Duisburg. Wie stark beeinflusst die Pandemie den Ausbildungsmarkt in Duisburg? Vor allem im Handwerk haben Schüler noch gute Chancen auf eine Lehrstelle.

Koch oder Verkäufer, Bankkauffrau oder Zweiradmechatronikerin – Ausbildungsplätze gibt es in Duisburg reichlich. Die Pandemie hat die Lage auf dem Ausbildungsmarkt aber noch einmal verschärft. Denn ohne die direkten Kontakte an Schulen ist die Vermittlung schwierig und viele Betriebe suchen erfolglos Azubis. Die Lage aus der Sicht eines Unternehmens, der Kreishandwerkerschaft, der Berufskollegs und der Industrie- und Handelskammer Duisburg - Wesel - Kleve.

Maurer-Azubis künftig in den sozialen Netzwerken suchen

„Normalerweise werben wir bei Live-Formaten wie Speed-Datings. Die persönliche Kontaktaufnahme hat oft zu einer Ausbildung geführt“, sagt Daniel Hölscher. Der Geschäftsführer der Firma Hölscher-Bau in Neumühl bildet Maurer aus und erlebt, dass viele Jugendliche Hemmungen haben, überhaupt Kontakt aufzunehmen. Der Trend zur vollschulischen Ausbildung ist aus seiner Sicht deutlich: „Da muss ich mich nur anmelden und muss keinen Chef überzeugen, nicht Probe arbeiten“, sagt Hölscher. Abgesehen davon fehle vielen die Vorstellung, wie sich das Berufsbild des Maurers verändert hat – Stein auf Stein mauern sei jedenfalls nur ein ganz kleiner Teil des Alltags. Außerdem bekomme ein Lehrling schon im ersten Ausbildungsjahr 1000 Euro brutto.

Steine und Kelle am Mittwoch, 19. Mai 2021, auf dem Firmengelände bei Hölscher-Bau in Duisburg. Die Firma Hölscher-Bau sucht verzweifelt Maurer-Azubis. Foto: Michael Dahlke / FUNKE Foto Services
Steine und Kelle am Mittwoch, 19. Mai 2021, auf dem Firmengelände bei Hölscher-Bau in Duisburg. Die Firma Hölscher-Bau sucht verzweifelt Maurer-Azubis. Foto: Michael Dahlke / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Der 40-Jährige Maurer und Wirtschafts-Ingenieur will künftig in den sozialen Netzwerken mit Videos für sein Unternehmen werben – also dahin gehen, wo er seine potenziellen Azubis vermutet. Ein Problem bleibt aber: Von den zehn Jugendlichen, die sich bewarben, beherrschte kaum einer die Grundrechenarten oder konnte ausreichend Lesen und Schreiben, kam also nicht in Frage: „Der Beruf ist anspruchsvoll“, sagt Hölscher.

Berufskolleg: Wir sind Partner der Ausbildungsbetriebe

Die Duisburger Berufskollegs verstehen sich als Partner der Ausbildungsbetriebe, sagt Angelika Hermans, Leiterin des Kaufmännischen Berufskollegs Mitte. Die Schulformsprecherin sieht – Stand jetzt – noch keine pandemiebedingten Verschiebungen bei den Anmeldungen. Es sei ein Mythos, dass sich mehr Schüler bei vollzeitschulischen Angeboten anmelden, weil das bequemer sei als der Bewerbungsweg.

„Wir sind froh um jeden Berufsschüler, der einen weiteren Abschluss braucht, um in seinen Lieblingsberuf zu kommen“, sagt Hermans. Als Konkurrenz zu den Ausbildungsbetrieben begreife sie sich nicht, die Schüler würden ja ohnehin zu ihr kommen – entweder als Berufsschüler oder als Berufsfachschüler. Abgesehen davon gebe es manche Ausbildung gar nicht als duales Angebot.

IHK: Deutliche Corona-Spuren auf dem Arbeitsmarkt

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Matthias Wulfert, Leiter der beruflichen Aus- und Weiterbildung bei der IHK, sagt, dass in der Lehrstellenbörse aktuell über 500 freie Stellen angeboten werden, „das ist viel für diese Jahreszeit“. Die Ausbildungsbereitschaft sei aber stabil. Probleme gebe es pandemiebedingt in der Hotel- und Gaststättenbranche, im Bereich Catering und Event. Die klassischen gewerblich-technischen oder kaufmännischen Berufe seien nicht so betroffen.

Die Zahl der Schulabgänger sinkt jährlich um 2 Prozent, sagt Matthias Wulfert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK.
Die Zahl der Schulabgänger sinkt jährlich um 2 Prozent, sagt Matthias Wulfert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK. © Niederrheinische IHK | Michael Neuhaus

Die übliche Akquise in den Schulen fehle deutlich, das rechtzeitige Aktivieren falle daher schwer. Mit einer virtuellen Messe will die IHK im Juni noch mal Kontakte vermitteln. Aber: „Wir erleben bei den Jugendlichen eine spürbare Zurückhaltung, sich in eine Ausbildung zu begeben“, sagt Wulfert. Sie seien etwa verunsichert, wie sich die Krise auf die Unternehmen auswirken könnte.

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„Dabei sind die Chancen bei dem Fachkräftemangel so gut wie nie“, wirbt der Arbeitsmarkt-Experte. Die Zahl der Schulabgänger sinke im IHK-Bezirk pro Jahr um 2 Prozent. Erstmals lag die Zahl der Abgänger von allgemeinbildenden Schulen unter 12.000.

2020 konnten rund 4000 Ausbildungsverhältnisse begonnen werden – knapp 10 Prozent weniger als im Vorjahr. „Corona war spürbar“, sagt Wulfert.

Jugendliche sind nicht so verlässlich, beklagt der Kreishandwerksmeister

„Wir haben alle das Problem, unsere guten Berufe an die Schüler zu bringen“, sagt Lothar Hellmann. Der Elektroingenieur ist Kreishandwerksmeister und spricht über die Mitgliedsunternehmen, aber auch über seinen eigenen Betrieb. Zwölf Ausbildungsplätze hat er zu vergeben, fast die Hälfte ist noch offen. Dabei wirbt seine Branche durchaus ansprechend auf einer eigenen Webseite (www.e-zubis.de), bietet neue Berufe wie den Elektroniker oder die Elektronikerin für Gebäudesystemintegration, für den im Sommer erstmals ein Ausbildungsgang startet.

Leider seien manche Jugendlichen nicht verlässlich. „Wir führen Gespräche, investieren Zeit, lassen uns den Ausbildungsvertrag unterschreiben – und hören nie wieder was von denen“, beklagt Hellmann das Sozialverhalten. Ärgerlich sei das vor allem, wenn man andere Bewerber dafür abgewiesen habe. Viele Berufe seien hochinnovativ, etwa wenn es um Smart-Home-Technologien geht, für sie brauche es ein Abitur. Hier profitiert er immerhin von den früher als Studienabbrechern oder Studienaussteigern bezeichneten jungen Menschen. Sie werden bei ihm als „Azubi mit Studienerfahrung“ eingestellt – „und können später ihr ganzes Leben hier arbeiten“. Er wirbt: „Handwerk ist Zukunft!“

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