Duisburg. Die Abschlussklassen sind zurück im Präsenzunterricht. Wie sich die Schüler in Duisburg auf ihr Abi vorbereiten und welche Probleme Corona macht.
In Grüppchen stehen sie vor der Schule und quatschen. Auch wenn alle einen Mundschutz tragen: Diese Begegnung haben die Schüler der Lise-Meitner-Gesamtschule und des Krupp-Gymnasiums in Duisburg vermisst, seit sie Mitte Dezember in den Distanzunterricht wechseln mussten.
Klaus Stephan, Leiter der Lise-Meitner-Gesamtschule, konnte am Montag rund 300 Schüler der Abschlussklassen begrüßen und sagt ganz klar: „Ich kann das verantworten!“ Der Mathelehrer hat alle Wahrscheinlichkeiten im Kopf, daher hält er nicht mal das Vorziehen seiner Berufsgruppe bei den Impfungen für nötig. „Die Gefahr ist nicht größer als beim Einkaufen.“ Risikopatienten sollen natürlich zu Hause bleiben, es gebe auch Kollegen, die sich um die Gesundheit ihrer Angehörigen sorgen, aber immerhin 95 Prozent des Unterrichts könne er mit dem Kollegium darstellen. „Mich lässt es deutlich ruhiger schlafen, dass die Inzidenz-Werte runtergegangen sind.“
Im Distanzunterricht ging ein Drittel der Schüler verloren
Ein mulmigeres Gefühl hätte Stephan, wenn es weiter ginge mit dem Distanzunterricht. Ein Drittel der Schüler habe er in den vergangenen Wochen „verloren“, wegen der fehlenden Unterstützung der Eltern, wegen der mangelnden technischen Ausstattung, wegen geringer Selbstmotivation. „Ein Viertel hat keinen Zugang“, sagt er.
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Die technischen Voraussetzungen würden bei vielen fehlen, und auch an der Schule stoßen die Systeme an ihre Grenze, Leihgeräten und Study Halls zum Trotz. Für die Abschlussklasse gebe es bis zum Abi deshalb zusätzliche Angebote auf freiwilliger Basis, „damit sich alle besser vorbereitet fühlen.“
Der Stresstest: Abivorbereitung ohne Internetzugang
Kai Matenaer gehört zu den Abiturienten, die in neun Wochen die letzten Prüfungen haben werden. Die Videokonferenzen seien gut gewesen und hätten ihn vorbereitet, lobt er. Aber es fehlte bei vielen Aufgaben die Möglichkeit, sofort beim Lehrer nachfragen zu können, bedauert der 19-Jährige. So mancher Mitschüler habe allerdings regelmäßig gefehlt.
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Mitschülerin Jennifer Horstmann etwa hat daheim keinen Internetzugang. Trotz Corona habe sie deshalb bei Freunden in deren Wlan gelernt, das war ihr lieber, als das Angebot der Schule zu nutzen. Vorbereitet fühlt sie sich dennoch nicht: „Wir haben im letzten Sommer keine Klausuren geschrieben, die Übung fehlt einfach.“ Von anderen Mitschülern wissen sie, dass sie sich mit ihren Geschwistern einen PC geteilt haben, den jüngeren auch helfen mussten. Da sei der Druck noch größer.
„Druckbetankung“ vor dem Abi in neun Wochen
Apropos – eine Druckbetankung fürchten sie für die nächsten Wochen, um alles zu schaffen. Mit seiner Vorliebe für ein Durchschnitts-Abi steht Nils Bazusk allerdings alleine da. „Wir kriegen das Abitur nicht hinterhergeworfen“, betont Kai Matenaer, im Gegenteil. Den Ruf eines „Corona-Abi“ will keiner.
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Angst vor Ansteckung verspüren die Schüler nicht, in der Stufe hatten bisher ein oder zwei Corona, sagt Hendrik Wegmann. Es werde durchgehend gelüftet, und mit Maske sei das kein Problem. Abi also – und dann? Einen klaren Plan für die Zeit danach hat nur Nils Bazusk, der 18-Jährige wird eine Ausbildung als Industriekaufmann bei ThyssenKrupp beginnen und hofft, dass das Leben bis dahin wieder „ein bisschen normaler“ ist. Die anderen haben Pläne fürs Studium, stecken in Bewerbungsverfahren, aber alles ist wegen Corona „unsicher“, „unklar“, „noch offen“. Jennifer Horstmann wird wegen Corona ihre Studienpläne gar auf Eis legen und erst mal eine Ausbildung machen.
Schüler am Krupp-Gymnasium schützen sich mit FFP2-Masken
Ein paar Kilometer weiter, im Krupp Gymnasium, kann Schulleiterin Benedikte Herrmann rund 170 Kinder der Q1 und 2 (Jahrgangsstufen 11 und 12) sowie den Abschlussjahrgang einer Internationalen Vorbereitungsklasse begrüßen. „Jetzt bin ich endlich nicht mehr alleine in der Schule!“, freut sie sich, was ist auch eine Schule ohne Schüler.
Happy sind auch Zehra Cilli, Ahmet Karaburut und Anna Pawlik, die drei gehören zur Schülervertretung des Gymnasiums und „froh, wieder zur Schule gehen zu dürfen. Der Tag habe so wieder „mehr Struktur“, sagt Cilli, „das frühe Aufstehen nehme ich gern in kauf“, sagt Karaburut, und „man lernt viel mehr“, glaubt Pawlik. Die Zeit sei hart gewesen, sagt Karaburut, „ich war praktisch nur im Zimmer eingeschlossen und habe Aufgaben gemacht.“ Ermüdend sei dabei die fehlende Vielfalt der Lehrmethoden gewesen. Gruppenarbeit etwa fehlte ihm.
Auslandsaufenthalte sind gestrichen, Zukunftspläne liegen auf Eis
Cilli, die gleich am Dienstag eine Vorabiklausur meistern muss, ist froh, am Montag noch mal in echter Begegnung mit dem Lehrer letzte offene Fragen klären zu können. Die Abiturientin wäre gern als Au-pair nach Amerika gegangen, doch das ist gestrichen wie so viele Auslandspläne ihrer Mitschüler, „viele wissen nicht, was sie nach dem Abi machen. Corona hat alle verunsichert, deshalb wollen sie erst nach den Prüfungen ein neues Kapitel aufschlagen“, sagt die 18-Jährige.
Als der Jahrgang mit dem Corona-Abi möchte sie nicht in die Geschichte eingehen – ein bisschen Rücksichtnahme der Unis bei den Zulassungsvoraussetzungen für das Studium würde sie allerdings begrüßen. Positiver sieht Schulleiterin Herrmann die Leistungen ihrer Schüler. Sie glaubt, dass die Pandemie viele wichtige Fähigkeiten zum Vorschein gebracht habe. „Der Kompetenzgewinn ist enorm“, bei Lehrern wie Schülern.
Bliebe die Frage nach angemessenen Feierlichkeiten. An Gesamtschule wie Gymnasium hoffen die Abiturienten noch auf einen zünftigen Abschluss. Das Geld sei gesammelt, die Säle gebucht – und dass sie flexibel sind, haben sie in ihrem letzten Schuljahr mehr als einmal bewiesen.