Duisburg. Die Sparkasse Duisburg hat Ende März 11.500 Prämiensparverträge gekündigt. Die Verbraucherzentrale rät zum Widerspruch. Anwalt erhebt Vorwürfe.
Die Sparkasse Duisburg verschickt seit Ende März an 11.500 Kunden Schreiben, in denen sie deren Prämiensparverträge zum 30. Juni kündigt. Betroffen sind mittelfristig noch mehr Sparer: Die Sparkasse hat nach eigenen Angaben zurzeit 50.600 Prämiensparverträge. Verbraucherschützer und Anwälte empfehlen, Kündigungen zu widersprechen. Für zusätzliche Verunsicherung sorgt ein neuer Hinweis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) zu „unwirksamen Zinsanpassungsklauseln“ in Prämiensparverträgen. „Es geht für Betroffene teilweise um tausende Euro“, sagt David Riechmann von der Verbraucherzentrale NRW. Was Kunden jetzt wissen müssen.
Sparkasse Duisburg kündigt mit Bezug auf BGH-Urteil zu unbefristeten Sparverträgen
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Seit Ende März suchten zahlreiche Kunden der Sparkassen Krefeld und Duisburg Rat bei der Verbraucherzentrale, berichtet Riechmann. Der Rechtsanwalt hat sich auf Finanzen und Versicherungen spezialisiert. Er empfiehlt Sparkassen-Kunden, der Kündigung auf jeden Fall schnell zu widersprechen, wenn eine der folgenden Bedingungen vorliegt:
• Im Sparvertrag ist eine Laufzeit vereinbart, die noch nicht abgelaufen ist.
• Die höchste Prämie wurde noch nicht ausgezahlt.
• Der Vertrag hat „keine explizite Laufzeit, enthält aber Angaben zur Laufzeit“.
• Die höchste Prämie wurde zwar bereits gezahlt, aber diese sollte noch für bestimmte weitere Jahre gelten.
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Der Vorstand der Sparkasse Duisburg erklärt die Massenkündigungen mit der Niedrigzinsphase und finanziellen Zwängen. Die Sparkasse beruft sich in den Kündigungsschreiben auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (AZ: XI ZR 345-18) vom Mai 2019.
„Auf der Basis des BGH-Urteils, nach dem langfristige unbefristete Sparverträge dann kündbar sind, nachdem die höchste Prämienstaffel mindestens einmal gezahlt wurde, haben wir von unserem ordentlichen Kündigungsrecht nach Nummer 26, Absatz 1 der AGB Gebrauch gemacht“, erläutert Sprecher Johannes Hümbs.
Anwalt: Sparkasse Duisburg hat auch befristeten Sparvertrag gekündigt
Anwalt Sören Arslan von der Moerser Kanzlei „Gellhorn Schneider Fink & Stieg“ berichtet hingegen, einem seiner Mandanten habe die Sparkasse Duisburg einen Prämiensparvertrag gekündigt, der „ganz eindeutig eine feste Vertragslaufzeit enthält“. Und dessen Befristung sei lange noch nicht abgelaufen. Die Formulierung des Vertrages, sagt Arslan: „Laufzeit: 300 Monate“.
Johannes Hümbs sagt, die Sparkasse habe jüngst nur „S-Prämiensparverträge flexibel“ gekündigt, die zwischen 1993 und September 2004 abgeschlossen wurden. Er empfiehlt Kunden, bei Unklarheiten das Gespräch mit Sparkassen-Finanzberatern zu suchen (Telefon: 0203 28150).
Arslan hingegen befürchtet, „dass viele Sparkassen-Kunden die Kündigungen einfach hinnehmen, weil sie ein einschüchterndes BGH-Urteil als Kündigungsgrund nicht infrage stellen“. Allerdings sei das Urteil „kein Freibrief“, jeder Vertrag müsse „individuell geprüft“ werden.
Sparer aus Rheinhausen: Kündigung „ungehörig
Das dürfte selbst bei den „S-Prämiensparverträgen flexibel zu Auseinandersetzungen über die Definition von „befristet“ führen. Die in Duisburg eingesetzten Formulare enthalten Zusatzvereinbarungen mit Formulierungen wie „flexibel gestaltbar bis maximal 25 Jahre“ und „Laufzeit bis maximal 25 Jahre“. Die Sparkasse vertritt den Standpunkt, sie „stellen somit keine feste Laufzeit dar“, so Hümbs.
Sparer Horst Geßmann aus Rheinhausen sieht das anders und erhält Zuspruch von Verbraucherschützer Riechmann. Betriebswirt Geßmann – Jura studierte er einst ebenfalls – hat einen Prämiensparvertrag (siehe Infobox) aus dem Jahr 1999 mit der „Vertragsdauer: flexibel gestaltbar bis maximal 25 Jahre“. Dies beziehe sich „auf die Kündigungsmöglichkeiten des Sparers“ und gebe der Sparkasse „nicht das Recht, den Vertrag vor Ablauf der 25 Jahre zu kündigen“, meint der 81-Jährige. Die Kündigung sei „ungehörig. Ich betrachte sie als Nichterfüllung meines Vertrages.“
Das sind Prämiensparverträge: ein Beispiel
Horst Geßmanns Prämiensparvertrag macht deutlich, dass die vergleichsweise niedrig und variabel verzinsten Verträge (Start 1999 mit 3,5 Prozent Zinsen jährlich) erst am Ende der Laufzeit attraktiv für Kunden werden. Geßmann hat jährlich etwa 600 Euro eingezahlt.
Eine „S-Prämie“ erhielt er erst nach Ablauf des dritten Jahres: drei Prozent des Jahressparbetrages (also etwa: 18 Euro), im vierten Jahr vier Prozent (circa 24 Euro). Vom siebten Jahr an (zehn Prozent: etwa 60 Euro) steigerte sich die Prämie laut Staffel von Jahr zu Jahr jeweils um fünf Prozentpunkte.
Nach Ablauf des zehnten Jahres erhielt der Sparer so 25 Prozent (150 Euro) der jährlichen Einlage, ab dem 15. Jahr den Höchstsatz von 50 Prozent, also stattliche 300 Euro Prämie pro Jahr – laut Vertrag bis zu zehn Jahre lang. Geßmanns Vertrag läuft „maximal“ von 1999 bis 2024, ihm würden also durch die Kündigung zum 30. Juni 2020 über 1000 Euro entgehen.
David Riechmann sagt, am Ende komme es wohl auch darauf an, „wie kundenfreundlich ein Gericht die AGB auslegen wird“. Er empfiehlt Kunden, auch den Kündigungen solcher „maximal“-Verträge mit dem Musterbrief der Verbraucherzentrale zu widersprechen und sich gegebenenfalls von der Verbraucherzentrale oder einem Fachanwalt beraten zu lassen: „Für betroffene Sparer könnten auch zusätzliche Vereinbarungen, Vertragsänderungen und sogar Prospekte nützlich sein, die unterstreichen, dass von den Vertragspartnern die Maximallaufzeit angestrebt wurde“, erklärt Reichmann.
>> VERBRAUCHERZENTRALE BERÄT ZURZEIT NUR TELEFONISCH UND ONLINE
• Die Verbraucherzentralen führen wegen der Corona-Pandemie zurzeit keine persönlichen Beratungsgespräche.
• Die Verbraucherzentrale NRW informiert zurzeit auf www.verbraucherzentrale.nrw und telefonisch unter 0211 3399 5845 (montags bis freitags: 9 bis 15 Uhr), in Duisburg unter 0203 488011-01 (montags und freitags von 9 bis 15 Uhr, dienstags und donnerstags von 9.30 bis 13 und 14 bis 18 Uhr).