Duisburg. Die Abschlussklassen sind wieder im Präsenzunterricht – unter Pandemiebedingungen ein Spagat. So funktioniert’s im Duisburger Mercator-Gymnasium.

Am Mercator-Gymnasium wird Schulgeschichte geschrieben. Seit Montag unterrichten die Lehrer an zwei Orten gleichzeitig. Über 200 Schüler der Abschlussjahrgänge sind zurück im Präsenzunterricht, allerdings in aufgeteilten Kursen, um Abstände wahren zu können. Unterrichten im Pendelverkehr, wie funktioniert das?

„Jeden Tag besser“, hofft Silke Schmidt. Sie gehört zu den Lehrerinnen, die man in diesen Tagen häufig auf dem Flur antrifft. Schnell stellte sie fest, dass es langweilt, die einen nur Blätter bearbeiten zu lassen, während die anderen unterrichtet werden. Deshalb hat sie ihr Programm für den Deutschkurs optimiert:„Wir machen jetzt konsequent Prüfungsvorbereitungen und die Schüler arbeiten an unterschiedlichen Aufgaben.“

Lehrerin Silke Schmidt sorgt sich, wie eine Abi-Klausur mit FFP2-Masken zu schaffen ist.
Lehrerin Silke Schmidt sorgt sich, wie eine Abi-Klausur mit FFP2-Masken zu schaffen ist. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Bessere Konzentration in der Schule

Ihre Schüler nehmen das mit gemischten Gefühlen wahr. Fabian befürchtet: „Uns fehlt was, wenn der Lehrer von 90 Minuten nur 45 da ist.“ Adrian ist einfach nur glücklich, wieder in der Schule zu sein, auch wenn es „nicht optimal und nicht effektiv ist, aber zuhause konnte ich mich gar nicht konzentrieren.“

Angst vor Ansteckung haben die Schüler nicht. Mit Abstand und Maske, Durchzug und Rechtsverkehr auf den Fluren sei das Risiko überschaubar. Nur diejenigen, die mit Bus oder Bahn kommen, hadern.

Auch mit der Maske haben sich die meisten arrangiert. Dunya (18) graut es aber vor der nächsten Stunde des Sport-Leistungskurses. Da sich in den Kooperationsbereichen Schüler aus sechs Innenstadt-Schulen mischen, ist auch draußen eine FFP2-Maske Pflicht, „da kriegt man nicht gut Luft beim Laufen“, sagt die 18-Jährige. Bei einer so starken Durchmischung von Schülern könne man Infektionsketten aber nicht nachvollziehen, begründet Schulleiterin Dr. Wibke Harnischmacher die Maßnahme.

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Auch Silke Schmidt hat sich leidlich an die Maske gewöhnt. Nach einem ganzen Tag sei ihr aber „schon mal schwindelig“. Sorgen bereiten ihr außerdem die Abi-Prüfungen. Eine Leistungskurs-Klausur dauert viereinhalb Stunden, da brauche es Regelungen für Atempausen oder die Möglichkeit, etwas zu trinken. Bevor sie in die andere Klasse springt, wird jetzt aber erst mal diskutiert: Sprachverfall ist das Thema.

„Ich habe Schule noch nie gemocht“, sagt Max, jetzt genießt er es

Während in den Kursen der Q2, also der angehenden Abiturienten, die Stimmung ernst und konzentriert ist, geht es in der Q1 ein bisschen gelassener zu. Max (17) bekennt offen: „Ich habe Schule noch nie gemocht, aber seit Corona genieße ich es total, wieder zur Schule zu gehen.“ Die Zeit des Distanzunterrichts habe ihn immerhin auf die Zukunft als Student vorbereitet, dann sei selbstständiges Arbeiten erst recht gefragt.

Eine Etage höher, im Grundkurs Pädagogik, hat Christin Young die Schüler danach getrennt, ob sie schriftlich oder mündlich geprüft werden – der eine Raum ist für das Klausurentraining bestimmt, der andere recherchiert zu einem neuen Thema. Mit dem Smartphone! Damir feiert es, dass das Digitale in der Schule mehr Normalität bekommt. Wenn sie jetzt noch ins Schul-Wlan könnte und nicht ihr eigenes Datenvolumen nutzen müsste, wäre alles eitel Sonnenschein. Aber auch da weiß sich die Klasse zu helfen, bildet Hotspots für jene, die sonst nicht ins Netz kommen.

Für die Lehrer läuft der Wechsel nicht nur zwischen den Räumen. Nach dem Präsenz- ist vor dem Distanzunterricht, die nächste Klasse wartet auf ihre Videokonferenz.

Schüler sind reifer aus dem Lockdown gekommen

Im Schulgebäude ist die Zeit ein bisschen stehengeblieben. Auf einem Fenster fährt noch der Nikolaus mit seinem Schlitten. Vor dem Sekretariat hängt das Plakat des letzten Abi-Jahrgangs mit einem Abbild Mercators, der einen Mundschutz über dem mächtigen Bart trägt: „Das Abimotto ist in Quarantäne“.

Dr. Wibke Harnischmacher, die Leiterin des Mercator-Gymnasiums, hat festgestellt, dass ihre Schüler reifer aus dem Lockdown gekommen sind.
Dr. Wibke Harnischmacher, die Leiterin des Mercator-Gymnasiums, hat festgestellt, dass ihre Schüler reifer aus dem Lockdown gekommen sind. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Schulleiterin Harnischmacher sieht man den Stolz auf ihre Schülerschaft an: „Sie sind reifer aus dem Lockdown gekommen“, die Selbstorganisation habe gut geklappt. Allerdings seien die Schüler auch nicht mehr so unbeschwert. Gefordert seien auch die Kollegen, immerhin zehn Risikolehrkräfte würden zum Unterrichten kommen, auch wenn sie sich Sorgen machen. Man helfe sich gegenseitig bei technischen Fragen, für das kollegiale Miteinander gebe es eine wöchentliche gemeinsame Mittagspause.

Mit lauter Stimme in der Aula unterrichten

Kathi Schuberth ist die einzige an diesem Tag, die alle Schüler ihres Deutschkurses versammelt hat. Dafür ist sie in die 360 Quadratmeter große Aula gezogen, wo es ordentlich Stimmvolumen braucht, um durch die Maske bis in die letzte Reihe vorzudringen. Trotzdem: „Ich war lange nicht mehr so glücklich.“ Im direkten Gespräch gehe vieles leichter. Außerdem „fühle ich mich absolut sicher“. Es sei zwar anstrengend mit der Maske, aber „im Großen und Ganzen ist es wie immer“.

In der 360 Quadratmeter großen Aula des Mercator-Gymnasiums können alle Schüler des Deutsch-Kurses gleichzeitig sitzen. Lehrerin Kathi Schuberth braucht allerdings ordentlich Stimme, um bis in die letzten Reihen vorzudringen.
In der 360 Quadratmeter großen Aula des Mercator-Gymnasiums können alle Schüler des Deutsch-Kurses gleichzeitig sitzen. Lehrerin Kathi Schuberth braucht allerdings ordentlich Stimme, um bis in die letzten Reihen vorzudringen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Aymen ist froh, dass hier alle gemeinsam sitzen. „Sobald ein Kurs aufgeteilt wird, fühlt es sich an, als würde man die Hälfte verpassen.“ Aber so oder so – „das Lernen fällt leichter, wenn man sich direkt austauschen kann“, hat Gabriel festgestellt. Pablo ist regelrecht happy, „im Distanzunterricht bin ich mit Mathe nicht klargekommen, heute habe ich es in zehn Minuten verstanden“.

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Glücklich ist auch Berna Demihan, die Lehramtsstudentin kann ihr Blockpraktikum jetzt auch vor Ort absolvieren, „anfangs habe ich nur den Distanzunterricht beobachtet“. Bei aller berechtigten Angst vor dem Virus findet sie, dass man die mentale Gesundheit der Schüler nicht aus dem Blick verlieren dürfe.

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Jene Kinder, bei denen technische Voraussetzungen fehlen oder die Unterstützung in der Familie, werden in der Schule betreut. Müfit etwa sitzt in der Study Hall und macht seine Musik-Hausaufgaben. Daheim habe er den Videokonferenzen nicht immer beitreten können, hier bekomme er bei Bedarf Hilfe.

Thorsten Allekotte, Schulsozialpädagoge am Mercator-Gymnasium, hilft dem elfjährigen Emir bei seinen Schulaufgaben.
Thorsten Allekotte, Schulsozialpädagoge am Mercator-Gymnasium, hilft dem elfjährigen Emir bei seinen Schulaufgaben.

Schulsozialarbeiter Thorsten Allekotte unterstützt die Kinder, bei der Vielfalt der Aufgaben nicht den Überblick zu verlieren und pünktlich in Konferenzen zu sitzen – und er fungiert als IT-Experte. „Die Kompetenzen müssen wir hier entwickeln“, betont er. Nach seiner Beobachtung stecken viele Kinder die Pandemie-Belastungen gut weg, „aber wer es vorher nicht leicht hatte, bekam im Lockdown erst recht Schwierigkeiten“.