Duisburg. Pfarrer Schulte aus Duisburg muss Weihnachten arbeiten, obwohl Präsenz-Gottesdienste ausfallen. Ein Gespräch über Corona und Chancen für Kirche.
„Frohe Weihnachten und Gottes Segen im neuen Jahr“ wünscht die Pfarrei Liebfrauen in einer ihrer Adventstüten. Darin enthalten: Impulse und Ideen für die Weihnachtszeit, Grußkarten, Bastelbögen und ein Teebeutel, Geschmacksrichtung „Hüttenzauber“. 2020 ist alles anders. Alle Gottesdienste sind abgesagt. Dafür hat sich das Gemeindeleben in den vergangenen Monaten rasant digitalisiert. Das Gotteshaus wurde mit Licht-Traversen ausgestattet, es gibt einen neuen Youtube-Kanal und bei einem gestreamten Impuls erreichten die Neudorfer Katholiken rund 800 Personen – das ist mehr als selbst Weihnachten in einem Gottesdienst sitzen. Im Gespräch erklärt Pfarrer Christian Schulte, wie es ihm und den Haupt- und Ehrenamtlichen gelingt, den Kontakt zu den Gemeindemitgliedern zu halten, über schöne Momente in Corona-Zeiten und was ihm Hoffnung für 2021 macht.
Ganz schön kalt hier in der Kirche.
Ja, tut mir leid. Wegen Corona dürfen wir nur bis maximal 30 Minuten vor dem Gottesdienst heizen. Da es dann aber relativ schnell abkühlt, lassen wir es ganz. Wir überlegen schon, ob wir den Leuten sagen sollen, dass sie im Januar Decken mitbringen. Wir können die nicht ausgeben, weil wir die dann nach jedem Einsatz waschen müssen. Dafür haben wir ganz viele Kerzen aufgestellt und Scheinwerfer installiert. Als wir begonnen haben, Gottesdienste online zu übertragen, haben wir gemerkt, dass Atmosphäre ganz wichtig ist. Nun wollen wir noch in neue Technik investieren, damit der Ton besser wird.
Wer hätte das gedacht, dass sich die Kirche quasi innerhalb von wenigen Monaten so modernisiert.
Stimmt. Wir erreichen mit unseren Angeboten ganz andere Zielgruppen, die Kirche sonst gar nicht wahr genommen haben. Andererseits hat sich auch ein harter Kern herausgeschält, der trotzdem regelmäßig Gottesdienste besucht und dieses Ritual schätzt. Ich würde mir wünschen, dass wir nach der Pandemie die Gelegenheit nutzen, zu resümieren, was wir aus der Zeit lernen und an Neuerungen beibehalten werden. In den vergangenen Wochen haben wir regelmäßig verschiedene Klassen besucht statt große Schulgottesdienste zu veranstalten. Ich ermutige aber auch die Gemeindemitglieder dazu, untereinander Kontakt zu halten und nicht immer nur darauf zu warten, dass mal ein Anruf vom Pfarrer kommt. Das können mein Team und ich gar nicht alles schaffen.
Müsste sich die Kirche in Zeiten wie diesen nicht öfter öffentlich zu Wort melden und mehr Hoffnung spenden?
Es stimmt, dass wir nach innen viel bewirken, aber dass wir an der Wahrnehmbarkeit noch mehr arbeiten müssen.
Als katholischer Pfarrer sind Sie es gewohnt, Zeit alleine zu verbringen. Haben Sie Tipps, wie man gut auf sich selbst achtet ohne zu vereinsamen?
Als Pfarrer bin ich natürlich beruflich, aber auch privat ein Gemeindemitglied und nehme an vielen Dingen teil. So gesehen ist in diesem Jahr viel weggefallen – die Fahrten mit den Messdienern und den Firmlingen genauso wie ein Besuch der Beecker Kirmes. Ich nehme mir bewusste Auszeiten, es gibt Tage, da gönne ich mir zum Beispiel ein gutes Essen. Außerdem habe ich das Privileg einen Hund zu besitzen, mit dem dürfen sie immer raus. Aber man merkt jetzt schon wieder, dass der Wald für die ganzen Jogger, Radfahrer und Spaziergänger fast ein bisschen zu klein wird.
Haben Sie Angst vor Corona?
Nein, eigentlich nicht. Aber ich mache mir Sorgen um meine Eltern, die zu einer Risikogruppe gehören. Wir haben uns seit dem Frühjahr zwar regelmäßig gesehen, aber seitdem nicht mehr in die Arme genommen. Aber ich finde da den Werbespot von Zalando ganz passend: „Die schönsten Umarmungen sind die, die noch kommen werden.“ Das ist es doch. Das wir nicht den Mut verlieren, jetzt Abstand halten und sagen – die Zeiten werden auch wieder besser.
Mussten Sie in den vergangenen Monaten Menschen beerdigen, die wegen oder mit Corona gestorben sind?
Ja. Es gab einige, nicht viele, aber einige. Pfarrer, aber auch die Bestatter bekommen mitgeteilt, ob der Verstorbene Corona hatte, um sich schützen zu können. Manchmal kam es bei den Beerdigungen in diesem Jahr auch zu ganz schönen Momenten.
Welchen?
Die Beerdigungen haben in diesem Jahr draußen stattgefunden und es gab keine, bei der nicht die Sonne geschienen hätte. Ich habe die Leute dann mit Abstand im Halbkreis versammelt und jeder hat etwas über den Verstorbenen erzählt. Das war sehr persönlich und hatte auch etwas.
Jetzt dürfen Weihnachten keine klassischen Gottesdienste stattfinden. Haben Sie jetzt frei?
Wir werden die geplanten Gottesdienste dennoch feiern - leider ohne Gemeinde - und auf unseren Youtube-Kanal stellen. Die Botschaft von der Hoffnung und dem Licht, das vom Kind in der Krippe ausgeht, darf dann über andere Wege zu den Menschen gelangen. Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen (dürfen), kommt die Kirche zu den Menschen. Es wird also eine Weihnachtspredigt und viele andere Texte, Impulse usw. geben, die ebenso gut vorbereitet werden müssen. Irgendwann dazwischen werde ich dann auch noch meinen eigenen Tannenbaum aufstellen und schmücken.