Duisburg. Der Duisburger Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki sieht als größtes Problem in der Corona-Pandemie die Isolation – weil Kinder Kinder brauchen.

Dass Kinder unter der Corona-Pandemie leiden, ist für den Duisburger Kinder- und Jugendarzt Dr. Ralf Kownatzki keine Frage. Aber nicht die Infektion, die meist harmlos verläuft, mache ihnen zu schaffen, vielmehr sind es die Hygiene-Maßnahmen und die daraus folgende Isolation, die die kindliche Entwicklung gefährden.

Die größte Veränderung im Alltag seiner Praxis im Hamborn sei der Rückgang der Patientenkontakte, so Kownatzki. Seit Beginn der Pandemie werden Behandlungen durch Terminvergabe geregelt. „Eltern kommen seltener, nicht mehr spontan.“ Zugleich hätten die „klassischen“ Infekte durch die Corona-Hygieneregeln abgenommen.

Regelmäßige Vorsorge-Untersuchtungen sind wichtig

Dabei sei es jetzt besonders wichtig, Kontakte zu den Kindern zu halten, sagt Kownatzki, der sich als Mitbegründer des Duisburger Vereins Riskid gegen Kindesmisshandlungen engagiert. Für regelmäßige Kontakte sorgten die verbindlichen Einladungen zu den Vorsorge-Untersuchungen, an die Eltern bei Bedarf auch zweimal erinnert werden. Wenn sie dann nicht reagieren, fragt das Jugendamt nach, warum nicht. Die bis zu zehn Vorsorge-Untersuchungen bis zur Einschulung liefen auch während der Corona-Pandemie unverändert weiter, so Kownatzki.

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Was aber wegfalle seien Kontakte von Kindern zu Kindern und zu erwachsenen Vertrauenspersonen. Sobald Kinder laufen können, seien Kontakte zu Gleichaltrigen wichtig. „Das kann die Familie nicht ersetzen“, sagt Kownatzki. Zwar könnten Eltern zum Beispiel mal ein Nachbarskind zum Spielen einladen, aber das gleiche die Kita-Betreuung und den Schulunterricht auch als fachliche Förderung nicht aus.

Die Bewegung kommt zu kurz

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Und auch der Sport komme jetzt zu kurz, Bewegungsmangel schlägt sich in zusätzlichen Kilos nieder. Da bringe die Pandemie das schon lange zu beobachtende Problem der Zunahme von Kindern mit Übergewicht eine Schub in Richtung Verschlechterung. Kinder, die ihre Freizeit mit Medienkonsum und Chipsessen verbringen, legten Kilos zu und seien unbeweglicher, so Kownatzki und nennt ein Beispiel: „Die Kinder können nicht mehr auf die etwas erhöhte Untersuchungsliege hüpfen.“ Psychische Probleme durch die Isolation könnten sich etwa in Einnässen äußern, aber da sei ihm noch keine Zunahme ins Auge gefallen.

Er sei früh dafür gewesen, Lehrer und Erzieherinnen in der Impfreihenfolge vorzuziehen, sagt Kownatzki, denn: „Kinder sind Infektionsschleudern.“ Das sei eigentlich gut für eine frühe Durchimmunisierung, und warum solle das bei Covid-19 anders sein? Die Krankheit verlaufe bei Kindern zum allergrößten Teil nicht schwer, nur ganz selten müssten sie auf die Intensivstation. Nur in Einzelfällen werde die Krankheit Pims beobachtet, eine Autoimmunreaktion nach einer Covid-19-Infektion. Die sei aber in Duisburg seines Wissens nach noch nicht beobachtet worden. Das Essener Universitätsklinikum hat mit 19 Patienten bundesweite die meisten Pims-Patienten behandelt.

Engagement gegen Kindesmisshandlung

Da häusliche Gewalt während der Lockdowns insgesamt zugenommen habe, sei die Situation für Kinder auch nicht besser geworden, sagt Ralf Kownatzki, der seit über 15 Jahren mit dem Duisburger Verein Riskid für mehr Kinderschutz kämpft. Zentrales Anliegen ist, dass sich niedergelassene Ärzte bei Verdachtsfällen von Missbrauch untereinander austauschen dürfen, was ihnen die ärztliche Schweigepflicht bislang verbietet. Um mit Kollegen sprechen zu können, „müssten wir die Misshandler erst um Erlaubnis fragen.“

Manche Eltern verschleierten ihre Taten bewusst durch Doktor-Hopping, wechseln also Ärzte und Kliniken, um Verletzungen als Unfälle darstellen zu können. Die Erlaubnis zum Informationsaustausch zwischen Ärzten sollte auf Initiative der NRW-Landesregierung ins Kinder- und Jugendstärkungsgesetz aufgenommen werden, so Kownatzki: „Wir wollen als Ärzte zunächst klären, ob der Verdacht einer Misshandlung vorliegt und es dann der Jugendhilfe melden.“ Was auch Eltern vor leichtfertigen Meldungen schütze. Doch der Widerstand dagegen reißt nicht ab. Zuerst wurde mit Datenschutz argumentiert, jetzt stellten sich „manche dagegen, die ihren Schreibtisch sehr weit weg vom praktischen Geschehen haben“.

>>DER VEREIN UND DAS SYSTEM RISKID

  • Der vor 15 Jahren von Ralf Kownatzki und Kriminalkommissar Heinz Sprenger gegründete Verein hat zunächst das Risiko-Kinder-Informationssystem Riskid eingerichtet, das Ärzten hilft, sich über Verdachtsfälle von Kindesmisshandlung auszutauschen. Das rief die Datenschützer auf den Plan.
  • Jetzt will der Bundesrat den ärztlichen Informationsaustausch bei Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung und Missbrauch im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz verankern. Die Rufnummer der Medizinischen Kinderschutz-Hotline bundesweit: 0800 19 210 00.