Duisburg. Die geplante Mehrwertsteuersenkung stößt im Duisburger Einzelhandel auf Kritik. Nicht in jedem Geschäft werden ab Juli die Kunden profitieren.
Für ein halbes Jahr sinkt die Mehrwertsteuer – mit dieser Maßnahme aus dem Konjunkturpaket soll der Umsatz im Handel angekurbelt werden. Doch die Begeisterung der Einzelhändler in Duisburg ist getrübt: Die Umsetzung stellt einige vor Herausforderungen.
Die temporäre Mehrwertsteuersenkung bereite dem Handel einen „immensen Arbeitsaufwand“, urteilt Wilhelm Bommann vom Handelsverband Niederrhein. Dazu zählt etwa die Umstellung des Kassensystems. Auch Rechnungsprogramme, Warenwirtschafts- oder Buchhaltungssysteme müssen umgestellt werden. In einem halben Jahr erfolgt dann die Rolle rückwärts, denn die Senkung ist auf sechs Monate begrenzt. „Das ist ein Kraftakt, der zusätzliche Kosten hervorruft.“
Mehrwertsteuersenkung: Hoffen auf mehr Umsatz im Handel
Der Experte hofft für den Handel trotzdem auf einen positiven Effekt. Gerade bei langfristigen Konsumgütern wie Autos, Möbel oder hochwertiger Elektronik seien Preiseffekte für den Verbraucher nicht zu unterschätzen.
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Dabei stellt Bommann aber klar: „Die Senkung der Mehrwertsteuer führt nicht zu einer Verpflichtung der Händler, diese an den Kunden weiterzugeben.“ Der Handel ist in der Preissetzung frei und kann selbst entscheiden, ob er den Rabatt weitergeben möchte. Auf Rechnungen und Kassenbons ist die abgesenkte Mehrwertsteuer aber korrekt auszuweisen, informiert der Handelsverband in einer Mitteilung.
Mehrwertsteuersenkung: Muss jeder Artikel neu ausgezeichnet werden?
Die Senkung führt auch nicht zu einer Verpflichtung der Einzelhändler, die Preisauszeichnungen am Regal zu verändern. Eine Umetikettierung wäre für Boris Roskothen, der einen Spielwarenhandel am Sonnenwall führt, auch ein undenkbares Szenario. Er führt über 30.000 Artikel. Diese neu auszuzeichnen, wäre mit hohen Personalkosten und großem Aufwand verbunden.
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Boris Roskothen rechnet alleine für die IT-Umstellung und die Kosten für den Steuerberater mit zusätzlichen Ausgaben im vierstelligen Bereich. Gerade für kleine inhabergeführte Geschäfte könne nach seiner Einschätzung die Mehrwertsteuersenkung deshalb ein Minusgeschäft werden. Die Maßnahme im Konjunkturpaket sei „gut gemeint, aber doch schlecht gemacht“, so sein Urteil.
Nicht alle Händler in Duisburg geben Ersparnis an die Kunden weiter
Roskothen hat vor, die Preise konstant zu halten, statt sie zu senken – die Ersparnis bei der Mehrwertsteuer werde im Spielwarengeschäft nicht an die Kunden weitergegeben. In seine eigene Tasche fließen die Zusatzeinnahmen aber nicht: „Es soll eine Zusatzzahlung für die Mitarbeiter geben.“ Die Corona-Krise habe auch die Belegschaft belastet. Durch das Konjunkturpaket könne nun etwas zurückgegeben werden. Gleichzeitig wolle er einen Teil der Mehrwertsteuer-Einnahmen an karitative Zwecke spenden.
Grundsätzlich gilt ab dem 1. Juli: Eine Rabattierung darf auch erst an der Kasse erfolgen. So regelt es etwa Petra Manoah vom Knüllermarkt an der Münzstraße. Sie möchte den Rabatt ab dem 1. Juli eins zu eins an die Kunden weitergeben, verzichtet aber auf eine Umetikettierung. Auch der gesamte Aufwand halte sich für die Geschäftsfrau in Grenzen.
Preiskampf in der Lebensmittelbranche erwartet
Für mehr Kundentransparenz empfiehlt der Handelsverband ein Hinweisschild am Eingang, das auf die Senkung der Mehrwertsteuer beim Kassiervorgang hinweist. Allerdings müsse sich zeigen, ob es bei den Kunden dafür Akzeptanz gebe oder ob eine mangelnde Preistransparenz kritisiert werde.
Gerade für die Lebensmittelbranche vermutet der Handelsverband Niederrhein in den kommenden Wochen einen regelrechten Preiskampf. Rewe, Aldi und Edeka haben bereits angekündigt, die Mehrwertsteuersenkung an den Kunden weiterzugeben – Lidl ist bereits vorgeprescht: Schon jetzt profitieren Kunden von niedrigeren Preisen.
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Auch der Baumarkt Hellwig an der Westenderstraße in Duisburg-Obermeiderich oder die Drogeriemarktkette dm möchte die Mehrwertsteuersenkung an die Kunden weitergeben. Auf den Austausch von tausenden Etiketten an den Regalen wird aber auch hier verzichtet. „Unsere Kunden werden auf ihrem Kassenbon transparent bei jedem einzelnen Artikel den Rabatt sehen“, teilt Hellwig-Marktleiter Matthäus Guzinski mit.
>>> Mehrwertsteuersenkung: Das müssen Verbraucher wissen
• Mit dem Steuerhilfegesetz soll zur Stärkung der Kaufnachfrage der Umsatzsteuersatz befristet vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent abgesenkt werden. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, der etwa für Lebensmittel gilt, soll auf fünf Prozent fallen.
• Im Übrigen: Drei Prozentpunkte Mehrwertsteuersenkung machen nicht drei Prozent Preisreduktion aus. Schließlich wird die Mehrwertsteuer auf den Nettopreis aufgeschlagen. Der tatsächliche Vorteil beim Kunden liegt nicht bei drei Prozent, sondern bei 2,52 Prozent.
• Um Diskussionen an der Kasse zu vermeiden, gewährt der Knüllermarkt drei Prozent Preisnachlass und verringert so die eigene Gewinnmarge.
• Zu achten ist auf preisgebundene Artikel wie etwa Bücher, Zeitschriften oder Tabakwaren – diese sind grundsätzlich von der Mehrwertsteuersenkung ausgeschlossen.