Duisburg. Die Initiative “Querdenken“ verbreitet Verschwörungstheorien. Auch die Duisburger Ortsgruppe wittert hinter der Corona-Pandemie geheime Mächte.

Sie halten die Pandemie für inszeniert, wittern eine Verschwörung internationaler Eliten: Die Initiative "Querdenken" ist Sammelbecken für Impfgegner und Corona-Leugner und wird auch von rechtsradikalen Gruppen unterstützt. Die Duisburger Ortsgruppe hat bundesweit Demonstrationen durchgeführt; vernetzt ist sie in einer Chat-Gruppe auf dem Messengerdienst Telegram. Die Redaktion hat einige Tage lang mitgelesen.

Die Telegram-Gruppe "Querdenken (203 - Duisburg)" hat etwas mehr als 700 Mitglieder. Zum Vergleich: In Dortmund sind es 1100, in Köln knapp 900. In anderen Regionen beteiligen sich mehr Menschen, etwa in Stuttgart, der Heimat von Querdenken-Gründer Michael Ballweg. Dort schreiben und lesen 70.000 Nutzer in der örtlichen Gruppe.

Querdenker halten Corona-Pandemie für eine Verschwörung

Zweck des Duisburger Chats soll der Austausch über Demonstrationen sein. Um die geht es aber nur am Rande. Täglich werden mehr als 100 Beiträge geteilt, von harmloser Impfkritik bis zur komplexen Verschwörungstheorie. Kleinster gemeinsamer Nenner ist die Annahme, Covid-19 sei entweder ungefährlich oder existiere gar nicht. "Ich glaube, dass Corona eine Grippe ist, mit einem wirklich guten Marketing", schreibt eine Nutzerin.

Ein anderes Mitglied bezweifelt die offiziellen Angaben zur Zahl der Todesopfer - in Duisburg inzwischen mehr als 400. "Wo sind sie alle beerdigt? Wo sind die ganzen Gräber?", meint die Frau, und fügt an: "Ich glaube nicht an die Zahlen, es ist eine 'Plandemie' (eine geplante Pandemie; d. Red.)."

Die Chat-Teilnehmer misstrauen staatlichen Quellen wie Gesundheitsämtern, aber auch Forschungsinstituten und Journalisten. Um ihre Thesen zu stützen, ziehen sie andere Quellen heran, deren Ursprung oft nicht erkennbar ist.

US-Wahl beschäftigt die deutschen Corona-Leugner

Beispielhaft ist ein auch in der Duisburger Gruppe geteilter Beitrag, der von einem Dr. Robert Oswald stammen soll. Dieser ist demnach Doktor für Virologie und in einem kalifornischen Labor tätig. Er habe 1500 laut Corona-Test positive Proben untersucht, und unter dem Mikroskop nur Influenza-Viren entdeckt. "Covid 19 existiert nicht. Ich glaube, dass China und die Globalisten diese Farce inszeniert haben, um der Welt Tyrannei zu bringen", heißt es am Ende des Beitrags. Mittlerweile ist bekannt, dass der echte Dr. Robert Oswald weder Virologe ist, noch in Kalifornien arbeitet. Und auch die Corona-Pandemie leugnet er nicht.

Verschwörungstheorien tauchen im Duisburger Chat verstärkt auf, seit Anhänger von Donald Trump das Kapitol gestürmt haben. Wie der scheidende Präsident glauben viele Teilnehmer, die US-Wahl sei gefälscht worden. Die Vorfälle im Kapitol halten sie für inszeniert, um Trumps Lager in Verruf zu bringen: "Die Propaganda-Medien werden die Bilder gezielt verwenden", schreibt ein Nutzer.

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Den Zusammenhang dieser Ereignisse mit der Pandemie stellt die Behauptung her, das Virus sei gezielt zum Jahr 2020 hin aufgetreten, damit die Präsidentschaftswahl leichter manipuliert werden konnte. Auch in Deutschland habe Kanzlerin Angela Merkel die Lockdowns nach der US-Wahl terminiert, heißt es in einem Beitrag.

Anspielungen auf NS-Diktatur und Holocaust

Wo Verschwörungstheorien kursieren, sind antisemitische Stereotype oft nicht weit. Demonstrationen von Querdenkern wurden zudem von rechtsextremen Gruppen flankiert. Und es gab Fälle, in denen NS-Diktatur und Holocaust verharmlost wurden.

So etwas ereignete sich etwa in einem Telegram-Chat von Corona-Leugnern aus Osnabrück. Dort hatte eine Nutzerin ein Bild mit den Worten "Impfung macht frei" geteilt - eine Anspielung auf den Schriftzug "Arbeit macht frei", den die Nazis an Konzentrations- und Vernichtungslagern anbrachten. Das Bild setzt also eine angeblich kommende Impfpflicht ins Verhältnis zum Leid der Juden in der NS-Zeit. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung.

Und Vergleiche mit dem Nationalsozialismus finden sich auch in der Duisburger Gruppe. So wurde an Neujahr ein Beitrag geteilt, der sich auf eine geplante Demonstration am 3. Januar in Nürnberg bezog. "Der 3. Januar 1946 war der Wendepunkt bei den Nürnberger Prozessen", ist darin zu lesen. Datum und Ort der Demo seien deshalb richtig gewählt. Sollte der zuständige Polizeipräsident sie untersagen, werde er später "bei den Nürnberger Prozessen 2.0 mit auf der Anklagebank sitzen".

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Duisburger Querdenker laut Polizei "unauffällig"

Dennoch seien die Duisburger Querdenker "unauffällig", erklärt Polizeisprecherin Stefanie Bersin. Der Staatsschutz habe die Ortsgruppe "auf allen Kanälen im Auge." Dabei gehe es zunächst gar nicht um Äußerungsdelikte wie Volksverhetzung, sondern darum, über Demonstrationen und Protestaktionen informiert zu sein. Als Beispiel nennt Bersin die Kundgebung der Querdenker, die im November trotz eines Verbots der Stadt Duisburg stattfand. Die Polizei löste diese auf, dabei blieb es friedlich.

Auch Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte kürzlich, die Querdenker seien in Nordrhein-Westfalen weniger radikal als in anderen Bundesländern. Er halte es aber für notwendig, die Szene weiter zu beobachten - falls nötig, auch durch den Verfassungsschutz.