Duisburg. Seit einem Jahr ist der neue Nahverkehrsplan in Duisburg in Kraft. Der Ärger ist trotz einzelner Verbesserungen groß, wie drei Beispiele zeigen.
Der neue Nahverkehrsplan ist seit 27. Oktober 2019 in Kraft und hat für viel Ärger wegen veränderter Linien, Wartezeiten oder fehlender Anschlüsse in ganz Duisburg gesorgt. Die Politik hat reagiert und einige Verbesserungen beschlossen. Seit den Osterferien sind im Schülerverkehr mehr sowie teils größere Busse im Einsatz. Und seit den Sommerferien kommen einige Duisburger, die an den Wochenenden früh morgens zur Arbeit müssen, wieder besser ans Ziel. Doch nach rund einem Jahr gibt es immer noch große Verlierer des neuen Nahverkehrsplans in vielen Stadtteilen. Wir zeigen die Probleme anhand von gleich drei Beispielen aus Duissern auf.
1. Werthacker: Christine Weiss ist Mutter eines Sohnes (14) und einer Tochter (11), die früher mit dem halbstündlich fahrenden Bus der Linie 944 morgens ohne Probleme zur Gesamtschule Pappenstraße beziehungsweise zum Hildegardis-Gymnasium in der Innenstadt gekommen sind und nachmittags auch wieder zurück. Mit dem neuen Nahverkehrsplan fiel diese Linie weg. Die Busse der Linie 939 verkehren nur noch einmal stündlich und so ungünstig, dass die Kinder entweder viel zu früh oder viel zu spät zur Schule gekommen wären.
Ärger gegen neuen Duisburger Nahverkehrsplan im Werthacker ist weiter groß
Aufgrund des großen Protests in der Duisserner Siedlung hatte die Stadt mit der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) aber noch kurz vor Inkrafttreten des neuen Nahverkehrsplans reagiert und eine morgendliche Stichfahrt in den Werthacker organisiert – mit dem Bus der neuen Ringlinie 930/931. Die Kinder konnten um 7.14 Uhr in den Bus steigen und kamen passend an den Schulen an.
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Seit dem Ende der Sommerferien sei dies nicht mehr so. Die Abfahrt des Busses sei seitdem 13 Minuten später - und schon werde es wieder eng, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. „Mal ganz abgesehen davon, dass meine Tochter für den Nachhauseweg mit dem Bus aufgrund der ungünstigen Taktung und Linienführung bei einer Entfernung von nur rund vier Kilometern Luftlinie mitunter 90 Minuten braucht“, erzählt Christine Weiss.
Das Elterntaxi kommt oft zum Einsatz
Erschwerend komme nach Schulschluss hinzu, dass für den Ringbus 930/931 an der Ruhrau Endstation ist. Die Wartezeit auf den Bus der Linie 939, der in den Werthacker fährt, sei ellenlang und ein Fußweg in die Siedlung indiskutabel. Nicht wegen der Entfernung, sondern weil er gefährlich ist, so Christine Weiss. „Über den Ruhrdeich in den Werthacker gibt es keinen Fußgängerüberweg und durch die Tunnelanlage am TÜV ist nur ein handbreiter Fußweg vorhanden.“ So komme sehr häufig das Elterntaxi zum Einsatz.
2. Wegfall der Haltestelle Moltkestraße: Für den Erhalt hat der Bürgerverein Duissern zahlreiche Unterschriften gesammelt und der VdK-Ortsverband Senioren zu einer Protestkundgebung vor das Rathaus gebracht. Gebracht hat es nichts.
Die Vdk-Vorsitzende Gisela Schiffers ist von der Politik enttäuscht, zumal das Thema erst noch vor rund zwei Monaten auf der Tagesordnung im Ausschuss für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Verkehr stand. „Da hat sich bis auf Grüne niemand zu Wort gemeldet.“
Wegfall der Haltestelle Moltkestraße: Auswirkungen für ältere Menschen gravierend
Dabei seien die Auswirkungen durch den Wegfall der Haltestelle vor allem für die älteren Menschen gravierend. „Sie kommen nicht mehr direkt in die Stadt. Die nächsten Haltestellen sind 500 bis 600 Meter entfernt“, so Schiffers. „Das ist nicht zumutbar.“
Einer der Betroffenen ist Rainer Freitag-Schlaugat (62). Er ist fast blind und deshalb vor sieben Jahren vom Land in Dorsten wegen der Anbindung an den ÖPNV nach Duissern gezogen. „Früher bin ich mit der Linie 944 direkt in die City gefahren“, so der 62-Jährige. „Der Busfahrer kannte mich. Da fühlte ich mich sicher. Doch dann haben sie mir die entscheidende Haltestelle direkt vor der Nase wegrationalisiert.“
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Durch die weiten Fußwege zum Lutherplatz und zum U-Bahnhof Duissern habe sich sein Lebensrisiko deutlich erhöht. „Die Hansastraße zum Beispiel ist stark befahren und hat in Höhe der Haltestelle weder einen Zebrastreifen noch eine Ampel“, erzählt der Mann, der mit Blindenstock und Armbinde unterwegs ist. „Wenn ich die Straße überquere, kann es schnell gefährlich werden.“ Die Folge: „Ich gehe weniger raus als früher.“
81-Jährige spricht unter Tränen über Probleme, zum Kolumbarium zu kommen
3. Wegfall der Buslinie 937: Lieselotte Lüdke (81) wohnt in der Nähe des Botanischen Gartens in Duissern. Ihr Mann ist verstorben. Früher ist sie mit dem Bus der Linie 937 zwei- bis dreimal in der Woche direkt zum Kolumbarium gefahren. Nun, erzählt sie unter Tränen, sei dies noch höchstens zwei- bis dreimal im Monat möglich.
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Sie schaffe nur den Hinweg zu Fuß, zurück fehle ihr die Kraft. „Dann muss ich entweder ein Taxi nehmen oder auf eine lange Busrundreise mit der Ringlinie 930/931 gehen – mit Umstieg an der Ruhrau“, so die 81-Jährige. „Das möchte ich mir gerade in Corona-Zeiten nicht antun.“
Probleme sind der Stadt Duisburg bekannt
Auf Nachfrage der Redaktion teilt die Stadt Duisburg mit, dass die geschilderten Probleme bekannt seien. „Die einzelnen Fallbeispiele sind Details in einem komplexen Netzwerk, bei denen es an einigen Stellen noch Optimierungsbedarf gibt“, so Stadtsprecher Malte Werning. „Wir können an dieser Stelle aber leider noch keine konkreten Versprechungen machen.“
Jede Änderung an Linienplänen und Fahrplänen sei ein Eingriff in das Netzwerk, das weitreichende Konsequenzen habe. „Allerdings arbeiten wir intensiv an einer Lösung, um die Situation für alle Nutzer des Duisburger Nahverkehrs weiter zu verbessern“, so Werning.