Duisburg. Die Firma Hygienelicht.de kämpft mit UVC-Strahlen gegen Coronaviren in der Raumluft. Wie das funktioniert und was Wissenschaftler dazu sagen.

Mund-Nasen-Schutz, Abstand, Desinfektion, Lüften: Die Maßnahmen gegen das Coronavirus sind vielfältig – und werden in wenigen Wochen vor allem Schulen und Gastronomiebetriebe vor neue Herausforderungen stellen. Denn die kalte Jahreszeit bricht langsam an und häufiges Lüften könnte schon bald keine Option mehr sein, wenn die Schüler nicht in dicken Winterjacken lernen sollen. Eine Duisburger Firma präsentiert jetzt eine ganz andere Lösung, die in Klassenräumen, Restaurants und Wartezimmern vor virenbelasteter Luft schützen soll: UVC-Strahlung. Das Konzept dahinter ist nicht neu, seit 100 Jahren ist die Wirkung bekannt und wird beispielsweise in der Trinkwasseraufbereitung genutzt.

Die neue Art der Anwendung erklärt Werner Ginters, Geschäftsführer des Herstellers „Hygienelicht.de“. Werner Ginters ist Geschäftsführer des „Unlimited“ Veranstaltungsservices – eigentlich.

Duisburger Firma Hygienelicht macht sich Eigenheiten der Natur zunutze

Aber kaum eine Branche leidet unter der Pandemie so sehr wie die Veranstaltungstechnik, deswegen haben sich der studierte Mediziner und sein Team kurzerhand ein anderes Beschäftigungsfeld gesucht. Mit den Hygienelichtern, allen voran mit dem Flaggschiff „Rocket 1“, will Ginters Schulen, Praxen und Restaurants eine Möglichkeit liefern, die Raumluft vom Coronavirus zu befreien.

Das geht, weil das nötige Personal in der Duisburger Veranstaltungsfirma ohnehin schon da ist. „Wir haben Beleuchtungsmeister und Elektriker, die an dem Konzept gearbeitet haben“, lobt Werner Ginters sein Team. „Da steckt viel Ingenieurskunst dahinter.“

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Wissenschaftlich betrachtet, funktionieren die Desinfektionslichter so: Die Lampen leuchten mit UVC-Licht, genauer mit UVC-Strahlung, denn das menschliche Auge erkennt die Strahlen nicht als Licht. Die kurzwelligen Strahlen schaffen es in der Natur nicht durch die Ozonschicht der Erde, deswegen haben die meisten Lebewesen keinen Schutz gegen UVC entwickelt. Die Strahlung mit einer Wellenlänge von 260 Nanometern zerstört die DNS von Mikroorganismen, also von Viren, Bakterien und Pilzen – und macht so gut 99 Prozent der potenziellen Schädlinge unschädlich – auch Coronaviren.

Hygienelicht.de setzt UVC-Strahlung auf zwei Arten ein

„Wir haben zwei unterschiedliche Arten, wie wir die UVC-Strahlung einsetzen“, erklärt Ginters. Das erste Modell ist von außen bloß eine unscheinbare Röhre, im Inneren aber wird die angesaugte – und mit verschiedenen Filtern gesäuberte – Luft von den UVC-Strahlen beschossen. Die Coronaviren werden so unschädlich gemacht. „Dieses Verfahren, wie es auch in der ,Rocket 1’ benutzt wird, funktioniert in geschlossenen Räumen, auch wenn Menschen anwesend sind“, so Ginters. „Der ganze Prozess passiert innerhalb der Röhre.“

Denn die Krux mit der Strahlung liegt im Auge des Betrachters, sollte der tatsächlich in die offene UVC-Röhre blicken. Weil das „Licht“ für das menschliche Auge unsichtbar ist, hat der Mensch keine Pupillenreflexe, um seine Sehorgane zu schützen.

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Deswegen darf bei der Anwendung der zweiten Variante von „Hygienelicht.de“ kein Mensch im Raum sein: Mit einer offenen Leuchtstoffröhre wird die Raumluft nach dem selben Prinzip gesäubert, „nur eben viel schneller“, erklärt Ginters. Bei keinem der Produkte von Hygienelicht.de kommen Strahlen mit Menschen in Kontakt, betont Ginters, „das zu kommunizieren ist uns wichtig“, besonders mit Blick auf einen Bericht des BfS (siehe unten).

Das „Flaggschiff“: Die „Rocket 1“ von Werner Ginters Duisburger Firma „Hygienelicht.de“ saugt die Raumluft an, säubert sie mit Filtern und macht Viren und Bakterien mit UVC-Strahlung unschädlich.
Das „Flaggschiff“: Die „Rocket 1“ von Werner Ginters Duisburger Firma „Hygienelicht.de“ saugt die Raumluft an, säubert sie mit Filtern und macht Viren und Bakterien mit UVC-Strahlung unschädlich. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Die „Schnellreinigung“ könne vor allem in Schulpausen effektiv sein. Neben großen Warnschildern, die die Firma mitliefert, sind die Strahler auch mit einem Bewegungssensor ausgestattet, der das Gerät sofort abschaltet, sollte etwa ein Lehrer vergessen haben, die Tür zu verschließen, erklärt Ginters. „Außerdem schulen wir die Leute auch im Umgang mit den Strahlern, die kann dann wirklich jeder bedienen.“

Rocket 1 kostet 720 Euro oder monatlich 80 Euro Miete

Die Geräte, die entweder gekauft, für mindestens sechs Monate vermietet oder auch geliehen werden können, stellt das „Hygienelicht“-Team den Nutzern nicht nur einfach in den Raum. „Dank jahrzehntelanger Erfahrung im Veranstaltungsservice können wir computergestützt die Räume und den resultierenden Bedarf analysieren, auch nach der erstmaligen Installation, wenn sich an den räumlichen Gegebenheiten etwas ändern sollte“, sagt Ginters.

Das Modell ,Rocket 1’ sei auch optisch flexibel. „In einem Fitnessstudio könnten wir das Gerät zum Beispiel wie eine Palme aussehen lassen, aber auch andere Bemalungen sind möglich, damit sich ,Rocket 1’ nahtlos in den Raum einfügt.“

Die Kosten der modularen ,Rocket 1’ hält die Firma bewusst gering: Zum Kauf auf der Internetseite der Firma gibt es das Gerät für 720 Euro, die Miete kostet bei sechs Monaten Mindestmietzeit 80 Euro monatlich.

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Außerdem plant der Geschäftsführer, besonders Kunden von Restaurants oder Veranstaltungsorten auf die „gesäuberte Luft“ hinzuweisen. „Mit Kundenstoppern und Aufklebern wollen wir auf die Verwendung unserer Geräte aufmerksam machen. Es geht darum, das Vertrauen der Leute zurückzugewinnen.“

Das Prinzip der Luftsäuberung werde „permanent überprüft“, sagt Ginters, zum Beispiel an der Universität München. „Obwohl das Konzept schon so lange eingesetzt wird, zum Beispiel in OP-Sälen, haben die meisten Menschen noch nie davon gehört“, weiß der Geschäftsführer.

Allerdings wird die Aufmerksamkeit gerade größer, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) habe Interesse bekundet, Hygienelicht.de auf eine Liste für Hoteliers und Gastronomen aufzunehmen.

Das sagen Fraunhofer-Institut und Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

Martin Käßler vom Institutsteil „Angewandte Systemtechnik“ des Fraunhofer-Instituts kennt das Thema „UVC“ gut. Das Institut beschäftigt sich seit sechs Jahren damit. Zu Corona-Zeiten seien viele Firmen und Privatpersonen auf den UVC-Zug aufgesprungen, einige skurrile Anfragen seien dabei gewesen, sagt Käßler: „Einem Herrn mit dem Wunsch, eine UVC-Taschenlampe zu bauen, mussten wir erklären, dass er damit eine Waffe und keine Taschenlampe bauen würde.“

Ein Bewegungssensor an einem Hygienelicht von Werner Ginters fotografiert am Donnerstag, 24.9.2020. Die Hygienelichter sollen Keime und Viren mit UV C Licht abtöten. Foto: Oliver Müller / FFS
Ein Bewegungssensor an einem Hygienelicht von Werner Ginters fotografiert am Donnerstag, 24.9.2020. Die Hygienelichter sollen Keime und Viren mit UV C Licht abtöten. Foto: Oliver Müller / FFS © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Denn vor allem die Gefahr der Strahlung sei zu bedenken, genau so aber auch eine „gewisse Entwicklungszeit“. „An einem UVC-Säuberungskonzept für Krankenwagen haben wir drei Jahre lang gearbeitet“, gibt Käßler zu Protokoll.

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Das Fraunhofer-Institut nehme grundsätzlich keine Produktbewertungen vor, die desinfizierende Wirkung von UVC-Strahlung sei jedoch wissenschaftlich seit langem bekannt.

„Allerdings müssen viele Eventualitäten bedacht werden. Beispielsweise dringt die Strahlung nicht sehr tief in Textilien ein“, sagt Käßler. Das Institut selbst hat kürzlich eine Maschine zur Desinfektion von Smartphones und Tablets mit UVC-Strahlung entwickelt – für die kommerzielle Verwertung sucht das Fraunhofer-Institut noch Partner aus der Wirtschaft.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat sich mit einer Pressemitteilung im Juni ebenfalls zum neuen Interesse an der UVC-Strahlung geäußert. Grundsätzlich könnten Bakterien und Viren mit den Strahlen abgetötet werden, aber „zur Heilung von Covid-19 ist UV-Strahlung nicht geeignet – auch nicht die künstlich erzeugte UVC-Strahlung.“

Dem Bundesamt zufolge kursierten derzeit Meldungen, die vom erfolgreichen Einsatz von UVC-Strahlung bei der Therapie von Covid-19-Patienten berichten, diesen Meldungen widerspricht das BfS deutlich. „Künstlich erzeugte UVC-Strahlung kann zur Desinfektion von Wasser, Luft und Oberflächen genutzt werden. Es geht dabei nicht um eine Abtötung des Virus auf oder in Lebewesen.“

Wie auch das Fraunhofer-Institut äußert sich auch das BfS nicht zu UVC-Geräten für den Hausgebrauch. „Die Wirksamkeit solcher UVC-Desinfektionslampen wird vom BfS nicht überprüft und beurteilt. Das BfS gibt auch keine Produktempfehlungen ab, warnt aber davor, UV-Entkeimungsgeräte am Körper einzusetzen.“

Das liege an der Schädlichkeit aller Arten von UV-Strahlen. Die UVC-Strahlung könne das Erbgut schädigen und sei daher krebserregend für Menschen – auch bei niedrigeren Intensitäten als denen, die für eine Entkeimung notwendig seien. Darüber hinaus könne die Strahlung das Oberflächengewebe des Auges schädigen und Erytheme – auf gut Deutsch „Sonnenbrände“ – hervorrufen. Wie bei ihren Sonnen-Geschwistern UVB und UVA gebe es auch bei der UVC-Strahlung keinen Schwellenwert der Intensität oder Dosis, unter dem der Mensch vor den Langzeitwirkungen der Strahlen geschützt ist.

>> Mehr Infos über UVC und Corona

• Auf seiner Website informiert hygienelicht.de nicht nur über die Anwendungsmöglichkeiten der Strahler, sondern auch über die Wissenschaft hinter der Technologie.

• Die Technologie zur Desinfektion von Krankenwagen mit UVC stellt das Fraunhofer-Institut hier vor.

• Mehr Infos über die Desinfektion von Smartphones und Tablets gibt es hier.