Die Staatsanwaltschaft sieht den Tatverdacht gegen die Angeklagten im Loveparade-Prozess bestätigt. Warum sie der Einstellung trotzdem zustimmt.

Das vorzeitige Ende des Loveparade-Prozesses steht unmittelbar bevor: Die Duisburger Staatsanwaltschaft hat heute dem Vorschlag des Duisburger Landgerichts zugestimmt, das Strafverfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2 StPO einzustellen. „Angesichts der schweren Folgen der Tragödie – 21 Tote, mehr als 650 Verletzte – und des damitverbundenen Leids ist uns diese Entscheidung nicht leicht gefallen“, teilte die Behörde in einer schriftlichen Erklärung mit. „Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint uns aber nunmehr eine Einstellung des Verfahrens im Ergebnis vertretbar.“

Das Landgericht bestätigte später, dass auch die Angeklagten einverstanden seien. Fast zehn Jahre nach der Tragödie wird noch gegen drei der ursprünglich zehn Angeklagten verhandelt. Sie arbeiteten für den Veranstalter. Der Prozess läuft seit rund zweieinhalb Jahren.

Das Gericht bat die Vertreter der Nebenklage, bis zum 27. April abschließend Stellung zu nehmen. Eine Formalität: Sie haben auf die Entscheidung keinen Einfluss.

Staatsanwaltschaft: Tatverdacht hat sich bestätigt

Die Staatsanwaltschaft sieht den Tatverdacht gegen die drei Angeklagten allerdings bestätigt. Vorbehaltlich der Verjährungsproblematik, so die Behörde, wäre daher ein Tatnachweis in der

Nebenkläger im Loveparade-Prozess – auch ihre Anwälte müssen sich zum Einstellungsvorschlag noch äußern.
Nebenkläger im Loveparade-Prozess – auch ihre Anwälte müssen sich zum Einstellungsvorschlag noch äußern. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Hauptverhandlung wahrscheinlich. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach hätte die entscheidenden Ursachen für das Unglück herausgearbeitet. Weder Veranstaltungsraum noch Veranstaltungskonzept seien für eine Veranstaltung dieser Größenordnung geeignet gewesen. Und die Besucherströme seien am Veranstaltungstag nicht richtig gesteuert worden. Dafür seien überwiegend die Angeklagten verantwortlich gewesen.

Angeklagte durch die Dauer des Verfahrens sehr belastet

Zu ihren Gunsten müsse man berücksichtigen, dass es sich „um ein multikausales und im Einzelnen nur sehr schwer vorhersehbares Geschehen handelte“. Die Angeklagten seien zudem nicht vorbestraft und sowohl durch die jahrelange öffentliche Diskussion über das Verfahren und ihre Rolle darin sowie die lange Dauer des Verfahrens „erheblich belastet“.

Für die Beantwortung der Frage, ob ihr Verschulden gering sei im Sinne von § 153, dürfe man nicht alles allein auf den Tatzeitpunkt abstellen, auch der aktuelle Verfahrensstand sei maßgeblich. Seit der Teileinstellung des Strafverfahrens für sieben Mitangeklagte im Februar 2019 sei ein weiteres Jahr mit zahlreichen weiteren Verhandlungsterminen vergangen, „das die Angeklagten in ihrer Lebensgestaltung deutlich belastet“ habe.

Zusätzliche Gefährdung durch Corona

Durch die Corona-Pandemie sei zudem eine konkrete Gefährdung zahlreicher Verfahrensbeteiligter mit ganz erheblichen Gesundheitsrisiken eingetreten. Diese Gefährdung verzögere die Hauptverhandlung, und es stehe sicher fest, dass das erforderliche Beweisprogramm bis zu dem Eintritt der absoluten Strafverfolgungsverjährung am 27. Juli 2020 hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung nicht zu absolvieren sei. Die Schuld der Angeklagten unter Berücksichtigung der Gefahrenlage und des aktuellen Verfahrensstandes könne als gering angesehen werden. „Eine Fortführung des Verfahrens“ so die Staatsanwaltschaft, „ist daher – insbesondere auch mit Blick auf die Strafe, die die Angeklagten bei einer Verurteilung zu erwarten hätten – nicht mehr verhältnismäßig.“

Nebenklageanwalt Julius Reiter spricht über Schadenersatzforderungen

Prof. Julius Reiter, der zahlreiche Opfer in der Nebenklage vertritt, hatte mit der Reaktion der

Julius Reiter, Anwalt im Loveparade-Prozess.
Julius Reiter, Anwalt im Loveparade-Prozess. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Staatswaltschaft gerechnet. Die Corona-Krise als ein Argument ins Feld zu führen, „halten viele für vorgeschoben“, sagte er der WAZ. „Der Düsseldorfer Messesaal für 500 Menschen ist groß genug, damit alle weit genug auseinander sitzen können.“

Mit einer Verurteilung habe er auch nicht mehr gerechnet. „Aber wir hätten uns schon noch gerne die Ausführungen von Professor Gerlach zu seinem Gutachten angehört.“ Falls nun eingestellt werde, warte man „auf den ausführlichen Beschluss des Gerichts, in dem alle Erkenntnisse zusammengefasst werden“. Das könne zur Grundlage für Schadensersatzforderungen werden.

Der Kammer hielt Reiter vor, sie sei „zwar sehr um Aufklärung bemüht“. Eine Entscheidung über Verurteilung oder Freispruch habe sie aber nie wirklich beabsichtigt. „Das“, so Reiter, „war vielen Verfahrensbeteiligten schon lange klar.“ Das Verfahren zeige, dass unsere Prozessordnung für die Bewältigung von Großverfahren nicht geeignet sei. Reiter: „Wir haben keine Spezialdezernate, die sich mit Großfällen beschäftigen.“