Duisburg. Lieferando wächst in Duisburg – und verspricht Gastronomen ein Umsatzplus. Wie viel möglich sein soll, und warum es Kritik am Konzern gibt.

Seit Ende März ist Lieferando mit einer eigenen Flotte in Duisburg unterwegs. Nicht nur in der Stadt an Rhein und Ruhr, sondern in ganz Deutschland ist das Unternehmen unangefochtener Marktführer – und nicht unumstritten. Die Nachfrage aber wachse in Duisburg, sowohl aufseiten der Konsumenten als auch der Gastronomen zum Ausbau des Außer-Haus-Geschäftes, bestätigt ein Sprecher.

Zahlen verdeutlichen den Anstieg: Mit 40 Fahrerinnen und Fahrern gestartet, hat Lieferando die Flotte bereits auf 80 Personen ausgebaut. Langfristig plant der Lieferdienst in Duisburg mit 200 Kurieren. Rund 20 Restaurants würden mittlerweile die Lieferflotte des Unternehmens nutzen, viele weitere Unternehmen nutzen lediglich die Plattform und haben einen eigenen Bringdienst.

Lieferando in Duisburg: Kritik an hohen Provisionen

Durch das Anbieten einer Flotte hofft der Konzern, weitere Gastronomen von einer Beteiligung zu überzeugen. Der Branchenriese stellt die Plattform, das Bestellsystem und die Lieferlogistik, dafür verdient das Unternehmen bei jeder Bestellung mit. 13 Prozent Provision, wenn das Restaurant selbst liefert, 30 Prozent Provision, wenn Lieferando-Boten für die Auslieferung in die Pedale treten.

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Zu hoch sei die Gebühr, kritisieren einige Gastronomen, die gleichzeitig gegenüber dieser Zeitung und anderen Medien eine Abhängigkeit vom Branchenprimus beklagen. Doch angesichts der Marktmacht sähen Restaurantbetreiber oft keine andere Wahl, wenn sie ein Stück vom Kuchen abhaben wollen.

Lieferando: Wie viel Umsatzplus ist für Gastronomen möglich?

Das System hinter Lieferando ist ausgetüftelt. Mehr als 400 Mitarbeiter sind in der Kundenbetreuung beschäftigt. Jeder Gastronom bekomme eine individuelle Beratung zum Einstieg in das Liefergeschäft. So gibt es auch anhand von Daten Infos zum geplanten Liefergebiet mit Einschätzungen zum Potenzial einzelner Straßenzüge.

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Doch wie viel mehr Umsatz verspricht Lieferando den Gastronomen? Laut eigenen Angaben liege der bundesweite Schnitt – nach Abzug der Provision – bei einem vermittelten zusätzlichen Jahresumsatz von rund 100.000 Euro, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Abhängig sei dieses Ergebnis aber von wichtigen Variablen wie den Produkten, der Konkurrenz und Nachfrage in der Stadt.

Essenlieferdienst ist Gewinner der Corona-Krise

Zum Start der Flotte in Duisburg hat auch Fisch Wilken den Lieferdienst getestet. Doch das Geschäft sei schleppend angelaufen. Kostete der Backfisch vor Ort 4,50 Euro, sei dieser Preis bei Lieferung und einer Provision von 30 Prozent nicht zu halten gewesen. Mittlerweile steht fest: Der Traditionsimbiss mit Klassikern wie Matjesbrötchen auf der Karte hat keine Zukunft mehr. Lieferando war kein rettender Anker.

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Bei anderen Gastronomen dürfte die Situation in den vergangenen Wochen aber auch anders gewesen sein: Essenslieferdienste zählen zu den Gewinnern der Corona-Krise. Das zeigen auch die Geschäftszahlen: Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz des Mutterkonzerns „Just Eat Takeaway“ nach Unternehmensangaben um 54 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro.

NGG kritisiert niedrige Löhne für Kuriere

Der Gewinn des Konzerns könne aber nicht auf dem Rücken der Beschäftigten gemacht werden, kritisiert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Durch das erhöhte Bestellvolumen in der Krise seien die Kuriere im Corona-Stress. Fahrer würden weiterhin „zu Niedriglöhnen und teils am Rand der Belastungsgrenze“ arbeiten, sagt Hans-Jürgen Hufer, Geschäftsführer der NGG-Region Nordrhein. Die Gewerkschaft kritisiert auch den „Anreiz zur Akkordarbeit“, um über den Einstiegsverdienst von zehn Euro pro Stunde hinauszukommen.

Wie ein Sprecher aber gegenüber dieser Zeitung erklärt, komme es bei den Zuschlägen nicht darauf an, „möglichst schnell möglichst viele Aufträge auszuführen“, sondern die Boni orientieren sich an der Arbeitszeit: Ab 11,5 Stunden pro Woche gibt es Zuschläge. Zusätzlich erhalten die Fahrer pro gefahrenem Kilometer weitere 14 Cent. Üblich seien pro Stunde zwei Bestellungen bei einer Distanz von fünf Kilometern.

Kuriere sind in Duisburg mit eigenen Fahrrädern unterwegs

„Der durchschnittliche Verdienst liegt bei rund zwölf Euro pro Stunde“, erklärt das Unternehmen. Zudem gäben Kunden häufig Trinkgeld an der Tür, das hinzukommt, jedoch nicht erfasst wird. Darüber hinaus sichere Lieferando seine Fahrer durch eine reguläre Anstellung ab, übernimmt also die Kosten etwa für eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsentgelt.

Weil Fahrer in Duisburg ihre eigenen Räder nutzen, müssten sie für Reparaturen meist selbst aufkommen, kritisiert Hufer der NGG. In Duisburg war sogar schon zu beobachten, dass Fahrer mit Rädern des Miet-Systems Metropolrad-Ruhr unterwegs waren, der niedrige Lohn so erneut reduziert wird, um für die Beschäftigung mobil zu sein.

Anderes Equipment werde indes gestellt, erklärt der Betrieb: So bekommen die Mitarbeiter Helme, Taschen sowie Hygieneequipment wie Masken, Desinfektionsmittel, Hand- und Sonnencreme oder aktuell auch Corona-Tests. Für die NGG nicht genug: „Lieferando muss sich endlich zu fairen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen. Das Unternehmen darf der Gründung von Betriebsräten nicht länger Steine in den Weg legen“, so Hufer mit Blick auf bisherige Versuche des Anbieters, die Wahl von Arbeitnehmervertretungen zu verhindern.

CORONA-CHECK IN DUISBURG:

  • Im Rahmen des Corona-Checks hat diese Redaktion Leserinnen und Leser zu den Auswirkungen der Krise auf ihr Leben befragt. Insgesamt haben 4153 Duisburgerinnen und Duisburger an der Befragung teilgenommen.
  • Bei eine der Fragen haben 76,84 Prozent der Teilnehmer in Duisburg angegeben, die Gastronomie und den Handel bewusst zu unterstützen. In Zeiten der langen Schließungsphase war dies nur per Essensabholung oder Lieferung möglich.
  • Mit dem „Duisburger Deckel“ hatte die Stadttochter Duisburg Kontor auch eine Solidaritätsaktion ins Leben gerufen. Den Gutschein im Bierdeckel-Format konnten Gäste in den teilnehmenden Lokalen kaufen und später bei Wiedereröffnung dort einlösen.