Duisburg. Mit der Nacht der tausend Lichter wird in Duisburg zum zehnten Mal der Opfer der Loveparade gedacht. Eltern wollen vor EU-Gerichtshof ziehen.
Zum zehnten Mal wird in Duisburg der Opfer der Loveparade-Katastrophe gedacht. Bei der Nacht der tausend Lichter ist aber manches anders. „Ich würde so gern die Menschen in den Arm nehmen“, sagt Gabriele Müller, die Mutter des verstorbenen Christian. Coronabedingt muss sie darauf verzichten.
Sie sitzt mit Sabine Sablatnig, der Mutter von Anjelina, an der Gedenkstätte. Das Foto von Christian hängt ganz oben an der Stahlkonstruktion. Seine Mutter freut das: „Jetzt hat er die volle Kontrolle von da oben, ganz anders als damals“, sagt sie.
Zu Füßen von Sablatnig hockt Pepper, dem die hohe Bürde zufällt, das Kind zu ersetzen. Dem Bulldoggen-Mix sei gelungen, was sie lange versucht habe: Anjelinas Vater ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Und für Samstag, erzählt Gabriele Müller, sei sie bei ihrer Mutter zum Apfelpfannkuchen eingeladen. Seelennahrung nach all der Trauerarbeit.
Prozess-Ende wollen Hinterbliebene nicht akzeptieren
Das Ende des Prozesses schwingt bei allen Gesprächen mit. Während Sablatnig das Ende fast erwartet hatte, sagt Müller: „Den Tod von Christian muss ich akzeptieren, aber dass es keine Verantwortlichen gibt, kann ich nicht akzeptieren.“ Das sei die Katastrophe nach der Katastrophe.
Coronabedingt dürfen Besucher nur abgezählt auf die Gedenkstätte. Bis abends überwiegen aber ohnehin die Medienvertreter und Security-Mitarbeiter. Zwei junge Männer erzählen, dass sie zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder in Duisburg sind. Sie versuchen, sich im inzwischen überdachten Tunnelteil und an der umgebauten Rampe zu orientieren, überlegen, wo sie wann waren. Warum sie gekommen sind? „Es fühlte sich richtig an.“
Eltern von Clara wollen vor den EU-Gerichtshof ziehen
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Francisco Zapater und Nuria Caminal sind schon am Nachmittag an der Gedenkstätte. Sie haben Blumen mitgebracht zum Gedenken an ihre Tochter Clara. Mit Hilfe von Dolmetschern geben sie Interviews, nach all den Jahren sind sie routiniert darin. Über 40 Medienvertreter sind vor Ort. Sie wollen vor den EU-Gerichtshof in Straßburg ziehen, betont das spanische Paar.
Gegen 21.30 Uhr kommen weitere Angehörige zusammen mit Oberbürgermeister Sören Link per Bus angefahren. Für sie wird die von vielen Kerzen illuminierte Gedenkstätte geräumt. Ergreifende Solis von Saxofonist Jonas Schlömer begleiten den Gang.
Verein Bürger für Bürger initiiert die Nacht der tausend Lichter
Der Verein Bürger für Bürger richtet die Nacht der tausend Lichter, initiiert vom inzwischen verstorbenen Vorsitzenden Rolf Karling seit Jahren aus. In dessen Gedenken hält der Verein an der Tradition fest, betonte die Vorsitzende Ute Muders zuletzt. Der Verein bringe auch regelmäßig Blumenspenden zur Gedenkstätte.
Weitere „1763 Kerzen“ entzündete Konnie Kasiske im Tunnel. Handschriftlich hat sie den Songtext von „Geboren, um zu leben“ der Band Unheilig auf die roten Hüllen geschrieben. Sänger „Graf“ hatte 2011 das erste Loveparade-Gedenken in der MSV-Arena begleitet. Unter dem Namen Hendrix hatte Konnie Kasiske vor zehn Jahren den Verein Never Forget gegründet, die Mitglieder zerstritten sich jedoch. Mit ihrer Kerzenaktion wolle sie noch mal an alle Opfer erinnern. Das sei ihr „Abschluss mit dem Thema Loveparade“.
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Offizielle Gedenkfeier am Freitag
Am Freitag wird um 17.45 Uhr offiziell der Opfer der Loveparade-Katastrophe gedacht. Am Mahnmal vor dem Tunnel werden Oberbürgermeister Sören Link sowie Jürgen Thiesbonenkamp vom Kuratorium der Stiftung Duisburg 24.7.2010 sprechen, außerdem wird die DSDS-Gewinnerin Marie Wegener aus Duisburg singen. Wegen der Corona-Regeln sind nur 100 Gäste zugelassen, die Veranstaltung wird live übertragen: Der Link lautet http://gedenken2020.bounceme.net - der Link wird erst wenige Minuten vor der Übertragung am 24. Juli aktiviert.
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Fünfteiliger Podcast über die Loveparade-Katastrophe in Duisburg
Doch wie und warum kam es bei dem Techno-Festival zum tödlichen Gedränge? Wieso wurden die Sicherheitsbedenken ignoriert? Und wie gehen die Betroffenen heute mit dem Erlebten um? Der Podcast geht diesen Fragen nach. Ein Podcast ist quasi eine Reportage zum Hören, abrufbar über das Internet auf waz.de/loveparade und Streaming-Apps wie zum Beispiel Spotify, Apple Podcasts, Audio Now oder Deezer.
Ab dem 24. Juli erscheinen fünf Podcast-Folgen.
- Hier geht es zum ersten Teil: Loveparade-Podcast: „Da unten sterben Menschen“