Duisburg. Ein Duisburger Ärzte-Netzwerk übt harte Corona-Kritik am Gesundheitsamt. Es geht auch um die angebliche Missachtung von RKI-Richtlinien.
Dr. Axel Heidböhmer ist Vorsitzender des Vorstands des Medizinischen Netz Duisburg , einem Zusammenschluss von rund 50 Hausärzten in Duisburg . Nach über einem halben Jahr Pandemie übt der der Mediziner aus Rumeln gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied Dr. Kerstin Wernken harte Corona -Kritik am Gesundheitsamt .
Das sind die vier Hauptkritikpunkte:
1. Zu langsame oder auch keine Information von positiv Getesteten in Duisburg
Wernken und Heidböhmer berichten, dass Patienten erst fünf bis sechs Tage nach einem positiven Testergebnis vom Gesundheitsamt kontaktiert würden. Dann sei die Infektiosität schon fast vorbei. Teilweise sollen positiv getestete Personen gar keinen Anruf oder eine Mitteilung vom zuständigen Amt erhalten haben.
Amt am Limit- Duisburgerin (67) darf trotzdem nicht helfen Gegenüber der Redaktion teilt ein Patient von Heidböhmer mit, dass seine Frau eine ganze Woche nach einem positiven Test noch keinen Anruf bekommen habe – und somit auch keine Infos zu Verhaltensregeln und dem weiteren Vorgehen. Das ist nach Angaben des Rumelner Arztes fatal. Er selbst könne seine Patienten zwar über ein positives Ergebnis informieren, sei aber gar nicht befugt, eine Quarantäne anzuordnen.
„Ich habe seit 1. Oktober rund 160 Patienten getestet und zehn Prozent waren positiv“
Es sei deshalb zu befürchten, dass viele positiv getestete Personen so ohne die nötigen Infos noch viele weitere Personen anstecken. Heidböhmer nennt eine Zahl: „Ich habe seit 1. Oktober rund 160 Patienten getestet und zehn Prozent waren positiv.“
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Die öffentliche Diskussion drehe sich aktuell wegen der vielen neuen Fälle vor allem um immer schwieriger werdende Kontaktverfolgung , so Heidböhmer. „Mal abgesehen davon, dass diese Aufgabe auch noch auf Hausärzte abgewälzt wird, aber nicht zu leisten und vor allem nicht zulässig ist: Es gelingt dem Gesundheitsamt aktuell noch nicht einmal, seinen Aufgaben im Rahmen des Seuchenschutzes der Bevölkerung nachzukommen und positiv getestete Personen zeitnah beziehungsweise überhaupt zu informieren. Das müsste aber Priorität haben“, findet Heidböhmer.
2. Ärger über Corona-Sonderrufnummer:
Wer die Corona-Sonderrufnummer (0203 94 00 49) wählt, hört eine automatische Ansage, die laut Heidböhmer noch vor kurzem katastrophal gewesen sei: „Alle Personen, die sich testen lassen wollten, sind an die Hausärzte verwiesen worden“, sagt der Arzt aus Rumeln. „So kamen und kommen immer noch Leute mit Abstrichwünschen ohne medizinische Indikation völlig ungefiltert zu uns.“
Mittlerweile sei die Ansage zwar verbessert worden. Es werde aber immer noch nicht deutlich, bei welchen Personen mit welchen Symptomen ein Test aufgrund der neuen Richtlinien des Robert Koch-Instituts (RKI) überhaupt erfolgen soll – und das angesichts aktuell erschöpfter Testkapazitäten.
Kerstin Wernken fordert deshalb, die Ansage dahingehend zu präzisieren, „damit die Menschen klarer sehen und die Zahl der Anfragen an uns Hausärzte weniger wird“.
3. Fehlende Sachkenntnis des Gesundheitsamts
Wernken berichtet, das Gesundheitsamt verweise Kontaktpersonen an die Hausärzte, um eine Überweisung für das Testzentrum am TAM zu bekommen. „So eine Überweisung dürfen wir gar nicht ausstellen, weil es sich in diesen Fällen ja gar nicht um Patienten handelt und damit auch um keinen Kassenfall“, erklärt die Ärztin aus Rumeln. „Da werden Verwaltungsakte auf uns übertragen und unser tägliches Geschäft ist ja nicht nur Corona.“
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Sie berichtet gleichzeitig von einem Patienten, der ohne Überweisung am TAM aufgetaucht sei und behauptet habe, vom Hausarzt geschickt worden zu sein. „Er ist einfach mitgetestet worden“, so Wernken. Auch Heidböhmer kann darüber nur den Kopf schütteln: „Das Gesundheitsamt hält sich damit nicht an die Richtlinien des RKI. Wir haben den Eindruck, dass das Amt ohne Regel testet“, so der Mediziner. Das habe „mit Überforderung, aber teilweise offenbar auch mit fehlender Sachkenntnis zu tun.“
4. Mangelnde Kommunikation mit den Hausärzten
Gesundheitsamt am Limit- 70 bis 80 Anrufe pro Corona-Fall Wernken und Heidböhmer vermissen beim Gesundheitsamt eine Strategie, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Seit März 2020 seien das Amt und Oberbürgermeister Sören Link mehrfach im Namen des Medizinischen Netz Duisburg angeschrieben worden. „Wir haben die Probleme angesprochen, eine Zusammenarbeit und unsere Unterstützung angeboten. Bis heute keine Reaktion, bis heute ist niemand auf uns zugekommen“, kritisiert Wernken. Diese „Ignoranz“ mache angesichts der aktuellen Situation „sprachlos“.
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>> DIE NEUEN TESTKRITERIEN DES ROBERT-KOCH-INSTITUTS (RKI)
• Ob ein Test angezeigt ist, macht das Robert-Koch-Institut (RKI) nunmehr daran fest, wie das Risiko des Patienten und seines Umfeldes einzuschätzen ist, an seinen Symptomen und an der Infektionswahrscheinlichkeit, individuell und anhand des Pandemiegeschehens in der Region.
• Für das RKI sind dabei folgende fünf Fragen entscheidend: Gehört der Patient einer Risikogruppe an oder hat entsprechenden Kontakt? Haben Familienmitglieder regelmäßig Kontakt zu Risikogruppen? Ist beispielsweise ein Elternteil in der Altenpflege tätig? Gibt es ungeklärte akute Erkrankungen in der Familie? Hat der Patient an einer Großveranstaltung innerhalb der vergangenen ein bis zwei Wochen teilgenommen? Handelt es sich um Pflege- oder Betreuungspersonal oder gibt es anderweitig relevante Kontakte ?