Duisburg. Bei seiner zweiten Fachtagung im Abteizentrum Hamborn fordert der Verein Gesetze, die den Informationsaustausch unter Ärzten erleichtern.

„Zur Erleichterung des Informationsaustausches zwischen den Ärzten brauchen wir eine Gesetzesänderung für die ärztliche Schweigepflicht“, forderte Dr. Peter Seiffert am Mittwoch bei der 2. Fachtagung Kinderschutz vor 150 Fachleuten aus der Kinder- und Jugendhilfe, Pädagogen sowie von Justiz und Polizei im Hamborner Abteizentrum.

Der Chefarzt der Helios-Kinderklinik führt neben dem Duisburger Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki und dem Kriminalhauptkommissar a.D. Heinz Sprenger den Verein Riskid, der sich seit 2009 gegen Kindesmisshandlung engagiert. Riskid hat ein bundesweites Netzwerk aufgebaut, dem alle Duisburger Kinderarztpraxen und -Kliniken angeschlossen sind. „Mitmachen können aber alle Ärzte, die Kinder behandeln“, betont Ralf Kownatzki.

Einverständnis-Erklärung bei Erstbehandlung

Bei der Erstbehandlung eines Kindes lassen sich die Riskid-Mediziner von den Eltern eine Einverständnis-Erklärung unterzeichnen, dass sie mit dem Austausch von Informationen zwischen den Ärzten einverstanden sind. „Eltern wechseln bei Misshandlung oft den Arzt, damit sie nicht auffallen“, erklärt Peter Seiffert.

Deshalb sei es wichtig, dass nicht die ärztliche Schweigepflicht dem Austausch von Informationen entgegen stehe. „Das kann bei Verdachtsfällen aber auch zur Entlastung der Eltern führen“, betont Peter Seiffert. „Wir suchen keine Täter, wir schützen Kinder“, so der Chefarzt. Die Eltern seien oft nicht in der Lage, ihr Leben zu meistern, nicht selten selbst als Kinder Opfer von Gewalt geworden: „Sie brauchen Hilfe und sind dankbar, wenn sie die erfahren.“

Pro Woche zwei bis drei tote Kinder

Schon die Zahlen der Helios-Kinderklinik erschrecken: 75 Kinder, bei denen Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch vorlag, mussten im vergangenen Jahr aufgrund der Schwere ihrer Verletzungen stationär behandelt werden. „In den vergangenen zwei Wochen haben wir jeden Tag ein Kind mit Misshandlungsverdacht gesehen“, berichtet Peter Seiffert.

Um Jugendhilfe und Polizei einschalten zu können und um eine Stigmatisierung der Eltern zu vermeiden, dürfe es aber „keine halbgaren Diagnosen geben“, betonen die Ärzte.

Informationsaustausch ist nicht rechtssicher

Deshalb setzt sich Riskid nachdrücklich für eine gesetzliche Änderung ein, die einen rechtssicheren Informationstausch unter den Ärzten ermöglicht. „Wir haben aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht derzeit noch die absurde Situation, dass wir die potenziellen Misshandler zunächst um Erlaubnis bitten müssen“, sagt Ralf Kownatzki. Das Kinderschutz-Gesetz von 2012 habe „nichts daran geändert, dass wir pro Woche bundesweit zwei bis drei tote Kinder haben“, so Heinz Sprenger.

In einem Gespräch mit den Bundestagsfraktionen will der Vorstand im Februar Druck machen, damit die im Berliner Koalitionsvertrag formulierte Absicht, den Austausch zu verbessern, umgesetzt wird. Auch die NRW-Landesregierung müsse dazu im Bundesrat auf eine Gesetzesänderung hinwirken, erklärt Ralf Kownatzki. Wichtig sei vor allem aber, dass sich so viele Ärzte wie möglich bei Riskid beteiligen, sagt Peter Seiffert: „Es ist entscheidend, dass die Netzwerke vor Ort funktionieren.“

>>> Gerd Unterberg-Preis für Dr. Thomas Fischbach

Der Gerd-Unterberg-Preis – er erinnert an den verstorbenen Duisburger Staatsanwalt und seinen Einsatz für den Kinderschutz – verlieh Riskid am Mittwoch an Dr. Thomas Fischbach. Er ist Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland.

Fischbach habe die Anliegen des Vereins stets unterstützt, lobt der Riskid-Vorstand, der sich durch den Preisträger auch einen bundesweiten Werbeeffekt erhofft. Erstmals war auch eine Delegation aus Bayern zur Tagung nach Hamborn angereist. Info: www.riskid.de