Duisburg. Wegen Totschlags steht ein 38-Jähriger vor dem Duisburger Landgericht. Der schwere Vorwurf: Er soll seinen kleinen Sohn getötet haben.
Ein kleiner Junge wurde am 15. Oktober 2020 mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits klinisch tot. Einen Tag später wurden die Maschinen, die den Körper künstlich am Leben erhielten, abgeschaltet. Das Kind lebte nur 99 Tage. Sein eigener Vater soll es so misshandelt haben, dass die Ärzte nichts mehr tun konnten. Nun steht der 38 Jahre alte Mann aus Beeckerwerth wegen Totschlags vor dem Landgericht am König-Heinrich-Platz.
Die Mutter des Kindes und langjährige Lebensgefährtin des Angeklagten war unmittelbar nach der Geburt des Babys gestorben. Vor und nach der Tat soll der 38-Jährige erheblich dem Alkohol zugesprochen haben. Die Anklage spricht von „massiver Gewalteinwirkung gegen den Körper, insbesondere gegen Hals und Kiefer“. Der Angeklagte soll dem Jungen auch Mund und Nase zugehalten haben, was eine dramatische Sauerstoffunterversorgung des Gehirns zur Folge gehabt haben soll.
Prozess um toten Säugling in Duisburg: Angeklagter bricht in Tränen aus
Der Angeklagte wirkte zu Beginn des Prozesses nervös. Unruhig blickte er sich immer wieder im Gerichtssaal um. Sein ganzer Körper zitterte. Als das erste Mal von seiner Tat die Rede war, brach er in Tränen aus. Immer wieder wischte er sich über die Augen. Als von der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin gesprochen wurde und von dem Wunschkind, das das Paar nach langen Bemühungen am 9. Juli 2020 bekam, schluchzte er leise.
Zum Anklagevorwurf wollte sich der 38-Jährige nicht äußern. „Wir verteidigen uns schweigend“, sagte stattdessen sein Anwalt. Das Gericht war deshalb auf das angewiesen, was der Angeklagte einer psychiatrischen Sachverständigen offenbarte: „Er hat mir gesagt, dass er keine Erinnerung an das Geschehen hat und sich nicht erklären könne, wie es dazu kommen konnte“, so die Gutachterin. „Ich weiß nicht was passiert ist“, soll der Familienvater ihr gesagt haben. „Ich denke jeden Tag darüber nach und werde damit nicht fertig.“
Familienhelfer alarmierte den Notarzt
Laut seinen Schilderungen gegenüber der Sachverständigen will der Angeklagte am nächsten Morgen auf dem Küchenboden liegend erwacht sein. „Er glaubte, das Kind schlafe noch“, gibt die Psychiaterin den Bericht des 38-jährigen wieder. Noch niemals zuvor will der Angeklagte, der schon lange ein Alkoholproblem hat, einen solchen Filmriss gehabt haben. Und noch niemals zuvor sei er unter Alkoholeinfluss gewalttätig geworden. Als er merkte, dass etwas mit dem Kind nicht stimmte – es hatte Schwellungen und Rötungen im Gesicht und am Körper, röchelte und blinzelte mit nur einem Auge – ,sei er in Panik geraten. Er kontaktierte einen Familienhelfer, der dann den Notarzt verständigte.
Mit seiner Lebensgefährtin will der Mann eine langjährige harmonische Beziehung gehabt haben. 2019 gab es bei der Frau ernste gesundheitliche Probleme. Um so mehr habe man sich gefreut, dass sie im Herbst 2019 schwanger wurde. Doch nach der Geburt stellten sich heftige Blutungen ein. Die Frau starb. Ab da habe er nur noch für das Kind gelebt, hatte der Angeklagte der Gutachterin berichtet. „Er war das größte Geschenk, das mir meine Frau machen konnte.“ Der 38-Jährige gab seinen Job auf, kümmerte sich mit einiger Hilfe von Freunden und einem Familienhelfer um seinen Sohn.
Im Verfahren kommt den medizinischen Gutachtern eine besondere Bedeutung zu: Neben der psychiatrischen Sachverständigen sind drei weitere Ärzte beteiligt. Sie sollen in ihren Gutachten vor allem zum möglichen Ablauf der Tat und zur Todesursache Stellung nehmen. Bis 11. Mai sind drei weitere Sitzungstage geplant.
>>Prozessstart musste zunächst verschoben
- Eigentlich sollte der Prozess gegen den 38-Jährigen bereits vor zwei Wochen beginnen. Doch weil in der Justizvollzugsanstalt Hamborn Corona ausbrach, wurde der Beginn der Hauptverhandlung verschoben.
- Als Vorsichtsmaßnahme wurden zunächst alle Prozesstermine, bei denen die Angeklagten in Hamborn in Untersuchungshaft saßen, abgesagt. Erst als klar war, dass neun umgehend isolierte Gefangene infiziert waren, und aufgrund zahlreicher Tests feststand, dass das bei anderen Gefangenen gefahrlos möglich war, wurden wieder Häftlinge zum Gericht gebracht.