Duisburg. Flüchtlinge in Duisburg haben es wegen Corona schwer. Ein Verein kämpft für einen humaneren Umgang mit ihnen. Und feiert daher ein Konzert.

Angenommen, Bärbel Esser vom Geflüchteten-Verein Solidarität International (SI) könnte Sören Link (SPD) für einen Tag als Oberbürgermeister ablösen, was würde sie ändern? „Ich würde dafür sorgen, dass Flüchtlinge in Zeiten von Corona nicht mehr in den Heimen eingepfercht werden“, sagt die 63-Jährige, die die Ortsgruppe von SI in Duisburg organisiert.

Die Ehrenamtliche, die sonst in einer Bildungseinrichtung in Gelsenkirchen arbeitet, fordert von der Stadt, Geflüchtete in leer stehenden Wohnungen und Hotels unterzubringen, damit sie sich besser vor Corona schützen können. Es sei ein Unding, dass sie keine Einzelzimmer hätten. „Außerdem würde ich dafür sorgen, dass mehr Flüchtlinge auf Corona getestet werden“, sagt sie. „Nur so können Infektionsketten nachvollzogen und Menschen besser geschützt werden.“

Duisburger Geflüchteten-Verein "Solidarität International": Flüchtlingsheime auflösen

Die Lage für viele Geflüchtete in Duisburg sei derzeit dramatisch: Sie schlafen mit bis zu vier Personen in einem Zimmer, teilen sich Küche und Bad. „Schutz vor dem Virus geht da kaum.“ Hinzu komme, dass viele eine Abschiebung befürchteten und nicht arbeiten dürften.

Am Samstag, 20. Juni, am Weltflüchtlingstag, feiert der Verein daher in seinen Räumen an der Flurstraße in Neudorf ein sogenanntes Brückenkonzert. Ab 19 bis 20 Uhr spielt eine deutsch-kurdische Band von der Brücke aus, die über die Straße führt. Bärbel Esser und ihre Mitstreiterinnen wollen das Konzert nutzen, um Spenden zu sammeln und ihre Forderungen unters Volk zu bringen.

Esser gehört zu den Gründungsmitgliedern, die den Verein 1996 in Kassel gegründet haben. Seit 2000 ist das Bundesbüro in Duisburg. „Dort gab es eine starke Ortsgruppe“, erklärt Ute Kellert aus dem Bundesvorstand. Etwa 1100 Mitglieder hat der Verein aktuell, die einen Mindestbeitrag von 1,50 Euro im Monat zahlen, 37.000 Euro nimmt er dadurch im Jahr ein. Zusätzlich sammelt er Spenden, jährlich bis zu 200.000 Euro. Viele Mitglieder sind in Gewerkschaften aktiv, der Verein versteht sich als überparteilich.

Flurstraße hat eine lange Tradition

Ihre Räume an der Flurstraße haben sie vom Journalisten und Schriftsteller Günter Wallraff bekommen. „In der Straße haben sich schon während der Nazi-Zeit Bürger gegen Rechts gewendet“, sagt Esser. Die Straße war damals als „Rote Flurstraße“ verschrien, auf der Brücke haben Kommunisten seinerzeit Pflastersteine gesammelt. „Wenn SA oder SS kamen, wurden sie damit beschmissen.“

SI hofft auf viele Spenden durch das Brückenkonzert. Sie sammeln Geld für ein Krankenhaus in Nord-Syrien, das sie von 2015 bis 2016 zusammen mit der Organisation „Internationale Koordinierung Revolutionärer Parteien“ gebaut haben. Nach der Fertigstellung haben sie es an die kurdische Selbstverwaltung übergeben, heute nutzen Kurden es als Geburtenklinik.

Zudem wollen sie die Spenden nutzen, um für das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos Seife und Wasser zu kaufen. „65.000 Euro haben wir bereits für sie gesammelt – dort fehlen momentan die nötigsten Dinge“, sagt Kellert. Und Esser betont: „Unsere Spenden erreichen Eins-zu-Eins die Bedürftigen, da versickert nichts in Bürokratie.“

Kritik an Oberbürgermeister Sören Link: „rassistische Äußerungen"

In Duisburg veranstaltet SI wöchentlich Beratungsgespräche, die allerdings seit Ausbruch der Corona-Pandemie ausfallen mussten. „In den Gesprächen informiert ein Rechtsanwalt Personen kostenlos über Aufenthaltsfragen, aber auch über Hartz IV“, sagt Esser. Vier mal im Jahr organisieren sie „Länder-Abende“, an denen sie Berichte über Menschenrechtsverletzungen halten. Sie haben schon über Syrien, Bangladesch oder den Kongo referiert. „Dazu gibt es dann immer das passende Essen und wir sammeln natürlich Spenden“, sagt Esser. Aber auch diese Aktionen fielen zuletzt aus.

Damit sich die Lage von Geflüchteten in Duisburg verbessert, darf man sich laut Esser nicht auf die Politik verlassen: „Sören Link ist ja in der Vergangenheit selbst durch rassistische Äußerungen aufgefallen.“ Sie erinnert an Links Aussage 2015, er „hätte gerne das Doppelte an Syrern", wenn er „dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte“ und appelliert: „Wenn wir was ändern wollen, müssen wir Bürger uns zusammenschließen und uns stark machen.“

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