Duisburg. Ammoniak hat vielversprechende Eigenschaften für eine klimaneutrale Energieversorgung. Daran arbeiten in Duisburg Ingenieure der Universität.

Ammoniak ist mit weltweit rund 150 Millionen Tonnen die meistproduzierte Chemikalie, dient etwa als Grundstoff für Dünger. Wegen seines beißenden Geruchs und seiner toxischen Wirkung galt das farblose Reizgas aber lange als Schmuddelkind unter den Verbindungen. Das ändert sich gerade, weil die Forschung vielversprechende Eigenschaften des Ammoniak für eine nachhaltige und kohlenstofffreie Energieversorgung entdeckt. „Er wird eine wichtige Ergänzung zum Wasserstoff sein“, sind Michael Steffen und Florian Nigbur überzeugt.

Ein Wasserstoff-Fahrzeug haben Wirtschaftsbetriebe seit November 2018 in ihrer Flotte. Im Bild: Joachim Jungsbluth (ZBT) und Thomas Patermann (WBD)
Ein Wasserstoff-Fahrzeug haben Wirtschaftsbetriebe seit November 2018 in ihrer Flotte. Im Bild: Joachim Jungsbluth (ZBT) und Thomas Patermann (WBD) © FFS | Foto: Daniel Elke

Am Zentrum für Brennstoffzellen-Technik (ZBT) in Duisburg entwickeln die beiden Maschinenbau-Ingenieure eine Anlage, der die Verwendung von Wasserstoff aus gespeichertem Ammoniak ermöglicht. Ihr Projekt NH3toH2 wird aus Mitteln des EU-Regionalfonds gefördert. „Ammoniak hat eine hohe Energiedichte, ist einfach zu transportieren und unkompliziert zu speichern. NH3 bietet somit gerade bei der Herausforderung Klimawandel ein enormes Potenzial, Treibhausgasemissionen zu verringern“, erklärt Steffen.

Grenzen von Batterie und Wasserstoff

Der Abteilungsleiter für Gasprozesstechnik am ZBT hat vor fünf Jahren begonnen, sich mit effizienter Herstellung von Wasserstoff aus Ammoniak zur Erzeugung nutzbarer Energie zu beschäftigen. Anlass war die Erkenntnis, dass bei größeren Transportsystemen wie Containerschiffen oder Flugzeugen weder ein Batterie- noch ein Wasserstoff-gestützter Antrieb die Lösung ist. „Wo die Energiedichte nicht ausreicht, kommen wir an Grenzen“, sagt der 46-Jährige.

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Ammoniak ist deutlich leichter lagerbar wie Wasserstoff

Das Problem beim Wasserstoff: Sein großes Volumen muss entweder unter enorm hohem Druck (700 bar) in hochfesten Speichern komprimiert oder zur Verflüssigung auf -253 Grad heruntergekühlt werden. Beide Varianten erfordern einen hohen Energieaufwand und viel Platz. Für ein Containerschiff wäre das weder effizient noch wirtschaftlich, weil allein die Tanks für eine Ozeanüberquerung einen erheblichen Teil des Stauraums benötigen würden. Wesentlich geringer wäre der Aufwand beim Ammoniak, beschreibt Florian Nigbur, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Energietechnik: „Es lässt sich mit 10 bar Druck lagern wie Flüssiggas, weil der Siedepunkt bei -33 Grad liegt, lässt es sich mit marginalem Aufwand in die Flüssigphase bringen und kann dann drucklos in großen Mengen gespeichert werden.“

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Kompetenz für Brennstollzellen-Technik: Ein Wasserstoff-Testfeld weihte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im vergangenen Sommer am ZBT ein. Mit im Bild: Prof. Angelika Heinzel (ZBT-Leiterin) und Uni-Rektor Prof. Ulrich Radtke.
Kompetenz für Brennstollzellen-Technik: Ein Wasserstoff-Testfeld weihte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im vergangenen Sommer am ZBT ein. Mit im Bild: Prof. Angelika Heinzel (ZBT-Leiterin) und Uni-Rektor Prof. Ulrich Radtke. © Foto: Martin Ahlers

Ammoniak wird auch deshalb als grüner Energieträger gehandelt, weil es aus den leicht verfügbaren Elementen Wasserstoff und Stickstoff hergestellt werden kann. Für die Erzeugung großer Mengen müsste grüner Strom in ausreichender Menge verfügbar sein – produziert etwa durch Solaranlagen in Wüsten oder Windräder in Starkwind-Gebieten. Das Haber-Bosch-Syntheseverfahren zur Produktion von NH3 ist seit über 100 Jahren etabliert.

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Cracker macht Wasserstoff verfügbar

Die aktuelle Forschung im ZBT gilt dem so genannten Ammoniak-Cracker. Bei ammoniakversorgten Brennstoffzellen-Systemen wird darin flüssiges Ammoniak wieder in Stickstoff und Wasserstoff zerlegt, indem es über einen erhitzten Feststoff-Katalysator geleitet wird. „Der Wirkungsgrad liegt bei 90 Prozent, weil wir den Cracker durch Verbrennung des Restgases der Brennstoffzelle mit Wärme versorgen“, erklärt Michael Steffen. „Derzeit funktioniert es bei 800 Grad optimal. Wir arbeiten mit Partnern an der Materialzusammensetzung, um einen Katalysator zu finden, der bei gleicher Wirkung mit deutlich niedrigerer Temperatur funktioniert.“

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Forscher: NRW könnte Vorreiterrolle spielen

Ammoniak rücke als Medium für die Energieversorgung zunehmend in den Fokus, berichten die Wissenschaftler auf Anfrage aus der Schiffbau- und Luftfahrt-Industrie. Das sei naheliegend, finden Nigbur und Steffen: „Strategisch macht es Sinn, bei der Wasserstoff-Erzeugung zusätzlich auch auf Ammoniak zu setzen.“ Während sich international Japan, Australien und zunehmend auch China mit dem Thema beschäftigen, war das ZBT in Deutschland vor einigen Jahren noch „ziemlich allein unterwegs, was sich aber gerade ändert“, so Michael Steffen: „Wir haben in NRW alle Voraussetzungen, eine Vorreiterrolle zu spielen - wir sollten diesen Vorteil nutzen.“

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Grüner Ammoniak: ZBT beteiligt am Projekt „Campfire“

Das Bündnis „Campfire“ ist eine ostdeutsche Innovationsinitiative, die in den kommenden fünf Jahren strategische Konzepte umsetzen und daraus neue Technologiefelder entwickeln soll. Schwerpunkt des Innovationskonzepts ist die dezentrale Herstellung von grünem Ammoniak aus Luft und Wasser; die dafür notwendige Energie stammt aus Wind- und Solaranlagen. In innovativen brennstoffzellenbasierten Energie- und Antriebssystemen soll er für die maritime Energiewende und die Zero-Emission-Schifffahrt eingesetzt werden. Dazu werden auch technologisch-ökonomische Studien für die nachhaltige Produktion von Ammoniak und dessen Nutzung als Kraftstoff erarbeitet.

Ziel ist die Verflechtung der Energiebranche mit der maritimen und chemischen Industrie zu einem neuen zukunftsträchtigen Wirtschaftszweig in der Projektregion Nord-Ost. Die Koordination des vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderten Projekts obliegt dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) in Greifswald, von den 31 Partnern sind zwei Drittel Unternehmen, das Duisburger ZBT leitet die Strategie-Entwicklung.