Duisburg. An den Duisburger Schulen haben die Selbsttests begonnen. Viele Eltern haben widersprochen, nur die Hälfte der Hälfte ist da. Ein Testbericht.
Seit Montag testen sich im Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Duisburg-Marxloh Schüler auf Corona. Statt im Mathe-Unterricht hocken sie in einem improvisierten Testzentrum in der Turnhalle und folgen konzentriert den Anweisungen ihrer Lehrer, die mit den Schülern Schritt für Schritt den Nippel durch die Lasche ziehen.
Für die Selbsttests wurde improvisiert: Drei Stepper übereinander ergeben einen Tisch, die Elemente von Turnkästen sind hochkant aufgestellt auch groß genug für eine Ablage. Der Platz im Handballtor wird ebenso genutzt wie der im Wurfkreis. Und das in Straßenschuhen! Das System Schule scheint nach einem Jahr Pandemie leicht regelmüde.
Der Selbsttest in Duisburg: „Weinen und würgen“ vor der großen Pause
Kerim sitzt in der ersten Reihe und zeigt keine Angst: „Ich hab schon so viele Tests gemacht“, berichtet der Zwölfjährige. Seine Sitznachbarin Marina zwei Meter weiter ist etwas zaghafter: Nach einem Test beim Arzt, der „richtig schlimm“ war, sorgt sie sich vor dem Prozedere. „Weinen und würgen“ – das möchte sie ungern vor der großen Pause.
Doch nun geht es los: Als erstes das Wattestäbchen aus der länglichen Tüte schälen. Daran scheitert eins der Inklusionskinder trotz hartnäckigem Gefummel, ein Lehrer hilft. Dann Maske ab, den Kopf in den Nacken legen und in jedem Nasenloch je 15 Sekunden zwei Zentimeter tief herumbohren. Zwei Zentimeter sind mitten im Gesicht eine Frage von Mut und Schätzkunst. „So dass es tief ist, aber nicht weh tut“, mahnt Lehrer Sascha Völkel an. „Ich will ja keinen Gehirnabstrich machen“, witzelt Kerim. Manche bohren entspannt in der Nase herum, andere verziehen angewidert das Gesicht. Bevor die Maske wieder aufgesetzt wird, niesen und husten einige.
Die Schüler müssen mit dem Wattestäbchen „zehnmal umrühren“
Sascha Völkel hat sich Selbsttests bei Aldi gekauft, da das Ministerium die Nutzung der Schul-Tests für Lehrer untersagt hatte. Der Mathe- und Physiklehrer wollte bei diesem besonderen Experiment nicht unvorbereitet vor seine Schüler treten. Jetzt leitet er sie souverän durch das Prozedere.
Das Wattestäbchen muss nun in die Flüssigkeit eines Röhrchens getaucht werden – „zehn mal umrühren!“. Und schließlich sollen vier Tropfen davon auf den Teststreifen. Die präzise Dosierung ist nicht leicht, manches landet auf dem Turnhallenboden.
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Ab jetzt gilt’s. Die Stoppuhren auf den Handys laufen – nach 15 Minuten soll das Ergebnis stehen. Bei Kerim und Marina bleibt es bei einem Streifen: Negativ. Bei Salih passiert nichts, kein rosa Streifen nirgends. Er bleibt und macht den Test noch mal.
Gregor Tyczkowski zieht mit dem Rest seiner Klasse ab. Normalerweise unterrichtet er Physik, Chemie und Mathe, diese Stunde in der Turnhalle ist für ihn „ein Probelauf.“ Nur so könne der Schulbetrieb nach den Osterferien wieder anlaufen. Er selbst ist aber entspannt: „Ich hatte schon Corona, bin jetzt hoffentlich immun.“
Tag eins der Schnelltests: Keine positiv getesteten Kinder am Elly
Die zweite Hälfte der Turnhalle bleibt an diesem Vormittag ungenutzt: Hier sollten positiv getestete Kinder warten, bis sie von ihren Eltern abgeholt werden. Eine Lösung, die Erprobungsstufenkoordinator Christian Fremder Bauchschmerzen bereitet: „Ist einer positiv getestet und ist es gar nicht, hat er gute Chancen, sich dort anzustecken.“ Für alle anderen Eventualitäten – Nasenbluten oder Panik etwa – seien die Schulsanitäter in Bereitschaft.
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Die Aussagekraft der Tests hält sich ohnehin in Grenzen, weil manches Kind das Stäbchen nicht weit genug in die Nase schob. Vor allem aber: Es sind nur wenige da: „Die Hälfte von der Hälfte“ wird an diesem Vormittag beim Durchzählen der Standard. Durch den Wechselunterricht sind nur halbe Klassen am Elly - und von denen testet sich eben nur die Hälfte. Hunderte Eltern legten Widerspruch ein. Warum? „Mit diesen Zahlen haben wir nicht gerechnet“, sagt Fremder. „Wir müssen nachhorchen, welche Beweggründe vorliegen.“ Und dann müsse überlegt werden, „ob besser aufgeklärt werden muss oder ob es andere Wege gibt, die Tests zu etablieren und für mehr Akzeptanz zu sorgen“.
Ursachenforschung: Warum lehnen Eltern die Selbsttests ab?
Manche mutmaßen, dass die nahen Osterferien der Grund sind. Ein positiver Test könne Reisepläne zunichte machen. Der Schulpflegschaftsvorsitzende Arthur Wehnke hat eher die neuen Quarantäne-Regeln im Verdacht. Wo es zuvor genügte, dass der positiv Getestete daheim bleibt, gelte dies nun für die ganze Familie. „Das kann sich beruflich vielleicht nicht jeder leisten“, befürchtet der Elternvertreter.
Auch in der Lehrerschaft gibt es die Sorge vor einer Ferien-Quarantäne, sagt Fremder: Die Zeit seit Weihnachten sei lang und der Distanzunterricht hart gewesen, alle sehnen die Ferien herbei.
Wehnkes Tochter ist Donnerstag dran. Er findet das gut, nur mit Tests könne man „die Gefahr bannen“. Die letzten Tests am Elly sind Freitag – am letzten Schultag.