Duisburg-Wanheimerort. „Alma Ata“, die Band um Duisburg-Ikone Dagmar Albert Horn nimmt nach 50 Jahren wieder ein Album auf. Musiker blicken auf verrückte Zeit zurück.
Dagmar Albert Horn und seine ehemaligen Bandkollegen Willi Förster und Jürgen Friedrichs wollen es noch einmal wissen. Nach 50 Jahren treffen sich die Mitglieder der Duisburger Kult-Musikgruppe „Alma Ata“ in Horns Studio, um alte Songs neu zu vertonen. Die Session gerät zum Klassentreffen der Krautrocker.
„Das Frappierende ist: Wir haben uns gar nicht verändert. Dagmar hat schon damals immer viel erzählt und Willi war eher der Ruhige, der sich um den Sound gekümmert hat“, erinnert sich Jürgen Friedrichs, der die Band mitgründete und nach sieben Jahren wieder ausstieg, um seinem bürgerlichen Job in der Werbebranche nachzugehen. Später machte er dann als Fred Tornado mit der Rock’n’Roll-Partyband „Teddy Technik & die Effekthascher“ Furore.
Duisburger Band war zunächst in Hamburg und den Niederlanden bekannter als Zuhause
„Die Band hatte in ihrer Zeit unzählige Mitglieder“, weiß Frontmann Horn, der mit seinem Willen, Musik zu machen, die Truppe über all die Jahre zusammen hielt und spätesten mit dem Rheinhausen-Lied 1988, mit dem die Kruppianer unterstützt wurden, (Stadt-)Geschichte schrieb. Das bekannte Duisburg-Lied, das er mit Peter Közle und Bülent Aksen aufnahm, war ein Solo-Projekt. „Als Alma Ata hatten wir lange außerhalb von Duisburg mehr Erfolg, sind in Hamburg und den Niederlanden aufgetreten. Aber das ist ja oft so: Der Prophet gilt nichts im eigenen Dorf.“
Einmal übernachteten sie sogar in einer Pension, in der sogar schon die Beatles untergebracht waren. Ihre Zimmerwirte hatten noch eine Autogrammkarte mit den Unterschriften aufgehoben. „Da waren wir baff, das war richtig rührend“, sagt Jürgen Friedrichs.
Wohnung von Horn gleicht einem Hard-Rock-Café
Dagmar Albert Horns Wohnung in Wanheimerort gleicht heute einem Hard-Rock-Café. An den Wänden hängen zahlreiche gerahmte Cover, daneben goldene Schallplatten. Zu sehen sind unterschriebene Gitarren, Plakate und, nicht zu vergessen, ein Miniatur-Dagmar Albert Horn als Marionette. Eine Etage tiefer befindet sich das Studio, in dem mittlerweile auch andere Duisburger Künstler ihre Platten aufnehmen. „Die Nachbarn sind cool. Die machen keinen Stress, auch wenn’s mal lauter wird“, sagt der Multi-Instrumentalist.
„Alma Ata“ gründete sich 1969. Den Namen fand Horn, als er ein Lexikon aufschlug und zufällig auf der Seite eine Beschreibung von „Alma Ata“, der Hauptstadt von Kasachstan, die heute Astana heißt, entdeckte. „Das passte gut in die Zeit, als sich Musikgruppe zum Beispiel Shah Khan nannten. Manche Bands gaben sich eher deutsche Namen wie Bröselmaschine oder Kraftwerk“, erklärt Jürgen Friedrichs. Die meisten Bandmitglieder kannten sich bereits von anderen Musikprojekten. „Willi hat bei bei Fun of Motion Bass gespielt, ich war bei Scarlet Brain“, erinnert sich Friedrichs. Zur Ursprungsbesetzung gehörten neben Horn, Friedrichs und Förster noch Javier Martinez, der Organist von The New Sect.
Horn war noch ein Teenager, wollte unbedingt Gitarre spielen können wie sein großes Vorbild Alvin Lee, dem Gitarrist der britischen Blues-Rockband „Ten Years After“. Die Jungs schlossen sich im Wanheimerorter Bunker ein, probten fast jeden Abend und hatten 1970 ihren ersten größeren Auftritt vor 500 Leuten im Biegerhofpark „Wir wollten aber nicht nur Lieder anderer Bands nachspielen, sondern unser eigenes Ding machen“, betont Horn. Sie waren die einzige Gruppe, die ihre Auftritte mit einer „US-Light-Show“ in Szene setzten. „US“ stand in diesem Fall für „Udo Schoß“ und der schleppte Equipment an, das sonst nur die ganz Großen im Showgeschäft zur Verfügung hatten.
„Alma Ata“: Plakate für Auftritte selbst geklebt
„Alma Ata“ steht für Selfmade-Rock. Weil die Musiker einen guten Draht zum WDR und einem Düsseldorfer Tonstudio hatten und für einige Sendungen Filmmusik einspielten, bekamen sie als Lohn Studio-Zeit, in der sie ihre eigenen Lieder aufnehmen konnten. „Da haben uns andere Bands drum beneidet“, weiß Willi Förster. Sie traten in Diskotheken auf und steckten den DJs ihre Single „Marplot“ zu. „Darauf kann man doch nicht tanzen“, fanden die Disc-Jockeys. „Dafür war unsere Musik ja auch nicht gemacht. Aber sie legten die Scheibe zu späterer Stunde auf, wenn mal gerade eine Tanzpause war und dann rannten die Leute in die Läden und wollten die Scheibe haben.“
Auch interessant
Sie seien ihrer Zeit oft voraus gewesen, hätten Sounds und Instrumente ausprobiert, die andere noch gar nicht im Repertoire hatten.
Die Plakate für ihre Auftritte klebten sie selbst, natürlich ohne Genehmigung. „Kannste dich noch erinnern, wie wir die Polizisten abgelenkt haben?“, fragt Dagmar Albert Horn, als er versonnen durch ein Fotoalbum blättert, in dem sich auch eine Vorlage für die allererste Autogrammkarte der Band findet. „Wir hatten einen Gig in Duisburg und wollten dafür Werbung machen. Bei Karstadt war ein Bauzaun, es war viel los in der Stadt und leider war auch die Polizei unterwegs, so dass wir nicht einfach unsere Plakate ankleben konnten. Ich hab dann unsere Roadies gebeten, ein bisschen Krach zu machen und die Leute abzulenken.“
Die Polizisten setzen sich in Bewegung, um die Lärmquelle zu suchen. „In den paar Minuten hatten wir, ratzfatz, alles zugekleistert. Die kamen wieder und dann ist ihnen fast die Pommes aus der Hand gefallen, als sie merkten, dass die Plakate noch feucht waren.“ Abgerissen haben sie sie nicht und das Konzert war ein Erfolg.
Neue Platte von Duisburger Band soll im Herbst erscheinen
Die neue Platte mit alten Liedern soll im Herbst erscheinen. „Wir wollen die Musik neu arrangieren und schauen, was mit heutigen Mitteln möglich ist“, sagt Willi Förster. Aktuell treffen er und die anderen sich regelmäßig, um an dem Album zu arbeiten. „In Assoziation zu unserem kasachischen Bandnamen Alma Ata - habe ich für den Chorus den typischen Gregorianischen Chorus eingebaut. Dieser, gepaart mit dem alten Rocksound, lässt diese Single-Version Marplot 2020 zeitgemäß und interessant klingen“, verrät er. Dagmar Albert Horn arbeitet zudem parallel an seiner Biografie. Die Erlebnisse, die er auf und hinter den Bühnen hatte, reichen für mehrere Bücher.
Auch interessant