Duisburg. Dicke Luft, wenig Platz und viele ohne Masken: Eine Fahrt in Corona-Zeiten mit der Straßenbahn 903 in Duisburg. Welche Gefahren Virologen sehen.

Ein Mann betritt den letzten Wagen der Straßenbahn 903 in Duisburg-Marxloh, die zum Hauptbahnhof fährt, und zieht seinen mit weißen Totenköpfen bedruckten Mundschutz unter das Kinn. Zwei Männer sehen das und schieben auch ihre Bedeckungen beiseite, eine junge Frau sitzt bereits ohne Mundschutz in der Tram. Nicht lange und ich bin umgeben von Fahrgästen, die entschieden haben, dass Corona für sie nicht existiert.

In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Berichte, dass sich Bürger in Hochfeld und Marxloh nicht an Corona-Regeln hielten. Die Zahl der Neuinfektionen stieg in Hochfeld zuletzt stärker an als in anderen Stadtteilen Duisburgs. Wie verhalten sich also die Menschen im ÖPNV in den beiden Stadtteilen? Eine Reise vom Brückenplatz in Hochfeld zum Striepweg in Fahrn und zurück.

Duisburg: In der 903 wird das Abstandsgebot selten eingehalten

In der 903 ist es extrem eng. Sie wurde nicht gebaut, damit Leute in ihr 1,50 Meter Abstand halten. Kurz nachdem ich in Hochfeld gestartet bin, steigen vier DVG-Mitarbeiter am Hauptbahnhof in die 903 und stellen sich dicht zusammen, um zu plaudern – immerhin mit Mundschutz.

Eine Frau quetscht sich an ihnen vorbei, um sich auf einen Viererplatz niederzulassen, an dem schon zwei andere Fahrgäste sitzen. Ulf Dittmer, Direktor der Virologie an der Uniklinik Essen, sagt, dass Abstandhalten zu den wichtigsten Maßnahmen gehöre, um eine Tröpfchenübertragung in Bus und Bahn zu verhindern.

Dicke Luft in der Straßenbahn

Daneben sei eine „gute Durchlüftung“ wichtig. Doch die Hälfte der Klappfenster in der 903 sind an diesem Donnerstagabend verschlossen. Viele sind so gebaut, dass man sie gar nicht öffnen kann. Es weht also nur hier und da eine schwache Brise. Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, warnt im Podcast des NDR vor Aerosolen, die sich lange in der Luft aufhalten, wenn diese nicht in Bewegung ist. Er schätzt, dass sogar die Hälfte aller Infektionen auf diese Weise passieren.

Auf den Weg in den Norden fährt auch Fenan Kidane (27) mit der Bahn. Sie arbeitet als Erzieherin und ist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Drei Mal in der Woche fährt sie mit der 903. „Die meisten halten sich an die Maskenpflicht“, berichtet sie. „Aber Abstand halten geht hier nicht.“ Sie fühle sich einigermaßen sicher in der Tram, neben der Maske benutzt sie ein Desinfektionsmittel für die Hände. Ein DVG-Fahrer bestätigt Kidanes Erfahrung: „90 Prozent tragen Maske“, sagt er.

Virologe gibt Tipps für die Fahrt im ÖPVN

Der Virologe Dittmer, der selbst lieber mit dem Fahrrad unterwegs ist, empfiehlt Bürgern, den ÖPNV seltener zu benutzen, sofern sie einen Stadtteil durchkreuzen, in dem viele Corona-Infizierte leben. Doch er hat Tipps für Personen, die auf Bus und Bahn angewiesen sind: eine medizinisch hochwertigere Schutzmaske tragen, sich während der Fahrt nicht ins Gesicht fassen und sich die Hände waschen. „Der ÖPVN ist nur eine Keimschleuder, wenn Hygieneregeln nicht eingehalten werden“, sagt er.

Nach meinen Beobachtungen unternimmt die Duisburger Verkehrsgesellschaft nur wenig, damit Mitfahrer das Abstandsgebot befolgen: Verhaltenshinweise stehen zwar an den Bahntüren beim Einstieg, es gibt aber zum Beispiel keine verlängerten Züge, kein Absperrband, dass das Abstandsgebot sicherstellt. Die DVG könnte ja jede zweite Sitzreihe versperren. In der Tram sieht es im Grunde aus wie immer.

DVG spricht von einer großen Informationskampagne

DVG-Sprecherin Kathrin Naß sagt, dass die DVG, um Abstandsregeln sicherzustellen, eine große Informationskampagne gestartet habe: auf digitalen Kanälen, an Haltestellen, in Verkehrsmitteln, über Durchsagen.

In anderen Städten erhöhen Verkehrsbetriebe die Taktungen, stellen Verkehrspläne um, und verlängern Bahnen, um Passagieren mehr Platz zu bieten, sich zu verteilen. „Aktuell fahren wir tagsüber nach dem normalen Regelfahrplan“, sagt Naß. Aber weil zur Zeit weniger Fahrgäste unterwegs seien, kämen sie sich kaum in die Quere. Die Trams und U-Bahnen könnten in Duisburg nicht verlängert werden, sagt der DVG-Fahrer, weil die Haltestellen dafür zu kurz seien.

Ticketprüfer sollen auch auf die Einhaltung der Maskenpflicht achten

Naß teilt außerdem mit, dass seit Montag, 18. Mai, Ticketprüfungen in Duisburg intensiviert werden. Die Kontrolleure werden auch auf die Einhaltung der Maskenpflicht achten. Fahrgäste ohne Mundschutz werden zunächst freundlich ermahnt, bei Nichtbefolgung jedoch des Fahrzeugs verweisen. „Unsere Prüfer können aber rein rechtlich gemäß der Corona-Schutzverordnung kein Bußgeld ausstellen."

Die Zuständigkeit liege bei den Ordnungsbehörden, erklärt sie. In Schwerpunktbereichen, also wo viele Infizierte leben, wolle die DVG „intensiver kontrollieren“. Sie befinde sich im Gespräch mit der Stadt zu diesem Thema.

Im Wagen sitzen plötzlich fast alle ohne Mundschutz um mich herum

Als ich wieder auf auf dem Weg von Marxloh nach Hochfeld bin, sitze ich dann in der Runde, in der in einem Wagon von zwölf Personen nur eine den Mundschutz trägt. Auf die Frage an den Mann mit dem Totenkopf-Mundschutz, wieso er seinen abgelegt habe, sagt er: „Kein Interesse“ und blickt auf sein Handy.

Ich bin froh, als ich am Brückenplatz in Hochfeld ankomme, um die Tram zu verlassen. Am Ende leeren sich die Wagen zwar sehr, aber die geschlossenen Fenster und der enge Kontakt zu anderen machen mich stutzig.

Fahrgast: Hochfeld zu Unrecht am Pranger

Am Brückenplatz wartet eine Frau auf die 903, sie hat gegenüber der Haltestelle eine Kanzlei. Ihr missfällt, dass Hochfeld nun so im Fokus stehe. Bei ihren Spaziergängen könne sie nicht feststellen, dass sich die Bürger weniger an Corona-Beschränkungen hielten als anderswo. „Die höheren Fallzahlen kommen eher zustande, weil hier Großfamilien in kleinen Wohnungen leben“, sagt sie.

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