Essen. In NRW zahlen Pflegebedürftige besonders viel aus eigener Tasche dazu, wenn sie in einem Pflegeheim leben. Das liegt nicht nur an Personalkosten.

NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann hatte ein Anliegen: Als der Christdemokrat 2018 gegen Kritik der Branche darauf beharrte, dass Pflegeheime zu mindestens 80 Prozent Einzelzimmer vorhalten müssen, sollte damit das Leben im Heim verbessert werden. Auch Pflegebedürftige hätten einen Anspruch auf ausreichend Privatsphäre, so Laumann. Doch offenbar leisten ausgerechnet höhere Standards wie dieser ihren Beitrag dazu, dass das Leben im Heim in NRW so teuer ist.

Leistungen der Pflegekassen decken nur einen Teil der Kosten in der stationären Pflege. Alles darüber hinaus tragen die Bewohner. In NRW ist die Belastung am höchsten: Laut Verband der Ersatzkassen (Vdek) lag sie im Juli bei durchschnittlich 2405 Euro. Zum Jahresanfang waren es noch 2357 Euro. In Sachsen-Anhalt zahlten Bewohner im Januar fast 1000 Euro weniger, selbst Bayern lag 400 Euro unter dem NRW-Schnitt.

Bis zu 80 Prozent der Ausgaben eines Heims sind Personalkosten

Als Hauptgrund werden immer wieder Personalkosten genannt. Sie machen bis zu 80 Prozent der Ausgaben einer Einrichtung aus und schlagen in NRW entsprechend durch. Das Bundesland hat laut Fachleuten eine hohe Fachkräftequote. Zudem gibt es hier überdurchschnittlich viele Träger, die Pflegekräfte nach Tarif bezahlen. Die Lohnkosten liegen bis zu 30 Prozent über denen in den neuen Bundesländern.

Verrechnet werden Kosten für Pflegekräfte über die Leistungen der Kassen – was darüber hinausgeht, zahlen die Bewohner über den „einrichtungseinheitlichen Eigenanteil“. In NRW lag er laut Vdek-Vergleich Anfang des Jahres bei 783 Euro. Hinzukommen 1024 Euro für Unterkunft und Verpflegung, die Bewohner selbst trugen.

Pflegebedürftige zahlen 550 Euro für Investitionen am Heim

Doch auch Investitionskosten schlagen in NRW zu Buche. Mit im Schnitt 550 Euro monatlich wurden Bewohner zuletzt über eine Umlage an Modernisierungen und Anschaffungen beteiligt – etwa 100 Euro mehr als im Bundesdurchschnitt. Wie ist das zu erklären?

Bei der Antwort spielen die beiden Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) eine wichtige Rolle. Sie überprüfen für das Gros der Heime im Land, ob diese auch tatsächlich nur betriebsnotwendige und angemessene Investitionskosten bei ihren Bewohnern geltend machen. Fachleute der Behörden nennen eine Reihe von Gründen für den höheren NRW-Betrag. Zum einen gebe es im Westen anders als in den neuen Ländern keinen Bundeszuschuss zu Baukosten, weshalb die Investitionskosten hier höher seien. Auch gebe es große Unterschiede etwa bei Grundstückspreisen. Zum anderen habe die Landesregierung den Zeitraum, in dem Modernisierungen abgeschrieben werden, halbiert. Mit Letzterem sollten Investitionen in Einzelzimmer angeschoben werden - laut LWL macht das für Bewohner aber auch einen Unterschied von bis zu 200 Euro im Monat aus.

Trotz hoher Standards: Bautätigkeit für die Pflege ruht in NRW längst nicht

Pflegeheime müssen hohe Standards erfüllen. NRW gehört laut Sozialministerium zu den Ländern mit der höchsten Mindestfläche je Bewohner für Zimmer und Gemeinschaftsräume. Es gehört zu den Vorreitern bei Vorgaben zu Einzelzimmern und lässt neue Heime nur für bis zu 80 Bewohner zu.

Für LWL-Kämmerer Georg Lunemann ist der Zusammenhang deutlich: Ein höherer qualitativer Standard führe auch dazu, dass die stationären Einrichtungen teurer würden. „Das kann man über Investitionen in moderne, kleinere Pflegeheime ebenso sagen wie über die Investitionen in Beschäftigte“, so Lunemann.

Eingeschlafen ist die Bautätigkeit indes längst nicht, wie der Branchenbeobachter Pflegemarkt.com berichtet. Von 174 Heimen, die seit November 2017 deutschlandweit im Bau oder in Planung sind, finen sich 89 Projekte in NRW.

Heime wollen vor Gericht höhere Kostenbeteiligung erstreiten

Die Landschaftsverbände stellen immer wieder fest, dass die Pflegeheime versuchen, ihre Bewohner stärker als erlaubt an Investitionsausgaben zu beteiligen. Im Rheinland hat zuletzt rund ein Drittel der etwa 1500 stationären Einrichtungen Widerspruch dagegen eingelegt, welche Kosten die Behörde als angemessen erachtete. In Westfalen wurden rund 40 Prozent der Bescheide angefochten.

Manche Heime müssen sich auch gar nicht in die Karten schauen lassen. Nach Angaben des Pflegeschutzbundes Biva müssen nur in jenen Häusern die Investitionskosten-Umlagen genehmigen werden, deren Bewohner Pflegewohngeld erhalten. Das ist ein Zuschuss, der bis zur vollen Höhe der Investitionskosten ausgezahlt werden kann. Heime ohne Wohngeld-Empfänger müssen dem Land demnach lediglich melden, welche investiven Kosten sie ihren Bewohnern berechnen wollen. Genehmigt werden müssen sie nicht.