Duisburg. Thyssenkrupp hat sein soziales Modelabel „august & alfred“ vorgestellt. In jedem Kleidungsstück werden Schmelzermäntel in Duisburg verarbeitet.

Im Schatten der Diskussion um die Zukunft des Konzerns hat Thyssenkrupp seine neue Marke „august & alfred“ präsentiert. Dahinter verbirgt sich jedoch keine neue Stahlgüte, sondern ein Modelabel. Der Stahlriese stellt zukünftig in Kooperation mit der Marke Grubenhelden Damen- und Herrenmode her. Das soziale Projekt ist eine Verneigung vor den Menschen aus der Stahlindustrie.

„Wir erzählen die Geschichte der Stahlarbeiter“, sagt Matthias Bohm über die Kollektion. Er ist Gründer des Labels Grubenhelden. Jene Modemarke aus Gladbeck, die als eine modische Hommage an den Bergbau im Ruhrgebiet gilt. „Ohne Kohle und Stahl wären wir nicht da, wo wir heute sind“, so Bohm, dessen Großväter unter Tage und am Hochofen gearbeitet haben. Und so wie ihn gibt es viele Stahlstadtkinder und Grubenenkel im Ruhrgebiet.

Mode-Kollektion von Thyssenkrupp: Schmelzermäntel werden verarbeitet

Mit dem sozialen Start-up „august & alfred“ und der Kooperation mit Thyssenkrupp geht es modisch nun von der Kaue aber nicht unter Tage, sondern an den Hochofen. Und statt Grubenhemden werden ausrangierte Schmelzermäntel und somit Stahl-DNA verarbeitet.

Jene silberglänzende hitzebeständige Arbeitsschutzkleidung, die Mitarbeiter beim Eisenkochen tragen, wenn die 1500 Grad heiße Suppe im Hochofen brodelt und beim Abstich mit einem Feuerwerk in die Rinne schießt. Zukünftig wird dieser silberne Arbeitsschutz in kleinen Applikationen an Hoodies oder Sport- und Laptoptaschen der Marke glänzen.

Ein soziales Start-up: Mitarbeiter der Inklusion fertigen Produkte in Handarbeit

Ein Schmelzermantel im Einsatz im Hochofen 8 bei Thyssenkrupp. Der Schutz soll die Mitarbeiter vor dem Funkenflug schützen.
Ein Schmelzermantel im Einsatz im Hochofen 8 bei Thyssenkrupp. Der Schutz soll die Mitarbeiter vor dem Funkenflug schützen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Der Schmelzermantel ist Identifikation für die Hüttenwerke“, erklärt Frederik Hoffmann, Leiter des Bereichs Inklusion bei Thyssenkrupp und für die Produktion der Kollektion am Standort Duisburg zuständig. Denn das Besondere: Die gesamte Modelinie wird von Mitarbeitern gefertigt, die früher im Stahlwerk gearbeitet haben und heute aufgrund persönlicher Wendepunkte und etwa aus gesundheitlichen Gründen in den Inklusionswerkstätten beschäftigt sind. Dort, wo sonst interne Sattler-, Schweiß-, und Gravierarbeiten erledigt werden, sollen zukünftig in Handarbeit Modetrends entstehen, die raus auf die Straße sollen.

Einer der Mitarbeiter ist Daniel Scholz. 52 Jahre alt – 35 Jahre davon schon bei Thyssenkrupp. Der Hochofen: seine Heimat. Er weiß, was es heißt, an der Glut zu stehen. Er kennt den Zusammenhalt an der Gießerbühne. Seit eineinhalb Jahren kann er aber aus gesundheitlichen Gründen nicht zurück. Dorthin, wo das Eisen fließt. Doch er bleibt immer Stahlkocher.

Wertschätzung für Mitarbeiter auf dem vermeintlichen Abstellgleis

Dass er nun vom Stahlkocher zum Modeschöpfer wird, hat er in seinen kühnsten Träumen nicht gedacht. Er und seine Kollegen sammeln die ausrangierten Schmelzermäntel ein, dann werden sie gewaschen, die Nähte aufgetrennt und der Stoff weiterverarbeitet. Accessoires, wie Taschen und Gürtel, werden komplett von Stahlarbeitern gefertigt. Für die Kleidung entstehen Zuschnitte, die Serienproduktion übernimmt „Grubenhelden“ am Standort Gladbeck sowie in Portugal.

Daniel Scholz ist Teil der Inklusionswerkstatt und zukünftig für die Modemarke „august & alfred“ Modeschöpfer.
Daniel Scholz ist Teil der Inklusionswerkstatt und zukünftig für die Modemarke „august & alfred“ Modeschöpfer. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Am gesamten Kreativprozess waren die Mitarbeiter der Inklusion beteiligt und aus Skeptikern wurden so Unterstützer. „Ich mache meine Arbeit sehr gerne“, sagt Scholz, während er mit einem Stift die Konturen einer Laptoptasche auf einen Schmelzermantel zeichnet.

Für ihn und seine Kollegen in der Inklusion, die oft als Auffangbecken angesehen wird, sind die modischen T-Shirts und Hoodies ein kleines bisschen Balsam für die Seele. Dass die Produkte die Werkstore verlassen und bald auf der Straße für jeden sichtbar getragen werden, ist für die Männer und Frauen im Schatten der Hochöfen ein besonderes Zeichen der Anerkennung und Grund zu Stolz. „Das Label zollt denen Respekt, die hier arbeiten und ihre Heimat haben“, sagt Hoffmann.

>> „AUGUST & ALFRED: MODELINIE VON THYSSENKRUPP

  • Der Name der Modelinie „august & alfred“ geht auf die Gründerväter des Konzerns, August Thyssen und Alfred Krupp, zurück. Er soll etwa auch an die soziale Verantwortung erinnern, die sie im 19. Jahrhundert übernommen haben, etwa durch den Bau der Zechenkolonien, die für Menschen im Ruhrgebiet noch heute Heimat sind. Das Logo der Marke soll an einen Hochofen erinnern, integriert mit den Initialen AA – ebenfalls eine Hommage an die Gründerväter.
  • Ab Samstag, 10. Oktober, kann die Kollektion in den lokalen Grubenhelden-Stores im CentrO in Oberhausen, auf Zollverein in Essen, im Geschäft in Gladbeck (Maria-Theresien-Straße 1) sowie online unter grubenhelden.de erworben werden.
  • Die Preise für ein T-Shirt starten bei rund 30 Euro, für einen Pullover bei 90 Euro. Auf der Innenseite der T-Shirts und Hoodies ist das Rezept für Qualitätsstahl abgedruckt. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf der Produkte geht an gemeinnützige Projekte.