Duisburg. Am Donnerstag kehren die ersten Schüler an Duisburgs Schulen zurück. Schulleiter organisieren den Unterricht mit Mut zur Lücke - und Bedenken.
Mit Zollstock und Klebeband haben Lehrer die Klassenräume an der Gesamtschule Mitte in Duisburg vorbereitet für die 165 Zehntklässler, die sie am Donnerstag erwarten. Sitzpläne legen fest, wer wo sitzen wird. Die Tische sind vermessen und positioniert, die Waschbecken wurden getestet, Seife aufgefüllt. „Wir können beginnen, bei allen Bedenken, die wir haben“, sagt Schulleiter Ernst Wardemann.
Künftig sollen die Zehner dienstags bis donnerstags je zwei Stunden Deutsch, Mathe und Englisch „eingebimst“ bekommen. Die anderen Fächer finden nicht statt, weil es schlicht organisatorisch nicht möglich ist: Alle Kontaktflächen müssen gereinigt werden zwischen jedem Fach-Wechsel. Beim E-Kurs Deutsch sitzen ja nicht die gleichen Schüler wie beim E-Kurs Mathe, erklärt Wardemann.
Schüler sorgen sich um die Familienmitglieder daheim
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Die Abiturienten sind für Freitag erstmals geladen – allerdings auf freiwilliger Basis. Nicht alle 80 werden kommen, ist Wardemann sicher. Viele würden sich um die Familienmitglieder sorgen, nichts daheim einschleppen wollen. Außerdem „haben wir das mit dem Videounterricht gut im Griff“, meint der Schulformsprecher. Über die Plattform iServ werden Aufgaben verteilt, Gespräche mit den Schülern geführt.
Die Vorbereitungen an den anderen Gesamtschulen würden ähnlich laufen. Aber Angst und Unsicherheit seien auch groß. Was passiert, wenn man nicht alle Hygienevorschriften umsetzen kann? Muss ich nachweisen, dass ich ein Risikopatient bin und deshalb nicht zur Schule komme? Wie?
Bei seinem eigenen Kollegium ist Wardemann positiv überrascht. Gerechnet hatte er mit einem Ausfall von 30 Prozent – wegen des Alters und Vorerkrankungen. Aktuell seien aber nur 15 der rund 100 Lehrer raus. Selbst die 60plus-Kollegen kommen, „sie wollen ihre Zehner bis zum Abschluss bringen“, sagt der Schulleiter anerkennend.
Ein Lehrer hat einen Schutz für die Kollegen entwickelt: Per 3D-Drucker hat er eine Halterung für den Kopf geformt, in die Schiene wird eine Kopierfolie eingeklemmt – fertig ist die spucksichere Maske.
Was tun mit Schülern, die absichtlich jemanden anhusten?
Torsten Marienfeld von der Alfred-Adler-Schule stellt sich derzeit Fragen, die er sich nie zuvor gestellt hat. Wie gehen die Schüler durch die Türe? Wo sammeln sie sich? Und: Was mache ich mit Schülern, die absichtlich jemanden anhusten? „Wir brauchen ein völlig neues Regelwerk, haben völlig neue No-Gos und noch riesige Fragezeichen“, sagt der Schulformsprecher für die Förderschulen in Duisburg.
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Mit pubertärem Übermut müssten alle Schulformen klar kommen. An Förderschulen kommen andere Probleme noch hinzu. Etwa der autistische Schüler, der hustet, um seine Mitmenschen auf Abstand zu halten. Oder das Kind mit Down-Syndrom, das immer auf Körperkontakt aus ist und für das ein Mundschutz kein Hindernis darstellt.
Schulalltag für Förderschüler oft elementar
Am Donnerstag erwartet Marienfeld sechs Schüler, aber auch für sie werden schon zwei Klassenräume vorbereitet. Wie es dann mit den Grundschülern weitergehen soll, ist ihm ein Rätsel. „Ich warte täglich auf neue Mails vom Schulministerium und der Bezirksregierung.“
Parallel würden viele Gespräche mit der Schulaufsicht geführt. „Mir wäre am liebsten, wir würden sagen, dass das Schuljahr gelaufen ist und bis zu den Sommerferien eine Notbetreuung organisieren für jene Kinder, denen es schlecht geht.“
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Für viele seiner Kinder sei der Schulalltag elementar, sie brauchen die Begegnung mit anderen Kindern und den Lehrern. Kollegen an Schulen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung gingen davon aus, dass in all ihren Klassen Kinder sitzen, die von häuslicher Gewalt betroffen seien. „Wir haben nach sechs Wochen Sommerferien schon das Gefühl, dass wir die Kinder erst mal wieder aufbauen müssen“, beschreibt Marienfeld. Jetzt komme noch die Verunsicherung durch die Pandemie hinzu.
Förderschulen seien ein helfendes System, das den Kindern und Familien aktuell nicht zur Verfügung stehe. Zwar hätten die Kinder an der Alfred-Adler-Schule eine eigene E-Mail-Adresse, kennen die digitale Plattform, „aber für die meisten ist die Beziehung mit dem Lehrer wichtig, den Kontakt von Angesicht zu Angesicht kann man nicht hoch genug gewichten“, findet der Sonderpädagoge. Nicht zuletzt „brennen auch die Lehrer darauf, wieder in der Schule zu unterrichten“. Den bekannten Lehrermangel an Förderschulen wiegt allerdings auch das nicht auf.
Schüler sollen eigene Handtücher mitbringen
Die Leibniz-Gesamtschule in Hamborn hat derweil ein sechsseitiges Regelwerk herumgeschickt, um den Alltag ab Donnerstag zu organisieren. Unterschiedliche Ankunftszeiten für die Schüler, verpflichtendes Händewaschen vor Unterrichtsbeginn möglichst mit je eigenen Handtüchern, spontane Pausen, wenn die Reinigungskraft zur Flächenreinigung hereinplatzt – das sind nur einige Aspekte.
Wie es inhaltlich weitergeht, haben die Lehrer am Mittwoch geklärt – damit sich der Stoff der folgenden sechs Unterrichtstage mit den Themen der zentralen Abschlussprüfungen deckt.
Masken, Desinfektionsmittel und zusätzliche Reinigung in den Schulen
• Um den Infektionsschutz zu gewährleisten, sollen alle Schulen bis zum Unterrichtsstart eine Grundausstattung mit Desinfektionsmitteln und Mund-Nasen-Masken erhalten. Das hat die Stadt, die als Schulträger dafür zuständig ist, am vergangenen Montag zugesagt.
• Eltern können den ihren Kindern auch eigene Hygienmittel – Seife, Handtuch oder (selbst genähte) Masken mitgeben, um die Sicherheit zu erhöhen.
• Alle in den Schulen genutzten Räume sollen zweimal täglich von städtischen Reinigungskräften desinfiziert werden – einmal nach Unterrichtsschluss und einmal während der Unterrichtszeit.