Duisburg. Ärger im Duisburger Integrationsrat: Linke und Grüne werfen CDU und SPD vor, dass sie sich mit Stimmen der Rechten wählen ließen.
Neun Monate nach der Kommunalwahl konstituierte sich der Duisburger Integrationsrat in seiner ersten Sitzung – mit einem Paukenschlag. Denn SPD und CDU brachen nach Einschätzung von Grünen und Linken den „Konsens gegen Rechts“, den die demokratischen Parteien im Rat der Stadt verabredet hatten.
Es war ein mühsamer Start, denn die ersten Wahlen dauerten zwei Stunden lang, wurden wiederholt, ihre Rechtssicherheit diskutiert und noch mal neu gezählt mit Aufstehen und Handzeichen.
Ein holpriger Start auch für Paul Bischof, der seit Mai sein Rechts-Dezernat um die Punkte Familie und Integration erweitert hat und für die konstituierende Sitzung zwar eigens seinen Urlaub unterbrochen hatte, aber nicht recht in einen Verwaltungsmodus kam. Mehrfach entschuldigte er sich für die schlechte Vorbereitung der Verwaltung. Schließlich wurde Erkan Üstünay als Vorsitzender wiedergewählt, Fuat Kiosse (CDU) und Canan Celik (ABI) zu seinen Stellvertretern gekürt. Unter Protest.
Mirze Edis nennt die Wahl im Duisburger Integrationsrat „verlogen“
Mirze Edis (Linke), der ebenso wie Pelin Osman (Grüne) als Stellvertreter kandidiert hatte, beklagte eine „verlogene Wahl“. Erst am Vorabend habe seine Partei Die Linke erfahren, dass die SPD entgegen der Absprache mit Grünen und Linken nun mit der CDU eine gemeinsame Liste aufgestellt hatte. „Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist ein Schlag ins Gesicht“, sagt Edis entrüstet. Denn SPD und CDU hätten sich bereitwillig von Nationalisten und womöglich nicht rechtmäßig gewählten Mitgliedern wählen lassen.
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Damit spielt er auf die Durchsuchungen in Wohnungen und Büros von Kandidaten der Partei BIG-Dergah und einer weiteren Partei an, die kurz vor der Wahl im September durchgeführt worden waren. Anlass der Ermittlungen waren Tonaufnahmen, die andeuten, dass Wählerstimmen gekauft worden sein sollen. Die Ermittlungen in diesem Verfahren laufen noch, sagt Marie-Theres Fahlbusch von der Staatsanwaltschaft Duisburg.
Grüne nennen SPD und CDU „skrupellos“
Auch die Grünen werden in ihrer Kritik deutlich: „Ich bin schockiert darüber, wie skrupellos SPD und CDU ein Bündnis mit rechts-nationalistischen Gruppierungen eingehen. Für einige Pöstchen verlassen die beiden Fraktionen den demokratischen Konsens gegen Rechts“, sagt Dr. Nazan Şirin, Integrationspolitische Sprecherin der Grünen.
Der Konsens solle verhindern, dass der Integrationsrat von rechten Gruppierungen als Plattform für Hetze und diskriminierende Stammtisch-Politik genutzt wird. „Doch jetzt lassen sich SPD und CDU mit den Stimmen aus dem gesamten extremistischen Spektrum wählen“, sagt Şirin.
Wahlkampfmanager der Tierschutzpartei mischt im Integrationsrat mit
Die sechs Mitglieder des von Şirin als „extremistisch“ eingeschätzten Spektrums stimmten geschlossen ab. Hier saßen der afd-nahe Einzelkandidat Andrei Klipel neben Kollegen, denen wahlweise eine Nähe zu den Grauen Wölfen (MTB), Milli Görüs (ABI) oder der rechtsextremen Partei der Großen Einheit nachgesagt wird (BIG-Dergah). Auf der rechten Seite saß auch Kenan Durmus von der DAL. Seine Partei bildet im Rat eine Fraktion mit der Partei Tierschutz hier. Deren NRW-Wahlkampfmanager Torsten Lemmer, bekannt geworden durch seinen als Buch veröffentlichten Ausstieg aus der Neonazi-Szene, war als Gast ebenfalls in der Sitzung und wirkte wie ein Strippenzieher. Klipel wurde von ihm ermahnt, die Maske richtig aufzusetzen. Die sechs Ausschussmitglieder vor ihm reagierten auf seine Ansagen, suchten ersichtlich seine Hilfe. Lemmer mischte sich mit Zwischenrufen sogar ein in die verkorksten Abstimmungen.
SPD und CDU halten die Entrüstung für eine Inszenierung
All das haben SPD-Ratsfrau Edeltraud Klabuhn und CDU-Ratsfrau Sylvia Linn vorn in der ersten Reihe nicht mitbekommen. Die Entrüstung insbesondere von den Linken werten sie mehr als eine Inszenierung, die dem Bundestagswahlkampf geschuldet sei. Linn sagt, dass für sie zur Integration auch das Thema Gleichstellung gehöre und mit Canan Celik (ABI) nun eine „tolle Frau“ als Stellvertreterin gewählt worden sei. „Dafür muss sie nicht mein Parteibuch haben, wir gucken auf die Inhalte“, sagt Linn.
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Klabuhn betont, dass man Rechtsextremen keine Bühne bieten wolle. Abgesehen davon sei der Posten des Stellvertreters überbewertet, in den vergangenen sechs Jahren seien die vorherigen Vertreter allenfalls für WC-Pausen des Vorsitzenden zum Zuge gekommen. Seit dem „Knall“ – gemeint ist die Armenien-Resolution des Integrationsrates, die nach heftigen Protesten aufgehoben wurde – habe der Integrationsrat „gute Arbeit“ geleistet. Der neue Integrationsrat wird sich erst noch zusammenraufen müssen.
>>Demo der Linken am Dienstag
Rund zwei Dutzend Demonstranten hatten sich vor der Sitzung auf Einladung der Linken zu einer Kundgebung vor der Mercatorhalle versammelt. Sie beklagten die knappe Personalsituation in der Ausländerbehörde, die zu monatelangen Verzögerungen bei der Bearbeitung wichtiger Personalpapiere führt.
3000 ausländische Studierende würden Gefahr laufen, dass ihre Aufenthaltstitel auslaufen. Es gebe Probleme mit Sozialhilfe-Zahlungen wegen fehlender Bescheinigungen, Kommunalpolitiker würden entsprechende Anrufe bekommen mit der Bitte um Hilfe. „Wer hier Steuern zahlt, hat Anspruch auf eine funktionierende Verwaltung“, sagte Mirze Edis, der als Direktkandidat des Wahlkreises I bei der Bundestagswahl antritt.