Duisburg. Zwei Duisburger Krankenhäuser bieten künftig Opfern von Sexualstraftaten eine Anonyme Spurensicherung, um den Täter später anzeigen zu können.

In Duisburg gibt es ab sofort die Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung (ASS) für Opfer von Sexualstraftaten. Die Frauenberatungsstelle hat zwei Krankenhäuser gewinnen können, die Vergewaltigungsopfern helfen nach dem Motto „Dein Körper, ein Tatort. Lass’ Spuren sichern!“

Betroffene Frauen können sich künftig an das Evangelische Bethesda-Krankenhaus oder an die Helios St. Johannes-Klinik wenden. „Es ist wichtig, dass die betroffenen Frauen zeitnah nach der Tat und möglichst ohne vorher zu duschen oder die Kleidung zu wechseln eine der genannten Kliniken aufsuchen“, sagt Diana Determann von der Frauenberatungsstelle. So könnten Spuren und Verletzungen binnen 72 Stunden nach der Tat noch dokumentiert werden. Außerdem können die Frauen zeitnah medizinisch versorgt werden.

Die Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten ermöglicht spätere Anzeigen

Die Anonyme Spurensicherung gibt Frauen die Zeit, sich nach einer Tat zu sammeln und zu überlegen, ob sie die Tat strafrechtlich verfolgen lassen wollen. Denn oft stammen die Täter aus dem unmittelbaren Umfeld. „Sie drohen den Frauen, ihnen die Kinder wegzunehmen“, beschreibt Determann, oder die Täter machen die Frauen klein, „sie behaupten, ohne mich kommst du eh nicht klar“.

Diana Determann von der Frauenberatungsstelle in Duisburg hilft Frauen in Not, jetzt konnte für Duisburg die Anonyme Spurensicherung etabliert werden.
Diana Determann von der Frauenberatungsstelle in Duisburg hilft Frauen in Not, jetzt konnte für Duisburg die Anonyme Spurensicherung etabliert werden. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Ermittler der Polizei bestätigen, dass sich Täter und Opfer einer schweren sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung in den meisten Fällen kennen. 95 solcher Fälle gab es in 2019. Überfallartige Vergewaltigungen in der Öffentlichkeit habe es nicht gegeben.

Höchster Wert in zehn Jahren in der Kriminalitätsstatistik: 479 Sexualdelikte in Duisburg

In ihrer letzten Kriminalitätsstatistik meldete die Duisburger Polizei einen „traurigen Höchststand“ – mit 479 offiziell gemeldeten Sexualdelikten wurde der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre erreicht. Die gemeldeten Straftaten reichen von der sexuellen Belästigung in verbaler Form bis zur Vergewaltigung.

Determann und Lütke haben im letzten Jahr reichlich Klinken geputzt, um Verbündete für das Projekt zu finden. Das Ministerium für Heimat, Kommunales und Bau des Landes NRW fördert die ASS, auch die Gleichstellungsstelle der Stadt Duisburg steht dahinter. Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Untersuchung. Ärzte, Kliniken und Beratungsstellen werden jetzt mit Info-Broschüren versorgt.

Spuren werden zehn Jahre lang aufbewahrt

Die Mitarbeiter in den beiden Krankenhäusern werden geschult und zentral mit Testsets beliefert. Die Tatspuren werden anonym für zehn Jahre gelagert. Erst dann werden sie vernichtet. So lange haben die Frauen Zeit, sich beraten zu lassen und rechtliche Schritte zu unternehmen.

Es gehe nicht darum, direkte Anzeigen zu verhindern, betont Melanie Lütke, die ASS „ist ein Signal an die Opfer sexualisierter Gewalt, dass sie Anspruch auf Unterstützung und Beratung haben, ohne unmittelbar zu weiteren Schritten genötigt zu werden“. Die Frauenberatungsstelle bietet entsprechende Hilfe für Opfer sexueller Gewalt an. Das ist anonym und kostenlos.

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Höherer Beratungsbedarf durch Corona

Die Corona-Pandemie war auch für die Frauenberatungsstelle Duisburg eine Herausforderung. Die abschließende Statistik ist noch nicht fertig, aber in der Tendenz nahm der Hilfebedarf deutlich zu. Um Frauen in Not helfen zu können, erfand das Team das Format „Walk and Talk“, also Gespräche beim Spaziergang, auch in den sozialen Netzwerken hat es seine Präsenz verstärkt.

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„Wir haben aber auch durchgehend telefonisch beraten“, sagt Diana Determann. Dabei sei die Not der Frauen schon durch die Umstände der Gespräche deutlich geworden: „Manche haben auf dem Weg zum Einkauf angerufen“, berichtet sie, oder flüsternd aus dem Schlafzimmer. Da der Partner im Lockdown zuhause war, gab es für betroffene Frauen kaum Rückzugsmöglichkeiten, ergänzt Kollegin Melanie Lüdtke.

Selbst ein Auszug gestaltete sich schwierig, weil die zuständigen Behörden nur eingeschränkt Termine vergaben. „Die Beratungen waren entsprechend komplex“, sagt Determann. Das Team bietet weiter Termine mit Rechtsanwälten an und ist auch zwischen den Feiertagen zu erreichen.

Für Frauen, die Gewalt erlebt haben, gibt es das Hilfetelefon. Unter 08000116016 gibt es in 17 Sprachen rund um die Uhr Unterstützung. In Duisburg ist die Frauenberatungsstelle zu erreichen unter 0203 3461640 sowie www.frauenberatungsstelle-duisburg.de