Duisburg. Der 80-jährige Duisburger ist wütend: Seine 2500 Euro Rente gehen komplett als Eigenanteil ans Pflegeheim. Warum er bald zum Sozialamt muss.

Werner Bauer* ist wütend – auf die Politik und all diejenigen, die nicht verstehen, was es bedeutet, nach 45 Dienstjahren, davon 30 in der öffentlichen Verwaltung, nur noch wenige Monate vom Ersparten leben zu können. Weil die Rente des Duisburgers fast komplett in die Pflege seiner Frau fließ t und er demnächst zum Sozialamt muss.

Damit steht der 80-Jährige nicht allein. Laut Statistischem Bundesamt wurden Ende 2017 in Deutschland 818.000 Menschen in vollstationären Pflegeeinrichtungen gepflegt, das waren knapp ein Viertel aller 3,41 Millionen Pflegebedürftigen. Beim durchschnittlichen Eigenanteil, den Pflegebedürftige pro Monat zahlen müssen, gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern. NRW liegt mit 2337 Euro an der Spitze, Sachsen ist mit 1363 Euro am günstigsten.

Nach einer Hirnblutung ging bei der Duisburgerin nichts mehr

„Ende 2018 begann bei meiner Frau die Demenz“, sagt Werner Bauer. Im April 2019 habe sie eine Hirnblutung erlitten. Bis dahin habe seine Frau zum Beispiel noch ihren künstlichen Blasenausgang handhaben können. „Danach ging nichts mehr, es war schrecklich.“ Obwohl ihm eine Psychologin während der Reha seiner Frau gesagt habe, dass er die Pflege nicht leisten könne, holte er die 78-Jährige zunächst nach Hause.

Vier Wochen hielt er die Belastung durch, dann suchte und fand er im Juli 2019 ein Pflegeheim in der Nähe seiner Wohnung in Duissern. „Ich war jeden Tag da“, sagt Bauer. Erst die Corona-Pandemie hat die Eheleute getrennt, die seit 55 Jahren verheiratet sind und keine Kinder haben. Als er dann die erste Rechnung des Heimträgers bekam, „fehlten mir die Worte“, sagt Bauer: 2493 Euro muss er zuzahlen zu den monatlichen Gesamtkosten von 4427 Euro.

Wenn von der Rente nichts bleibt, geht’s ans Ersparte

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Seine Rente beläuft sich auf 2336 Euro, die seiner Frau auf knapp 260 Euro. „Ich kann also den Heimplatz bezahlen.“ Ihm bleibt praktisch nichts, denn auch von der Zuzahlung für Medikamente hat ihn seine Krankenkasse nicht befreit. Er wohnt in einer Eigentumswohnung, aber wovon leben? Das ist gesetzlich genau geregelt: erstmal vom Ersparten. „Wir hatten 55.000 Euro gespart, davon durfte ich für die Bestattungen von meiner Frau und mir jeweils 5000 Euro beim Bestatter hinterlegen.“

Von den verbliebenen 45.000 Euro muss er seinen Lebensunterhalt so lange finanzieren, bis die Rücklage auf 15.000 Euro abgeschmolzen ist. „Es reicht vielleicht noch für zwei Monate, dann bekommt meine Frau Pflegewohngeld.“ Bauer rechnet mit einer Entlastung von etwa 500 Euro pro Monat, dann wird sein Eigenanteil entsprechend niedriger. Am Ende darf das Ehepaar noch 10.000 Euro vom Ersparten behalten. An den „Gang zum Amt“ will der 80-Jährige nicht denken.

Die Pflegekasse zahlt nur einen Zuschuss für die Pflege

Zusätzlich belastet ihn, dass ihm kaum jemand glaubt, wie hoch die Kosten für einen Platz im Pflegeheim sind, die sich in Duisburg bei den bekannten Trägern nur wenig unterscheiden. Auch wie sich die Einzelbeträge zum Gesamtpreis zusammensetzen, weicht nur wenig ab. Die einzige Position, an der sich die Pflegekasse maßgeblich beteiligt, ist der Pflegeaufwand. Der beträgt für Bauers Frau mit Pflegegrad 4 insgesamt 2587 Euro, davon trägt die Pflegekasse 1775 Euro. Außerdem finanziert sie einen Vergütungszuschlag von 160 Euro.

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Bei den Pflegekosten zahlt Bauer 812 Euro hinzu, alles andere finanziert er allein: 600 Euro für die Unterkunft, 462 Euro Verpflegung, Investitionskosten für Einzelzimmer 464 Euro, Umlage Altenpflegeausbildung insgesamt 153 Euro. „Und dann erzählt Gesundheitsminister Spahn, dass er den Eigenanteil für Heimpflege auf 700 Euro begrenzen will “, ärgert sich der 80-Jährige. Das werde überall so verstanden, dass er dann nur noch 700 Euro pro Monat zuzahlen müsse, so Bauer. Dabei machen die Pflegekosten ja nur einen Teil des Gesamtbetrags aus – in seinem Fall eben 812 Euro.

Minister und Bundestagsfraktionen reagierten kaum auf Briefe

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Der Duisburger hat sich an Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil gewandt – als Antwort wurde er ans Gesundheitsministerium verwiesen. Er schrieb Bundestagsfraktionen an, mal er erhielt er Prospektmaterial, mal gar keine Antwort. Verständnis hätten bislang nur die Duisburger Abgeordneten Bärbel Bas und Mahmut Özdemir geäußert und ihm gesagt, sie würden das Thema in der nächsten Legislaturperiode aufgreifen.

Die Kinder von Pflegebedürftigen hat die Politik zum Jahresanfang entlastet , sie müssen für die Pflege ihrer Eltern nur noch ab einem Jahreseinkommen ab 100.000 Euro zuzahlen. Als Ehemann fühlt sich Werner Bauer ausgenutzt, vergessen, von der Politik allein gelassen.

*Name von der Redaktion geändert.

Sozialamt: Dem Ehepartner bleibt, was er zum Leben braucht

Wie die Stadt – nicht für den konkreten Fall von Werner Bauer, sondern grundsätzlich – bestätigt, ist ein Eigenanteil von 2500 Euro monatlich bei vollstationärer Pflege „durchaus möglich“. Die Pflegeversicherung sei auch nach dem Willen des Gesetzgebers keine „Vollkaskoversicherung für den Pflegefall“. Die Kosten für eine vollstationäre Versorgung seien so hoch , das viele Menschen sie nicht dauerhaft bezahlen könnten.

Für die Berechnung sowohl von Pflegewohngeld als auch für das, was der zuhause verbliebene Partner von seiner Rente behalten darf, ist auch vorhandenes Vermögen maßgeblich. Die Vermögensschonbeträge liegen für Ehepaare beim Pflegewohngeld bei 15.000 Euro und bei Hilfe zur Pflege bei 10.000 Euro. Das Pflegewohngeld orientiere sich an den Investitionskosten der jeweiligen Pflegeeinrichtung, die monatlich bis zu 670 Euro betragen können, so die Stadt.

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Dem zu Hause lebenden Ehepartner werde so viel Geld belassen, dass er nicht sozialhilfebedürftig werde, so das Sozialamt. Es werde berechnet, wie viel Eigenanteil dem Partner zumutbar sei, „ohne selbst in eine wirtschaftlich schwierige Situation zu geraten“. Ihm verbleibe, was für den Lebensbedarf nötig sei. Auch das werde individuell berechnet, der Mindestbetrag liegt bei 678 Euro plus Kosten fürs Wohnen.

Pflegeberaterin: Das ist schon bitter

„Hier fließen häufig Tränen“, sagt Kirsten Beukenbusch, die als Beraterin beim größten Duisburger Altenheimträger Christophorus-Werk oft erläutern muss, was auf den Ehepartner zukommt, der zu Hause bleibt. Es sei – zumal nach der finanziellen Entlastung der Kinder von Heimkosten – schon „sehr bitter“, wenn die Pflege die Rente aufzehre. Kleiner Trost: Das Häuschen oder die Eigentumswohnung seien in der Regel geschützt.