Fahrgäste.
Biergarten an der Mühlenweide unter Wasser
Spaziergänger taten gut daran, ihre Pause bei „Hübi“ einzulegen – der Biergarten an der Mühlenweide war in kürzester Zeit „abgesoffen“. Für den Pächter nach der langen Corona-Pause ein weiterer Rückschlag, geradezu unwirklich wirkten die zusammengeklappten Sonnenschirme in Höhe des Flaggenmastes, die eigentlich um diese Jahreszeit den Gästen Schatten bieten sollten.
Rheinpegel Ruhrort- Vom Hochwasser auf der Mühlenweide Schon das Pegel-Gebäude am Ende des Hafenmundes war nur noch über einen provisorischen Steg von der Dammstraße aus zu erreichen. Ab dort war die Mühlenweide vollständig überflutet, die Parkplätze unter der Friedrich-Ebert-Brücke standen hoch unter Wasser.
Der Mülheimer Bernd Hollatz ist ein Hochwasserexperte. Der Ruheständler war mit seiner Frau Christine nach Ruhrort gekommen, um sich ein Bild von dem „total ungewöhnlichen Sommerhochwasser“ zu machen. Als früherer Mitarbeiter des Klärwerks in Wanheim kennt er sich mit solchen Begebenheiten aus: „Wir mussten bei einem Wasserstand von 8 Metern im Klärwerk ,umschalten’, sonst wäre das Wasser der Anger vom Rhein weiter in Richtung Biegerpark gedrückt worden.“
„Wir haben viel Glück gehabt“
Auch Dirk Grotstollen, der Vorsitzende des Ruhrorter Bürgervereins, hat den Rhein in den Sommermonaten noch nie so erlebt. Die erschütternden Auswirkungen der durch den Starkregen verursachten Katastrophe in anderen Teilen des Landes haben auch ihn betroffen gemacht. Mit Blick auf die Situation vor Ort zeigt er sich erleichtert: „Wir haben hier keine bedrohliche Situation, wir haben viel Glück gehabt, die Folgen sind bei uns noch erträglich. Kein Vergleich zu dem, was woanders geschehen ist.“
>> PEGEL RUHRORT AM WOCHENENDE & HISTORISCHE HÖCHSTWERTE
• Der Pegelstand in Ruhrort nach Angaben des Elektronischen Wasserstraßen-Informationsservice der deutschen Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (ELWIS) (in cm): Donnerstag, 15. Juli, 5 Uhr: 763; 13 Uhr: 810; 21 Uhr: 876; Freitag, 5 Uhr: 911; 13 Uhr: 918; 21 Uhr: 919; Samstag, 5 Uhr: 921; 13 Uhr: 922; 21 Uhr: 918; Sonntag, 5 Uhr: 906; 13 Uhr: 891
• Im Sommer hat Duisburg normalerweise eher mit Niedrigwasser im Rhein zu kämpfen. Das letzte Sommerhochwasser ähnlichen Ausmaßes war nach Angaben von WBD-Sprecherin Silke Kersken im Mai und Juni 1983: „Der maximale Wasserstand damals erreichte 10,75 Meter.“ Beim Hochwasser 2013 wurde nur 8,64 Meter gemessen
• Das rheinland-pfälzische Landesamt für Umwelt hat auf seiner Internetseite die höchsten Ruhrorter Pegelstände ab dem Ende des 19. Jahrhunderts dokumentiert (in cm):
1. 1304 – 2.1.1926
2. 1300 – 29.11.1882
3. 1291 – 2.1.1883
4. 1273 – 17.1.1920
5. 1215 – 1.1.1920
6. 1196 – 6.11.1924
7. 1166 – 31.1.1995
8. 1152 – 31.3.1895
9. 1142 – 24.12.1993
10. 1142 – 25.11.1930