Duisburg. Corona hat dem Kulturleben in Duisburg eine andauernde Katastrophe beschert. Operndirektor stets zwischen Vorhang auf und Vorhang zu.
Das Auf und Ab in der Corona-Pandemie, das Manövrieren zwischen Lockdown und Neustart, zwischen Hygienekonzepten, Ankündigungen und Absagen, hat 2020 dem Kulturleben auch in Duisburg eine andauernde Katastrophe beschert. Ausgerechnet in diesem Jahr ist Marwin Wendt neuer Operndirektor der Deutschen Oper am Rhein geworden. "Das komplexeste Haus in Deutschland hat mich gereizt", sagt der 48-Jährige mit Blick auf die zwei Standorte Duisburg und Düsseldorf. Jetzt ist alles noch viel komplizierter geworden.
Der Mannheimer ist schon als Jugendlicher der Kultur stets nahe gewesen. War sein Vater doch am Nationaltheater Mannheim zunächst Opernsänger, bevor er Chefdisponent und dann Operndirektor des Hauses wurde. Marwin Wendt studierte Musikwissenschaften, Germanistik und Regie. "Ich kam als Regie-Assistent schnell in die Praxis." Einer der Regisseure, bei denen er assistierte, war Christoph Meyer, seit 2009 Generalintendant der Deutschen Oper am Rhein.
Im Frühjahr löste der Lockdown auch in Duisburg eine Schockstarre aus
Zunächst habe er auch Regie geführt, "dann habe ich ich mich für die Organisation entschieden", sagt Wendt. Erste Station war das Betriebsbüro der Staatsoper in Hannover. Nach weiteren Engagements, unter anderem sechs Jahre bei Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin, ist er als Operndirektor zurück gekehrt nach Mannheim, seine letzte Station, bevor ihn Christoph Meyer fragte, ob ihn die Rheinoper reizen könne.
Als Nachfolger von Stephen Harrison erlebte Marwin Wendt im Frühjahr die "Schockstarre" im ersten Lockdown und die Sorge, dass die lahm gelegten Bühnen aus dem Bewusstsein verschwinden könnten. Dann sei deutlich geworden, dass Oper digital nur eine Notlösung sein, um am Publikum zu bleiben. "Streams sind kein Ersatz", sagt Wendt.
Nach vier von sieben geplanten Premieren war Schluss
Am Theater sei man Katstrophen zwar gewöhnt: "Man muss ständig umdenken und improvisieren, wenn etwa Sänger absagen müssen. Aber dann weiß man, wie man zu reagieren hat." Aber jetzt sei die Situation eine völlig andere. "Man stößt in einen Graubereich: Es gibt keine klare Vorstellung, was, wie viel und wann wir spielen dürfen. Das macht es schwerer, je länger es dauert."
Oper ist ohnehin ein schwierig zu steuerndes Schiff, ein komplexer Betrieb mit 580 Mitarbeitern, langen Planungs- und Vorlaufzeiten, damit ein Rädchen ins andere greifen kann. Zu Beginn der Saison 20/21, die komplett umgeplant worden war mit sieben Premieren kleinerer Produktionen im September, sei die Freude über den Neustart groß gewesen. Marwin Wendt: "Wir waren vorbereitet und hatten das Gefühl, auf einem guten Weg zu sein." Nach vier Premieren war Schluss.
Schon jetzt ändern sich die Spielpläne für 2024
"Knallhart ausgebremst" - das sei für Künstler "extrem schwierig" zu verkraften. Im Laufe einer Produktion wachse die Anspannung und löse sich dann - normalerweise - in einem hoffentlich schönen Ereignis auf. Die Premiere des ersten Ballettabends des neuen Ballettchefs Demis Volpi in Duisburg sei am gleichen Tag um 15 Uhr abgesagt worden. Undenkbar in Vor-Corona-Zeiten. Und wie hat den Operndirektor die Umorganisation gefordert? "Ich habe zum Teil fünf verschiedene Pläne übereinander gehabt", sagt Marwin Wendt. "Aber ich bin unverwüstlich."
Zwei bis bis vier Jahre im Voraus wird an der Oper geplant, da sei eine klare Linie wichtig. Jetzt müsse man die Entwicklung geduldig an sich heran kommen lassen, sagt Marwin Wendt. Schon jetzt änderten sich durch die unabsehbare Lage die Spielpläne für die 2024. Für die kommende Saison plane man wieder mit Premieren und Repertoire. "Wie hoffen auf den Herbst."
Die Vielfalt des Musiktheaters zeigen
"An der Rheinoper fasziniert mich die enorme Vielfalt", sagt Marwin Wendt mit Blick auf das große Repertoire, das es ermöglicht, an einem Abend Wagner und am anderen Operette zu spielen. "Es macht mich glücklich zu zeigen, wie vielfältig Musiktheater sein kann." Reizvoll sei es auch, mit einem großen Ensemble von hoher Qualität umgehen zu können. Mit den zwei Standorten sei die Rheinoper vielleicht sogar das anspruchsvollste Haus in Europa. "Es macht aber auch Spaß."
Das Miteinander am Haus auch mit den beiden Orchestern in Düsseldorf und Duisburg sei "sehr produktiv und freundschaftlich" - trotz der dramatischen Situation, sagt Wendt. Die größte Sorge jetzt sei die Frage: "Wie geht es weiter - gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich." Der Ausweg? "So rasch wie möglich wieder spielen."