Duisburg. Hafenchef Erich Staake (67) wurde schon im Januar geimpft – laut Hafen mit Restimpfstoff. Gegen diese Erklärung sprechen Aussagen Beteiligter.

Ist Duisburgs Hafenchef Erich Staake der bekannteste ertappte „Impfdrängler“ des Landes NRW? Und obendrein ein besonders dreister? Konfrontiert mit detaillierten Vorwürfen eines anonymen Informanten, hat ein Duisport-Sprecher unserer Redaktion bestätigt: Der 67 Jahre alte Vorstandsvorsitzende ist bereits am 13. Januar und am 3. Februar in einem Hewag-Seniorenstift geimpft worden, obwohl er nach der Impfverordnung bis heute noch nicht an der Reihe wäre. Staake habe sich „entschieden, an einer Impfung teilzunehmen, bei der Restdosen zur Verfügung standen“. Der Hafen – der zu zwei Dritteln dem Land und zu einem Drittel der Stadt Duisburg gehört – rechtfertigt sich weiter, er sei „als systemrelevantes Unternehmen eingestuft“, und Staake habe im ersten Quartal sechs notwendige Geschäftsreisen ins Ausland unternehmen müssen. Allerdings: Am 13. Januar war im Hewag-Seniorenstift an der Karl-Lehr-Straße in Duisburg-Neudorf offenbar gar kein „Restimpftoff“ übrig. Im Gegenteil.

Stadt Duisburg: Hafen-Chef Staake „nicht mit Restimpfstoff geimpft“

„Es fehlten sogar Impfdosen für berechtigte Mitarbeiterinnen“, sagt Stadtsprecherin Anja Kopka. Darum seien nach der Verimpfung der Biontech-Vakzine im Heim abends außerplanmäßig Impfungen „von vier oder fünf Personen“ der Prioritätengruppe 1 im Duisburger Impfzentrum nachgeholt worden.

Kopka bekräftigt: Hafenchef Erich Staake – „und andere Personen“ – seien im Hewag-Stift „ausdrücklich nicht mit Restimpfstoff, sondern priorisiert durch den heimversorgenden Arzt geimpft“ worden.

Der Hafensprecher entgegnet, das könne er nicht bestätigen: „Nach meinem Kenntnisstand ist das nicht der Fall gewesen.“

Impfarzt will Erich Staake „nicht gekannt“ haben

Der „zugezogene Impfarzt“ war Dr. Stephan Bock, Hausarzt in Marxloh. Dort bringt der 59-Jährige auch in der „Beauty Lounge“ an der Weseler Straße seine Erfahrung als Ringarzt bei Klitschko-Boxkämpfen ein. Vize-Präsident beim MSV Duisburg war Bock auch schon. Und an jenem Mittwoch Mitte Januar vom Hewag-Stift beauftragt, 68 Heimbewohner und 22 Mitarbeiter zu pieksen.

In dem Hewag-Seniorenstift an der Karl-Lehr-Straße in Duisburg-Neudorf ließ sich Hafenchef Erich Staake impfen.
In dem Hewag-Seniorenstift an der Karl-Lehr-Straße in Duisburg-Neudorf ließ sich Hafenchef Erich Staake impfen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

„Ich und eine andere Ärztin haben an dem Tag geimpft“, bestätigt er. Und behauptet: „Ich weiß nicht, ob ich Herrn Staake geimpft habe oder die Kollegin.“ Die Impfärzte kontrollierten nicht, „wer auf der Liste steht“. Diese Kontrolle erfolge in den Hewag-Heimen vor dem Impfraum. „Und wir impfen dann, wer im Impfraum ist.“ Staake habe er „vorher nicht gekannt“, versichert Bock.

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Einem der Anwesenden aber muss der stadtbekannte Gast aufgefallen sein. Zumal der 67-Jährige mit Walter Hellmich befreundet ist: Zur Unternehmensgruppe des ehemaligen MSV-Bosses gehören die Hewag-Seniorenstifte. Zu den Impfungen in Neudorf rückte jedenfalls die alarmierte Feuerwehr wegen der vier, fünf „hausfremden Personen“ an, zu denen auch Staake zählte. Die Feuerwehrleute unterbrachen die Impfung nach Informationen unserer Redaktion sogar wegen Staake.

Hellmich: „Aus unserer Sicht sind die Impfungen von Herrn Staake nicht zu beanstanden“

Dessen Einsatz für Hewag (und nicht den drohenden Verfall von Restimpfstoff) führt die Hellmich Vita Verwaltungs GmbH nach einem Anruf bei Geschäftsführer Marc Hellmich in einer schriftlichen Stellungnahme als Erklärung dafür an, dass der Hafen-Manager in einem ihrer Heime geimpft wurde – „im Zuge der Impfaktion“, so die Vita-Formulierung.

Staake sei seit Jahren ehrenamtlicher Beirat der Hewag-Gruppe, sein Rat in der Corona-Krise sei „besonders wichtig und hilfreich“ gewesen. „Aus unserer Sicht sind die Impfungen Herrn Staakes nicht zu beanstanden“, so das erstaunlich selbstbewusste Fazit.

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Der Hafen erklärt im selben Sinne, Duisport habe im ersten Teil-Lockdown „tatkräftig dazu beigetragen, in Duisburg Senioren- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser mit Schutzkleidung und Schutzmasken in kürzester Frist zu versorgen.“ Für die Ständige Impfkommission (STIKO) dagegen spielten persönliche Verdienste wie diese bei der Festlegung der Prioritätengruppen überhaupt keine Rolle.

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Und als unsere Redaktion den Hafen und Staake am 12. Februar erstmals mit „Impfvordrängler“-Vorwürfen konfrontiert hatte, antwortete ein Sprecher noch, dies sei „die Privatangelegenheiten einer einzelnen Person“. Darum könne die Hafen AG dazu keine Auskunft erteilen.

Duisburgs Oberbürgermeister: „Da hört bei mir jedes Verständnis auf“

In einem Brief an unsere Redaktion hatte der anonyme Informant nun auch berichtet, sich bereits an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) gewandt zu haben – „passiert ist nix“.

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) war einige Stunden zuvor dagegen deutlich geworden. Er kritisierte die vorgezogene Corona-Impfung des Hafenchefs scharf: „Hunderttausende Menschen haben sich in den vergangenen Wochen die Finger wund gewählt, um einen Impftermin zu bekommen“, sagte Link zu den „Impfdrängler“-Vorwürfen. Wer meine, „den Weg zur Spritze abkürzen zu können, schadet dem ohnehin angeschlagenen Vertrauen in der Bevölkerung massiv“.

Der zugezogene Impfarzt Dr. Stephan Bock ist unter anderem aus seiner Zeit im MSV-Vorstand bekannt.
Der zugezogene Impfarzt Dr. Stephan Bock ist unter anderem aus seiner Zeit im MSV-Vorstand bekannt. © EICKERSHOFF, Stephan

Der Oberbürgermeister bekräftigte in Richtung des Duisport-Vorstands sogar – offenbar bereits im Bilde: „Sich danach auch noch als Retter von wertvollen Impfdosen, die sonst weggeworfen würden, aufzuspielen: Da hört bei mir jedes Verständnis auf.“

NRW-Ministerium schweigt, Duisport-Aufsichtsrat berät

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Aus dem Umfeld des Duisport-Aufsichtsrates war am Abend zu hören, dass der Vorgang in der kommenden Sitzung auf die Tagesordnung kommen solle.

Das Düsseldorfer Verkehrsministerium erklärte auf Anfrage am Mittwoch: „Wir kommentieren das nicht.“

>> HAFEN-SPRECHER ZU WEITEREN VORWÜRFEN UND GESCHÄFTSREISEN

■ Ein Hafen-Sprecher sagte zur Impfung außer der Reihe, „die bestmögliche Ausübung seiner Tätigkeit erfordert von Herrn Staake internationale Mobilität.“ Staake sei im ersten Quartal in Istanbul, Rotterdam, Warschau, Bukarest, in der Schweiz und in Minsk gewesen.

■ „Diese Aktivitäten wären mit langen Quarantänezeiten nicht vereinbar gewesen.“ Warum die Geschäftspartner nicht online konferierten? „Die persönliche Anwesenheit kann in unserer Branche den Geschäftserfolg beeinflussen“, so der Sprecher.

■ Er geht auch auf Vorwürfe des anonymen Informanten ein, Erich Staakes Lebensgefährtin sei ebenfalls geimpft und von Fahrern abgeholt worden: Staake lässt mitteilen, die in dem Brief genannte Frau sei „ausdrücklich nicht die Lebenspartnerin von Herrn Staake“. Und: „Sie wurde nicht von Mitarbeitern der Duisburger Hafen AG zu ihrem Wohnort gefahren oder abgeholt.“