Duisburg. Die Zeit drängt im Prozess um die Loveparade. Wegen der Corona-Pause schlägt das Gericht nun die Einstellung vor. Betroffene „maßlos enttäuscht“.
Kommt jetzt doch das vorzeitige Aus für den Loveparade-Prozess? Die Strafkammer hat am Dienstag eine Einstellung des Verfahrens angeregt. Grund ist unter anderem die derzeitige Aussetzung des Prozesses wegen der Corona-Pandemie. Fast zehn Jahre nach dem Unglück mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten wird noch gegen drei Angeklagte aus den Reihen des damaligen Veranstalters verhandelt.
Nach zweieinhalb Verhandlungsjahren drohte dem Verfahren ohnehin die Verjährung: Ende Juli liegt es ein Jahrzehnt zurück, dass das Duisburger Technofest sein tragisches Ende nahm. Damit könnte im Sommer der Vorwurf der fahrlässigen Tötung wegfallen. Ob auch die Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung verjährt, wird zur Zeit umfangreich geprüft, weitere Gutachter sind bestellt.
Einstellung? Prozess-Beteiligte sollen Stellung nehmen
Schon im Frühjahr vergangenen Jahres war das Verfahren, das wegen seiner schieren Größe in einem Gebäude der Düsseldorfer Messe stattfindet, gegen sieben von zehn Angeklagten eingestellt worden. Neben sechs Mitarbeitern der Duisburger Stadtverwaltung durfte unter dem Protest der Nebenkläger auch der damalige Produktionschef der Veranstaltung gehen – ebenfalls auf Grundlage des Paragrafen 153.
Nach mehrwöchiger Prozesspause wegen des Corona-Virus hat die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg den Verfahrensbeteiligten nun vorgeschlagen, das Loveparade-Verfahren nach § 153 Abs. 2 der Strafprozessordnung einzustellen – das heißt wegen geringer Schuld oder geringem öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung. Staatsanwaltschaft, Verteidiger, Angeklagte und Nebenkläger können dazu bis zum 20. April schriftlich Stellung nehmen.
Zeitplan drängt: Ende Juli droht die Verjährung
Als Begründung nennt der Vorsitzende Richter Mario Plein unter anderem, dass das Verfahren wegen der Infektionsgefahr auch weiterhin nur eingeschränkt durchgeführt werden könne. Eine Richterin stand vorsorglich unter Quarantäne, mehrere Prozessbeteiligte, darunter Angeklagte und Schöffen, gehören zur Risikogruppe. Wann der Prozess überhaupt fortgesetzt werden kann, sei offen. „Für den Fall einer Fortführung wäre mit einer erheblichen Dauer des weiteren Verfahrens zu rechnen“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.
Geplant war bereits für März die Einführung des Gutachtens, die mehrere Tage in Anspruch nehmen soll. Seine umfangreiche Expertise hatte Prof. Dr. Jürgen Gerlach bereits vor Monaten vorgelegt. Sie habe seine Schlüsse, so die Kammer, in ihre Überlegungen bereits einbezogen, Prof. Gerlach habe schriftlich erklärt, dass sich in der Hauptverhandlung zuletzt keine wesentlichen Änderungen seiner Einschätzung ergeben hätten.
Richter fürchtet psychische Belastung für Nebenkläger
Neben dem Gutachten stehen weitere umfangreiche Termine auf dem Plan: Weitere Nebenkläger und psychiatrische Gutachter sind zu vernehmen. „Auch dies wäre mit einer erheblichen Gefährdung aller Verfahrensbeteiligten verbunden“, schreibt das Gericht. Hinzu komme die starke psychische Belastung für einige Nebenkläger.
Die Kammer, heißt es, „hält es zwar für wahrscheinlich, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfene Tat nachgewiesen werden könnte“, falls man zügig weiterverhandeln könne. So aber bestehe „nur noch eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, den angeklagten Sachverhalt verurteilungsreif aufzuklären“. Auch dürfte eine etwaige Schuld der Angeklagten „nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen als gering angesehen werden“. Eine Strafe würde sich allenfalls im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen.
„Ein schwarzer Tag“ für Angehörige und Geschädigte
Die übrigen Verfahrensbeteiligten müssen dazu ihre Zustimmung geben. Die Staatsanwaltschaft Duisburg kündigte am Dienstag an, den Vorschlag der Richter prüfen zu wollen. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Prof. Julius Reiter, prominenter Vertreter mehrerer Nebenkläger, erwartet von den Anklägern Zustimmung. In einer Stellungnahme erklärte er sein Bedauern darüber, dass „der Loveparade-Prozess nach nunmehr fast zehn Jahren Bearbeitung durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird. Die Geschädigten und die Angehörigen der Todesopfer sind maßlos enttäuscht.“ Dies sei „ein weiterer schwarzer Tag“ für die Opfer und Angehörigen. Man hoffe nun auf eine politische Aufarbeitung.
Im Falle einer Einstellung, kündigte das Gericht an, werden alle Erkenntnisse in einem schriftlichen Beschluss zusammengefasst. Im Rahmen der Hauptverhandlung solle der Beschluss vorgetragen werden. Das hatte Richter Plein auch den Angehörigen stets versprochen. Der nächste Sitzungstermin ist derzeit für den 21. April vorgesehen – ob er wegen Corona aber stattfinden kann, ist noch unklar.