Duisburg. Viertel im Duisburger Norden und Westen haben beim Thema Sicherheit schlechte Noten bekommen. Was soll sich ändern? Welche Fehler wurden gemacht?

In einigen Stadtteilen im Duisburger Norden und Westen fühlen sich die Duisburger nicht sicher (siehe Grafik). Zu diesem Ergebnis kam der große Stadtteil-Check, bei dem 10.500 Duisburger ihre Viertel mit Schulnoten bewertet haben. Dabei bekommen Hochheide und Marxloh sogar eine glatte Fünf – mangelhaft.

Wie reagieren die Parteien vor der Kommunalwahl am 13. September auf diese Erkenntnisse? Wir haben die im Stadtrat in Fraktionsstärke vertretenen Parteien und die AfD gefragt:

Wie würden Sie das Sicherheitsgefühl in Duisburg benoten? Während der Süden der Stadt und auch Duissern und Neudorf sehr gute Noten erhalten haben, wurden die Stadtteile im Norden und im Westen deutlich schlechter benotet. Wo sind dort in der Vergangenheit Fehler gemacht worden? Welche Maßnahmen schlagen Sie konkret vor, um das Sicherheitsgefühl der Menschen zu verbessern?

Die Grünen in Duisburg: Geldströme der organisierten Kriminalität austrocknen

Das sind die Antworten der Parteien, wir beginnen mit der Opposition:

Die Grünen: „In Duisburg kann man im Allgemeinen gut und sicher leben. Die Zahl der Straftaten war im Jahr 2019 auf einem Zehnjahrestief. Dass sich das nicht immer auch in einem hohen Sicherheitsgefühl niederschlägt, hat andere Gründe. So entsteht an vielen Stellen der Eindruck, dass der Staat nicht an allen Stellen gleich entschieden und effizient gegen Kriminalität vorgeht. Diese Einschätzung würden wir teilweise teilen. Im Grunde sollte die Sicherheit in Duisburg aber eine solide Zwei bekommen.

Es gibt Schwerpunkte der organisierten Kriminalität im Norden. Unabhängig davon, ob diese Kriminalität über Familien, Motorradclubs oder Mafia-Strukturen organisiert ist. Es wurde zugelassen, dass eine Entfremdung zwischen Bevölkerung und Sicherheitsbehörden stattfindet. Das führt dazu, dass Kriminelle mehr Schutz aus der Bevölkerung erhalten.

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Die organisierte Kriminalität muss schnell, effizient und vor allem mit geeigneten Mitteln bekämpft werden. Das erste Ziel muss sein, das Vertrauensverhältnis zwischen Behörden, Polizei und Bevölkerung wiederherzustellen und den Kriminellen ihren Schutz zu entziehen. Dafür schlagen wir einen Runden Tisch vor, an dem, unter neutraler Moderation, Vertreter der Communities (natürlich nicht die Kriminellen selbst), Polizei, Stadtverwaltung, Ordnungsamt, Staatsanwaltschaft und andere Akteure aus dem Stadtteil (z.B. Sportvereine oder Unternehmer) gemeinsam die Probleme im Stadtteil und mit organisierter Kriminalität besprechen und Wege finden, wie – auch kurzfristig- auf Entwicklungen gemeinsam reagiert werden kann.

Das Projekt „Staatsanwälte vor Ort“ muss ausgebaut werden. Wir schlagen eine beim Finanzamt eingerichtete Sonderstelle vor, die gezielt Geldwäsche-Aktivitäten aufspüren soll und gemeinsam mit der Steuerfahndung die Geldströme organisierter Kriminalität austrocknet.“

Die Linke: Migrationshintergrund kein Faktor für höhere Kriminalität

Die Linke: „Wir sehen, dass Duisburger in vielen Stadtteilen ein ungutes Sicherheitsgefühl haben. Gerade deshalb halten wir bei unseren politischen Entscheidungen die sachliche Betrachtung der vorliegenden Daten der realen Lage vor Ort für besonders wichtig.

Die aktuelle Studie der Universitäten Münster und Bielefeld „Kriminalität in der modernen Stadt“, welche sich explizit auf Duisburg bezieht, macht deutlich, dass es eine Reihe an Faktoren gibt, die mit kriminellem Verhalten einhergehen. Zunächst vorangestellt: Entgegen der landläufigen Meinung belegt die Studie wissenschaftlich, dass ein Migrationshintergrund kein Faktor für höhere Kriminalität ist. Als Einflussfaktoren stellt die Studie jedoch eindeutig heraus, dass soziale Benachteiligung sowie ein schlechtes Schulklima Einfluss auf kriminelles Verhalten haben. Insbesondere der Duisburger Norden und Westen werden seit Jahrzehnten von den Verantwortlichen der Stadt Duisburg allein gelassen.

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Es gibt natürlich Ansätze, um reales kriminelles Verhalten zu reduzieren: Die wichtigsten Punkte sind das Bekämpfen der sozialen Benachteiligung und eine gute Präventionsarbeit. Um die prekäre Lebenssituation der Menschen zu beenden und somit auch einen potenziellen Faktor von Kriminalität einzudämmen, muss die Lebenssituation der Menschen verbessert werden. Es bedarf außerdem eines Erhalts und Ausbaus der Streetworkprojekte. Es bedarf einer Ausweitung präventiver Projekte wie „Kurve kriegen“. In vielen Stadtteilen gibt es schlecht besetzte Polizeiwachen. Auch Polizeibeamte, die durch die Stadtteile laufen, sind kaum noch zu sehen. Für solche Beamte in den Stadtteilen, die als direkte Ansprechpartner fungieren, müssen mehr Mittel bereitgestellt werden.“

AfD: „Aggressive Zusammenrottung hart sanktionieren“

AfD: „Das Sicherheitsgefühl ist stark geteilt: In dörflichen/bürgerlichen Stadtteilen sehr gut bis noch gut, in den Problemzonen katastrophal. Die AfD sieht sich durch die Umfrage bestätigt.

Armutszuwanderung wurde zugelassen, Versuche, diese zu begrenzen, wurden oft aus politisch-ideologischen Gründen diffamiert. Zusätzlich hat aktives Wegschauen und Schönreden der um sich greifenden Verrohung im täglichen Umgang eine Ghettoisierung begünstigt. Positiv und mit Vorbildfunktion ist der Einsatz der Duisburger „Task-Force-Problemimmobilien“.

Null-Toleranz statt wegschauen, aggressive Zusammenrottungen hart sanktionieren, Schwerpunktstaatsanwälte zur schnellen Aburteilung, gezielte Maßnahmen zur Entfernung von Personen ohne Aufenthaltsrecht, Sanktionierung des Missbrauchs der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit. Polizei und Ordnungsamt sind personell und materiell so auszustatten, dass diese vor Ort Tumultlagen in einem ersten Ansatz selbst bewältigen können.“

FDP: Millionensubventionen laufen ins Leere

FDP: „Das Sicherheitsgefühl in Duisburg würden wir mit Drei bis Vier benoten.

Die Polizei fährt leider oftmals nur anlassbezogen. Wichtig ist eine dauernde Präsenz – also Bestreifung. Der Bürger muss die „Polizeistreife als Streife“ wahrnehmen und nicht nur als Einsatzfahrzeug, dass zu einem bestimmten Anlass herausfährt.

Die Bekämpfung der Clankriminalität; stadtteil- und städteübergreifend muss eine Maßnahme sein. Verbesserung der Infrastruktur und unmissverständliche ordnungsbehördliche beziehungsweise polizeiliche Maßnahmen bei begründetem Verdacht einer verfassungs- und damit polizeifeindlichen Haltung.

Menschen müssen Werte achten. Nur so ist ein gedeihliches Miteinander möglich. Augenscheinlich sind ganz erhebliche Sozialisationsdefizite in den sogenannten „schwierigen“ Stadtteilen festzustellen. Verwunderlich ist, dass die Erfolge trotz jahrzehntelanger Millionensubvention nur wenig bis überhaupt nicht gegriffen haben. Eine sinnvolle Schlussfolgerung wäre zum Beispiel, die Effizienz der gemeinsamen Arbeit von Sozialarbeitern, Ordnungsbehörde und Polizei neu auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls – nach einer Schwachstellenanalyse – Verhaltensweisen des Staates dynamisch anzupassen.“

JUDU möchte konsequente Videoüberwachung

Junges Duisburg (JUDU): „Tendenziell würden wir die Sicherheit in Duisburg noch schlechter benoten – das liegt aber sehr subjektiv im Auge des Betrachters. Die objektive Sicherheit ist in Duisburg sicher so gut wie in vielen anderen Großstädten auch.

Die aktuelle Situation resultiert aus verschiedenen Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte: Der Strukturwandel zum Beispiel hat in einzelnen Vierteln und Quartieren zu einer Schwächung der Sozialstruktur geführt. Dann kam es zu Bausünden, wie den „Weißen Riesen“ – Stadtplanung, die schon bei Baubeginn überholt war, die aber für eine gewisse Milieubildung gesorgt haben. Hinzu kommt, dass Kriminalität für viele – in Folge der oben beschriebenen Entwicklungen – einziger Ausweg zu sein scheint. Und bei der Clan-Kriminalität hat man viel zu lange nicht genau hingeschaut – hier wird aber mittlerweile konsequent gegengesteuert.

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Leider gibt es kein Patentrezept! Eine Steigerung der Polizeipräsenz und der Bestreitung durch das Ordnungsamt sind aber unabdingbar – am besten in Form der bewährten Ordnungspartnerschaft. Ergänzt werden können diese Maßnahmen durch eine konsequente Videoüberwachung an entsprechenden Orten und Plätzen. Auch sollten sich Wachen von Polizei und Ordnungsamt im ganzen Stadtgebiet finden. Und letzten Endes kann man auch städtebaulich reagieren: Straßen und Grünanlagen müssen gut ausgeleuchtet sein.“

SGU: Umgang mit Freizeitanlagen zeigt Nord-Süd-Gefälle

Sozial Gerecht Unabhängig (SGU): „Ob man in Duisburg auf der Sonnen- oder Schattenseite lebt, steht und fällt mit dem Stadtteil, in dem man wohnt. Wie in vielen Städten im Ruhrgebiet hat Duisburg ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle. Während der „reiche Süden“ mit gut bewertet werden kann, kommt Marxloh in manchen Bereichen auf ein Mangelhaft. Bezeichnend dafür ist, dass man eine eigene Hundertschaft und zwei Staatsanwälte braucht, um der Lage vor Ort Herr zu werden.

In der Vergangenheit wurde viel zu gerne weggesehen oder der Zustand bei Ortsbegehungen und politischen Bürgergesprächen schön geredet. Ein augenscheinliches Beispiel für vergangene Fehler ist der Umgang mit den bezirklichen Freizeitanlagen. Das zweigeteilte Duisburg weist in Duissern mit der Grünanlage „Botanischer Garten“ eine grüne Oase auf, in der sich Besucher von der Sonnenseite der Stadt überzeugen können. Wer sich allerdings in den Schwelgernpark in Marxloh verirrt, wünscht sich schnell auf einen anderen Stern.

Wir unterstützen das konsequente Vorgehen gegen Einwohner, die sich nicht an die geltenden Regeln halten und die ,Strategie der 1000 Nadelstiche’ gegen kriminelle Clans.“

Bürgerlich-Liberale: „Das ist abhängig vom Stadtteil, in dem man wohnt. Wer aus dem Duisburger Süden durch Hochfeld, Marxloh und Hochemmerich fährt, fühlt sich dort nicht sicher. Die Polizei-Statistik (Kriminalitätsbericht 2019) ist besser als das Gefühl. Die Zuwanderung aus Osteuropa hat sich die Stadtteile mit, für sie, bezahlbaren Wohnraum in zum großen Teil unsanierten Altbauten ausgesucht. Das ist Hochfeld, Marxloh, ein Teil von Rheinhausen, auch Homberg. Darauf wurde mit der „Immobilien-Task-Force“ viel zu spät reagiert. So haben sich die neuen Strukturen längst verfestigt.

Maßnahmen müssen sein: Die Polizei- und Ordnungsmitarbeiter-Präsenz erhöhen, gemeinsame 24-Stunden-Wache vor Ort einrichten, hin-, nicht weggucken.“

SPD: Punkte Sicherheit und Sauberkeit sind eng miteinander verknüpft

SPD: „Das subjektive Sicherheitsgefühl ist bei jedem einzelnen unterschiedlich ausgeprägt. Deshalb ist es schwierig, eine pauschale Benotung vorzunehmen. Wir als SPD-Fraktion nehmen die Sorgen und Ängste der Bürger ernst. Gemeinsam mit unserem Oberbürgermeister Sören Link setzen wir auf präventive und repressive Maßnahmen, um das Sicherheitsgefühl der Menschen insgesamt zu stärken.

Sicherlich sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. Die Sozialstruktur in einzelnen Stadtteilen und Quartieren ist sehr unterschiedlich, daher gibt es kein Patentrezept. Arbeitslosigkeit, hohe Fluktuation, Leerstände und zwielichtige Vermieter, die sich insbesondere an der Situation von Zuwanderern aus Südost-Europa bereichern, haben Probleme verstärkt.

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Die Punkte Sicherheit und Sauberkeit sind oft eng miteinander verknüpft. Sie sind von zentraler Bedeutung für das Wohlbefinden der Menschen in ihrer Umgebung. Deshalb haben wir als SPD-Fraktion im letzten Jahr gefordert, die personellen Kapazitäten für die Bereiche Sicherheit und Sauberkeit bei der Stadt beziehungsweise den städtischen Gesellschaften zu erhöhen. Außerdem haben wir die Erhöhung der Bußgelder in diesem Bereich beantragt. Dieser Antrag wurde mit breiter Mehrheit im Rat der Stadt beschlossen. Hinzu kommen Schwerpunktkontrollen, der Einsatz der „Task-Force-Problemimmobilien“ und die Beteiligung im Kampf gegen Clan-Kriminalität.“

CDU: Polizeipräsenz aufsteigen

CDU: „Eine pauschale Note für ganz Duisburg in Sachen Sicherheit zu vergeben, ist mehr als schwierig, zumal Sicherheit ja auch immer eine individuell gefühlte und nicht ausschließlich durch Fakten (Zahl der Polizeibeamten, Kriminalitätsstatistik) messbare ist.

Es zeigt sich ein sehr differenziertes Stimmungsbild in den Stadtteilen. In einzelnen Stadtteilen mit negativer Perspektive sind sicherlich Defizite bei der Zuwanderung und Integration als Gründe anzuführen, aber auch im Fall von Bildung und Ausbildung. Ebenso sind in der Vergangenheit Nachlässigkeiten bei der Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung zu verzeichnen, die sich zum Teil aufgrund von Personalmangel erklären lassen. Staatliche Institutionen haben zeitweise notwendige Präsenz und Konsequenz vermissen lassen.

Den oben beschriebenen ,Fehlern’ kann man mit konkreten Maßnahmen begegnen. Zuwanderung und Integration müssen sozialverträglicher gesteuert werden. Bildungs- und Ausbildungschancen müssen gerade bei den Menschen gefördert werden, die benachteiligt sind und drohen an den Rand der Gesellschaft oder in die Kriminalität abzurutschen. Die Polizeipräsenz ist, wo nötig, aufzustocken und die Ahndung von Straftaten ist konsequent umzusetzen sowie präventive Aufklärung und objektive Information der Bevölkerung zu intensivieren.“