Duisburg. Die Herbert-Grillo-Gesamtschule in Duisburg Marxloh erreicht fast alle Schüler mit dem digitalen Distanzunterricht - auch Zuwandererkinder.
Es läuft total gut mit dem Distanzunterricht in der Herbert-Grillo-Gesamtschule in Duisburg-Marxloh. Das finden jedenfalls die 60 Lehrer des Kollegiums. Ihre Schule liegt mitten im Brennpunkt und mithin könnte man anderes erwarten.
Fast alle Kinder machen mit beim Distanzunterricht, betont Thomas Zander, auch die Zuwandererkinder. Der Schulleiter ist stolz auf diese Erfolgsgeschichte. Lediglich 60 Schüler hätten sich trotz mehrfacher Aufforderung nicht an Videokonferenzen beteiligt, keine Aufgaben erfüllt. Daraufhin seien die Sozialpädagogen aktiv geworden, erst telefonisch, später zum persönlichen Hausbesuch, erzählt Zander.
Seine Kollegen haben dabei von wohlsortierten Familien bis zu desolaten Wohnverhältnissen alles vorgefunden. 20 Kinder konnten sie einfangen und in den schulischen Alltag einbinden, einige brauchen noch einen Schubs. Bei manchen werde es wegen des "Schulabsentismus" auch Bußgeldverfahren geben. Aber: "Wir erleben überwiegend ein großes Bemühen der Schüler", betont der 52-Jährige.
Hohe Fluktuation in der Nachbarschaft der Gesamtschule in Marxloh
Rund um die Gesamtschule häuft sich Sperrmüll in den Gebüschen, vermüllte, leer stehende Häuser stehen drum herum. Im Einzugsbereich der Schule herrscht hohe Arbeitslosigkeit, Zuwanderung, viel Fluktuation in der Nachbarschaft.
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Eine große Baugrube kündet davon, dass hier bald der Campus Marxloh als Bildungs- und Integrationsort Wirklichkeit wird. Die Schule begreift sich schon lange als Stadtteilschule, bei der Vernetzung alles ist. Dieses gelebte Miteinander werde mit dem Campus Marxloh "in Steine gegossen", so Zander.
An seiner Schule haben über 90 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Bei den zugezogenen Familien aus Südosteuropa beobachtet er einen "großen Willen, dass aus den Kindern was wird". Dem großen kulturellen Unterschied, dass nicht Schule, sondern Familie an erster Stelle steht, begegne er mit Elternarbeit - und klugen Lösungen: Damit die Kinder zur Schule gehen können und nicht ihre Eltern bei Behördengängen unterstützen müssen, werden etwa Dolmetscherdienste vermittelt. "Wir nehmen die Situation der Familien ernst", betont Zander, "und wir zeigen, dass uns die Kinder wichtig sind." Gegenseitige Wertschätzung sei der Schlüssel.
Tägliche Lernroutine für 700 Schüler - der Tag beginnt mit einer Videoschalte
In den Betreuungsräumen herrscht konzentrierte Stille. Überall stehen Fenster und Türen auf, an den Steckdosen hängen Tablets zum Laden. Nur manchmal muss Betreuerin Anastasia Kondziak an die Benutzung der Kopfhörer erinnern, wenn eine Videokonferenz losgeht. "Ich lerne hier viel", sagt Firmeza aus der 5d. Mathe macht sie am liebsten, Englisch sei noch schwierig, erklärt die Zwölfjährige und zupft den Mundschutz zurecht. Dann tippt sie auf ihrem Tablet das nächste Arbeitsblatt an.
Das Kollegium hat sich für seine 700 Schüler auf eine tägliche Lernroutine geeinigt. Diese orientiert sich stark am Plan des Präsenzunterrichts, inklusive Klassenbucheintrag und Krankmeldung: Jede Klasse beginnt morgens mit einer Videoschalte, in der die Klassenlehrer überprüfen, wie es den Schülern geht, ob sie Unterstützung brauchen oder auch mal eine Ermahnung. Der Tag ist in zwei Blöcke geteilt, von 9 bis 12 und von 13 bis 15 Uhr. Die Schüler arbeiten Aufgaben in ihren Fächern ab und können jederzeit mit dem Lehrer schreiben, telefonieren oder eine Videosprechstunde nutzen.
Digitales Arbeiten hat die Schule im Präsenzunterricht geübt
Die Schule profitiert davon, dass sie seit den Sommerferien konsequent das digitale Arbeiten im Präsenzunterricht trainiert hat. "Wir haben zwar zwischendurch befürchtet, dass es wegen fehlender Technik womöglich umsonst ist, aber der Schulträger hat enorm aufgerüstet in Sachen Endgeräte und Breitbandausstattung", lobt Zander.
Als es in den Distanzunterricht ging, konnten jedenfalls alle die digitalen Module nutzen - auch die nicht so technikaffinen Lehrer. Bezahlt mache sich auch, dass innerhalb der einzelnen Fächer schon seit Jahren gemeinsam digitale Arbeitsmaterialien entwickelt werden, die allen zur Verfügung stehen.
"Eltern sollen nicht Lehrer spielen müssen"
Und wie funktioniert das mit Kindern, die noch gar kein Deutsch sprechen? Gänzlich ohne Sprachkenntnisse sei derzeit kein Kind, sagt Zander. Die Sprachlerner bekommen grundsätzlich den gleichen Stundenplan, manche Aufgaben werden für sie aber in vereinfachter Form gestellt. Die Lehrer nutzen außerdem Apps wie Anton, über die man online sprechen üben kann. In zusätzlichen Sprechstunden könne der Lernerfolg überprüft und gefestigt werden.
Zander betont, dass für die Förderung auch die jeweiligen Fachlehrer zuständig sind. Diese wiederum stehen im engen Austausch mit den Betreuern. Die Devise lautet: "Die Eltern sollen nicht Lehrer spielen müssen."